
Porträts junger Griechen: "Ich habe keine Träume mehr"
Zukunftsangst Griechenlands verlorene Generation
Hamburg - Unter den vielen Nachrichten, die derzeit aus Griechenland kommen, war es eine besonders verstörende: Vor dem Landwirtschaftsministerium in Athen kam es am Mittwoch zu Auseinandersetzungen unter Bürgern, die für kostenlose Lebensmittel anstanden. Ein Mann wurde sogar niedergetrampelt. Die Verteilaktionen gibt es schon länger, griechische Bauern werben damit auch für ihre Produkte. Doch offenbar wächst die Zahl der Griechen, die tatsächlich auf die Almosen angewiesen sind.
Die Lage in der Euro-Zone hat sich beruhigt, Länder wie Spanien und Italien gelten nicht mehr als unmittelbar bedroht. In Griechenland aber gibt es wenig Anzeichen für eine Besserung: Die Wirtschaft wird wohl auch 2013 schrumpfen - das sechste Jahr in Folge. Die Bürger sind ausgelaugt, laut einer neuen Umfrage hat die Hälfte der Haushalte Probleme, Rechnungen und Steuern zu bezahlen. Und die Politik zieht mit ihrem Sparkurs zunehmend Hass auf sich - wie Morddrohungen gegen den Finanzminister und Schüsse auf das Büro des Premiers zeigen.
Zu den größten Leidtragenden gehören Griechenlands Jugendliche. Im Gegensatz zu den Generationen vor ihnen tragen sie keine Verantwortung für die Krise, dennoch liegt ihre Arbeitslosenquote mit fast 60 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt. In der täglichen Berichterstattung aber kämen die Betroffenen kaum vor, kritisiert der Hamburger Fotograf Kilian Foerster . "Wenn drei Vollpfosten mit Hakenkreuzfahne durch Athen fahren, drucken alle die Fotos. Doch diese verlorene Generation in Griechenland ist selten zu sehen."
Der 42-Jährige ist nach Thessaloniki gefahren, um junge Griechen nach ihren Hoffnungen und Ängsten zu befragen. Die dort entstandenen Fotos könnten auf den ersten Blick auch aus einem anderen Land stammen. Doch zu Piercing oder Dreitagebart tragen fast alle Porträtierten Trauer oder Trotz im Blick. Und ihre Aussagen zeigen, dass dahinter mehr als die üblichen Sorgen Heranwachsender stecken.
Einschränkungen gehören für die jungen Griechen zum Alltag. Hobbys, Urlaub oder gar eine eigene Wohnung können sich die meisten nicht mehr leisten. Auch die Sorge ums Essen, die zu den Tumulten in Athen führte, ist ihnen nicht fremd. Die 17-jährige Iva erzählt: "Manchmal gibt es zu Hause nichts zu essen, weil das Geld fehlt."
Marilena, 19, studiert Architektur:

"Meine Ziele sind zerstört worden"
Foto: Kilian Foerster"Die Materialien für die Uni sind eingeschränkt worden. Ich achte jetzt auf meine Ausgaben. Die Zukunft ist ungewiss und meine Wünsche und Ziele sind zerstört worden. Ich werde versuchen, hier zu bleiben, aber wahrscheinlich muss ich ins Ausland gehen und eine Arbeit suchen."
Dominikos, 18, studiert Jura:

"Nach meinen Studium werde ich ins Ausland auswandern"
Foto: Kilian Foerster"Meine Eltern sind Beamte und durch die Krise wurde ihre Kaufkraft um 40 Prozent gemindert. Deswegen machen wir keinen Urlaub mehr, meine Eltern gehen nicht aus und verreisen nicht, um mir und meinen Geschwistern das Geld für das Studium zu geben. Mein Taschengeld wurde stark gekürzt, ich habe mit vielen außerschulischen Aktivitäten aufgehört. Wahrscheinlich werde ich nach einer Arbeit suchen und gleichzeitig studieren. Nach meinem Studium werde ich ins Ausland auswandern, und zwar nach Deutschland."
Aleksandra, 21, studiert Elektroingenieurwesen:

"Ich möchte in Griechenland bleiben"
Foto: Kilian Foerster"Manche Dinge, die wir früher für selbstverständlich hielten, sind jetzt ein Luxus geworden, obwohl sie allen zugänglich sein sollten. Mich stört am meisten, dass die Krise uns überfallen hat. Ständig beschäftigen wir uns damit und verspüren Angst, was dazu führt, dass wir uns in uns selbst verschließen. Ich möchte in Griechenland bleiben, denn wenn ich weggehen sollte, würde ich das gerne aus freien Stücken tun und nicht nur, weil ich einen Job benötige. Trotzdem bin ich nicht so pessimistisch. Ich glaube, dass die Menschen, die eine Familie und Freunde haben, nicht verloren gehen."
Agelos, 20, studiert Informatik:

"Wahrscheinlich finde ich hier nur Teilzeit-Jobs"
Foto: Kilian Foerster"Die Rente meiner Mutter wurde gekürzt und jetzt haben wir wesentlich weniger Geld. Trotzdem schaffen wir es noch. Nach meinem Studium möchte ich in Griechenland bleiben, aber wahrscheinlich finde ich hier nur Teilzeit-Jobs, die auch gar nichts mit meinem Studium zu tun haben."
Iva, 17, Schülerin:

"Arbeiten muss ich, um meiner Mutter finanziell zu helfen"
Foto: Kilian Foerster"Mein Taschengeld wurde stark gekürzt. Aber das Schlimmste ist, dass meine Familie oft nicht genug Geld hat, um die Wasser- und Stromrechnung zu Hause zu bezahlen. Manchmal gibt es zu Hause nichts zu essen, weil das Geld fehlt. Ich möchte gerne studieren, aber gleichzeitig muss ich auch arbeiten. Arbeiten muss ich, um meiner Mutter finanziell zu helfen. Natürlich werde ich weiterhin bei ihr wohnen bleiben."
Mitsos, 23, studiert Mathematik:

"Früher war ich entspannter"
Foto: Kilian Foerster"Vor der Krise konnte ich in meiner eigenen Wohnung wohnen und war unabhängig von meinen Eltern. Jetzt hänge ich wieder von ihnen ab. Früher war ich entspannter, jetzt trage ich für alles mehr Verantwortung. Wenn ich mein Studium beendet habe, werde ich nicht versuchen auszuwandern. Wahrscheinlich werde ich hier Privatunterricht als Mathematiker geben, aber nichts Besseres."
Natalia, 17, Schülerin:

"Ich habe keine Hobbys, denn ich habe kein Geld dafür"
Foto: Kilian Foerster"Meine Mutter wird für ihre Arbeit nicht bezahlt. Mein Vater erzielt mit seiner Firma keinen Gewinn. Ich arbeite bei ihm, obwohl ich auch in die Schule gehe. Ich habe keine Hobbys, denn ich habe kein Geld dafür. Wenn ich ausgehe, habe ich drei bis vier Euro. Ich würde gerne viel Geld haben, um ins Ausland zu gehen und um zu studieren. Ich möchte nach Amerika gehen und Make-up-Artist lernen."
Olga, 21, studiert Agrarwirtschaft:

"Ich denke, ich werde nicht in Griechenland bleiben"
Foto: Kilian Foerster"Ich habe keine Träume mehr für die Zukunft. Man weiß überhaupt nicht, wie die Situation in einem Monat sein wird. Ich denke, ich werde nicht in Griechenland bleiben. Entweder wandere ich aus wegen des wachsenden Neofaschismus oder wegen der Arbeitslosigkeit. Aber wenn ich im Ausland bin, werde ich traurig sein, falls sich der Neofaschismus in Griechenland noch verstärkt."
Eleni, 19, studiert Mathematik:

"Ich denke, dass ich nicht hungern muss."
Foto: Kilian Foerster"Ich kann wie früher leben. Meine Ausgaben haben sich zwar eingeschränkt, aber ich denke, dass ich nicht hungern muss. In meinem Berufszweig werde ich wahrscheinlich keine Arbeit finden, doch Griechenland möchte ich nicht verlassen."
Dafni, 22, studiert Physik:

"Ich möchte gerne nach Deutschland gehen"
Foto: Kilian Foerster"Alle Menschen sind jetzt trauriger. Wir arbeiten mehr, verdienen aber weniger. Ich arbeite als Privatlehrerin im Fach Physik. Ich möchte gerne nach Deutschland gehen, um dort meinen Master zu machen, aber ich benötige dafür viel Geld und vielleicht schaffe ich es nicht."