Vergammelte Schnitzel, Würmer in der Küche, Mäuse in der Bäckerei: Bei jedem vierten Lebensmittelbetrieb beanstanden Kontrolleure Verstöße gegen Hygienevorschriften. Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert, die Ergebnisse an der Tür jedes Lokals zu veröffentlichen.
Bäh in der Bäckerei: Hier wurden Krapfen in pechschwarzem Frittier-Fett zubereitet
Foto: Foodwatch
Berlin - Es sind Berichte wie diese, die für Verbraucher der Horror, für Lebensmittelkontrolleure aber Alltag sind: "In Kühleinrichtungen wurde Roastbeef mit sichtbarer Austrocknung gelagert sowie Maultaschen, Spätzle und Bratwürste mit lange überschrittenen Mindesthaltbarkeitsdaten. Überlagerte Schweineschnitzel waren zum Teil bereits grün-gelb verfärbt. Zwischen diesen Lebensmitteln wurden mehrere Styroporboxen aufbewahrt. Nach dem Öffnen wurde mit Erstaunen festgestellt, dass es sich hierbei um lebende Würmer handelt, die dem Betriebsinhaber als Angelköder dienen sollten." So der Befund in einer Tübinger Gaststätte.
Die Entdeckung steht im Jahresbericht der baden-württembergischen Lebensmittelüberwachung. Die Verbraucherschützer von Foodwatch haben einige der ekligsten Funde zusammengetragen und in einem 95-seitigen Report veröffentlicht. Der Vorwurf: Obwohl die Kontrolleure regelmäßig jeden vierten Betrieb beanstanden, erfährt der Verbraucher nicht, was los ist.
"Allen Skandalen zum Trotz lässt der Staat seine Bürger im Stich", kritisiert Matthias Wolfschmidt, der Vize-Chef von Foodwatch. "Verbraucher müssen endlich erfahren, wer die Gammelfleisch-Händler, Pferdefleisch-Panscher oder Schmuddelwirte sind." Wolfschmidt fordert: Alle Ergebnisse der Kontrolleure sollen veröffentlicht werden - im Internet und an der Tür jedes Betriebes, Supermarktes, Restaurants.
In Dänemark ist das bereits seit 2006 Praxis. Ein Smiley-System zeigt dem Gast bereits vor dem Eintreten, wie sauber und hygienisch im Lokal gearbeitet wird. Natürlich führt ein trauriges Gesicht an der Ladentür fast automatisch zum wirtschaftlichen Aus, wie SPIEGEL ONLINE bei einem Test in Kopenhagen beobachten konnte.
Doch das Beispiel Dänemark zeigt auch, dass die Transparenz funktioniert. Die Zahl der negativ getesteten Betriebe ist seit Jahren rückläufig. Viele Wirte kämpfen vielmehr darum, viermal in Folge mit "sehr gut" abzuschneiden. Dann gibt es einen Elite-Smiley, der einem Lokal zusätzliche Gäste bescheren kann.
CDU-Politiker für Veröffentlichung der Kontrollergebnisse
An die Seite von Foodwatch stellte sich am Donnerstag auch ein CDU-Politiker: Thorsten Kühne, Stadtrat in Berlin. Er verantwortet die Lebensüberwachung im Bezirk Pankow, dort gibt es bereits ein Smiley-System. Allerdings stehen die Bewertungen nur im Internet, nicht an der Ladentür. Eine gut ausgestattete Aufsicht und angemessene Sanktionen seien wichtig, sagte Kühne. "Aber auch eine konsequente Veröffentlichung der Kontrollergebnisse dient der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben." Die Skepsis gegenüber mehr Transparenz könne er nicht nachvollziehen. "Als Verbraucher will ich das wissen."
Eine Position, mit der Kühne in seiner Partei noch relativ alleine steht. Unionspolitiker verweisen gerne auf das 2012 reformierte Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Die damalige Ministerin Ilse Aigner versprach, das Gesetz ermögliche den Bürgern schnelle, unkomplizierte und günstige Informationen über Lebensmittelkontrollen. Doch ein Foodwatch-Praxistest ergab nun: Die Anfragen sind langwierig, kompliziert und können teuer werden.
Die Verbraucherorganisation hatte in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 54 Anfragen zu Fleischproben und Hygienezuständen gestellt. Nur in sieben Fälle hätten die Behörden alle Informationen vollständig und kostenfrei herausgegeben.