Umstrittene Gasförderung Fracking-Gesetz aufgeweicht - Industrie schöpft Hoffnung

Fracking-Anlage im US-Bundesstaat Pennsylvania: Erlaubnis durch die Hintertür
Foto: ? Stringer . / Reuters/ REUTERSBerlin - Lange wurde zwischen den Ressorts um ein Gesetz zum umstrittenen Fracking gerungen - nun gibt es eine Einigung. Der Deal wurde zwischen Kanzleramtsminister Peter Altmaier und den beiden Bundesministerien für Wirtschaft beziehungsweise Umwelt ausgehandelt. Diese Nacht ging der Gesetzentwurf zur Ressortabstimmung an das gesamte Bundeskabinett. Er liegt SPIEGEL ONLINE vor.
Schon am vergangenen Wochenende begannen Gegner und Befürworter des Frackings den Kampf um die Deutungshoheit über den Kompromiss. Welche Seite hat sich nun durchgesetzt?
Zentral ist der Paragraf 13. Denn der regelt, in welchen Gesteinsschichten und in welchen Tiefen Probebohrungen oder kommerzielle Bohrungen erlaubt werden können. Neuralgisch ist dabei die Tiefe von 3000 Metern. Bislang sollte keinerlei unkonventionelles Fracking oberhalb dieser Grenze erlaubt sein, was faktisch ein Verbot bedeutet hätte. Unterhalb von 3000 Metern befinden sich nämlich in Deutschland kaum Schiefergas-Formationen, aus denen Erdgas herausgebrochen ("gefrackt") werden könnte. In Paragraf 13 des aktuellen Gesetzentwurfs steht nun zwar, dass "oberhalb von 3000 Meter Tiefe zur Ausbuchung oder Gewinnung von Erdgas" Fracking "zu versagen" sei.
Doch dann folgen Ausnahmen von diesem Verbot. So wird im Unterpunkt 2 eingeschränkt, dass dies "nicht für Erprobungsmaßnahmen" gelte, bei denen die Auswirkungen des Frackings untersucht werden sollen. Im Unterpunkt 5 geht die Regierung noch weiter. Denn sie ermöglicht auch eine kommerzielle Förderung, wenn eine "Expertenkommission" das Fracking in der "jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstuft".
Der letzte Passus ist eine deutliche Aufweichung des ursprünglich geplanten scharfen Fracking-Verbots. Einerseits ist die Einrichtung einer Kommission neu, andererseits benötigt sie nur eine "mehrheitliche" Entscheidung. So wird verhindert, dass ein Fracking-kritischer Vertreter das gesamte Vorhaben blockieren kann. Als Vertreter der Kommission werden nämlich nicht nur ein Delegierter des fracking-kritischen Umweltbundesamts genannt, sondern auch der Technik gegenüber aufgeschlossene Wissenschaftler etwa vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam. Das Votum der Kommission muss am Ende von den zuständigen Landesbehörden und der Regierung des betreffenden Bundeslandes bestätigt werden.
Zentrale Forderungen der Industrie berücksichtigt
In der Industrie ist man durchaus zufrieden über den Kompromiss. Man habe die Tür zum Fracking einen kleinen Schritt offengehalten, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Es werde zwar ellenlange Genehmigungsprozesse für die Unternehmen bedeuten, die fracken wollen. Die Hürden seien extrem hoch. Auch ist die Einrichtung der Kommission erst ab dem Jahre 2018 vorgesehen.
Dennoch fänden sich zentrale Forderungen der Industrie im Gesetzentwurf. "Dies trifft insbesondere auf die Möglichkeit von Probebohrungen und die wissenschaftliche Begleitung durch eine Expertenkommission zu", sagt BDI-Rohstoffexperte Matthias Wachter SPIEGEL ONLINE.
Entsprechend kritisch sieht man den Gesetzentwurf in der Opposition. Der Grünen-Energieexperte Oliver Krischer hat ausgerechnet, dass auf 80 Prozent der Landesfläche künftig Fracking möglich wäre, sogar in besonders geschützten Natura-2000-Gebieten. "Die Bundesregierung gesteht auf offene, ehrliche Weise ein, dass Fracking in Deutschland nie einen Beitrag zur Energieversorgung leisten wird. Trotzdem schafft sie auf Lobbydruck ein Fracking-Ermöglichungsgesetz", sagt Krischer SPIEGEL ONLINE.
Vor allem die Besetzung der Expertenkommission hält Krischer für den zentralen Trick, womit Fracking in Deutschland doch noch durch die Hintertür ermöglicht werden könnte. Sie sei eben zur Hälfte mit Befürwortern des Fracking besetzt.