Faktencheck Mehr Karrierefrauen, mehr Kinder

Die Geburtenrate in Deutschland ist mager. Logisch, Frauen machen heute lieber Karriere, statt Kinder zu umsorgen - so lautet ein gängiges Vorurteil. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Von Hauke Janssen
Neugeborene in der Klinik: Fixierung der Frauen auf Beruf und Karriere?

Neugeborene in der Klinik: Fixierung der Frauen auf Beruf und Karriere?

Foto: Waltraud Grubitzsch/ picture alliance / dpa

Das Problem. "Deutschland hat die niedrigste Geburtenrate der Welt", lautete eine Schlagzeile vor einigen Wochen. Es ließe sich zwar einiges gegen diese Zuspitzung vorbringen. Doch unumstritten bleibt, dass eine Geburtenziffer von etwa 1,4 Kindern pro Frau sehr niedrig ist und dass sie nicht ausreicht, um die Größe der Bevölkerung stabil zu halten. Dafür wären bekanntlich mehr als zwei Kinder (oder aber ein stetiger Zustrom von Einwanderern) nötig.

Eine Studie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen  aus dem vergangenen Jahr hatte gezeigt, dass mittlerweile knapp 60 Prozent der befragten Bundesbürger annehmen, ihren Mitmenschen sei die Karriere wichtiger als der Kinderwunsch. Da wundere es nicht, so das naheliegende Medienecho, dass die Geburtenrate in Deutschland so gering sei.

"Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner wärmte nun dieses Argument wieder auf: Deutschland habe "Business"- und "Power-Frauen", aber "keine Mütter mehr", schrieb er . An aufgeregten Meinungen war in der Folge kein Mangel, aber gibt es dazu auch Fakten?

Für und Wider. Dass eine Fixierung der Frau auf Beruf und Karriere letztlich ein Grund dafür sein kann, dass weniger Kinder geboren werden, leuchtet hierzulande nicht nur 'echten' Männern ein. Doch wäre die These Karriere statt Kind richtig, dann müsste man erwarten, dass gerade solche Länder, in denen vergleichsweise viele Frauen am Wirtschaftsleben teilnehmen und Führungspositionen erobern, eine besonders niedrige Geburtenziffer ausweisen.

Ein Blick in die Statistik zeigt nun aber, dass dies eben häufig nicht der Fall ist. In Neuseeland oder in den USA zum Beispiel bekommt eine Frau im Durchschnitt mehr Kinder als in Südkorea oder Italien, dennoch nimmt sie stärker am Wirtschaftsleben teil und ist in den Führungspositionen von Wirtschaft und Verwaltung häufiger vertreten.

Setzt man beispielsweise die Geburtenziffer eines Landes  in Beziehung zum Anteil der Frauen in Führungspositionen, wie sie der Global Gender Gap Report  ermittelt hat, dann ergibt sich für die 34 hochentwickelten OECD-Staaten folgendes Bild:

Foto: DER SPIEGEL

Fazit: In Ländern, in denen Frauen verstärkt Beruf und Karriere nachgehen (können), ist die Geburtenrate im Mittel nicht niedriger als in Staaten, wo dies weniger der Fall ist. Im Gegenteil, soweit die Daten einen funktionalen Trend zeigen, verläuft dieser konträr zum konservativen Weltbild: mehr Karrierefrauen, mehr Kinder.

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