Freihandelsgespräche EU-USA Weitermachen um jeden Preis

"Handy-Gate", NSA-Krise, Zoff zwischen Europa und den USA - war da was? Die Verhandler des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA halten sich einfach an ihren Zeitplan. Sie wollen ein Rahmenwerk bis Januar. Doch die Skepsis über eine Einigung wächst.
Port Everglades in den USA: Schlüsselfrage Datenschutz

Port Everglades in den USA: Schlüsselfrage Datenschutz

Foto: Joe Raedle/ Getty Images

Michael Froman, amerikanischer Handelsbeauftragter und Barack Obamas Mann für die schwierigen Deals, stand Anfang vergangener Woche in der Residenz des deutschen Botschafters in Washington, er hielt eine Rede vor Teilnehmern einer Tagung der Münchner Sicherheitskonferenz - und Froman sprühte nur so vor Zuversicht, allen Schlagzeilen über eine neue transatlantische Eiszeit zum Trotz.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA bleibe eine persönliche Priorität von Präsident Barack Obama, versicherte der Amerikaner den Gästen, die Vorteile einer engeren wirtschaftlichen Verzahnung beider Kontinente seien schlicht unglaublich. "Fromans Rede hörte sich an wie ein sales pitch, wie eine Verkaufspräsentation", erinnert sich ein Teilnehmer. Selbst als ein Gast fragte, ob nicht auch die NSA-Enthüllungen Thema der Verhandlungen sein müssten, ließ sich Froman nicht aus dem Konzept bringen: Datenschutz sei ja kein explizites Handelsthema, entgegnete er, solche Aspekte seien besser separat zu klären.

Der optimistische Auftritt des US-Chefverhandlers gibt den Ton für die amerikanische Argumentation in Sachen Freihandelsabkommen vor. Es gilt die Devise: Hauptsache weitermachen - auch wenn führende europäische Politiker wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mittlerweile eine Aussetzung der Verhandlungen fordern.

Verhandlungen im Monatstakt

Ein hochrangiger amerikanischer Experte rechnet SPIEGEL ONLINE den Zeitplan vor: In den kommenden Sitzungen diese Woche in Brüssel und im Dezember in Washington sollen technische und regulatorische Details geklärt werden - und Streitpunkte wie der Umgang mit genbehandelten Lebensmitteln oder Medikamentenstandards geklärt werden. Die US-Regierung ist dabei ein wenig in Vorleistung getreten: Vor kurzem hat die USA den Import von EU-Rindfleisch erleichtert, der seit dem BSE-Skandal 1998 unter strengen Auflagen stand. João Vale de Almeida, Botschafter der Europäischen Union in Washington, wertete dies prompt als "gutes Omen" für die anstehenden Verhandlungen.

Im Januar ist dann ein Treffen zwischen Forman und EU-Wettbewerbskommissar Karel De Gucht geplant, vermutlich in den USA. Darauf könnten weitere Verhandlungen im Monatstakt folgen, bis ein Abkommen stehe, ehe die derzeitige EU-Kommission im Herbst 2014 aus dem Amt scheidet - und die Amerikaner einen neuen Kongress wählen.

Dieser Zeitplan ist freilich sehr optimistisch: Bei Diskussionen über technische Details lassen sich politische Streitpunkte wie die NSA-Überwachung noch ausklammern, die Beamten sind dafür auch gar nicht zuständig. Doch spätestens nach dem Treffen von Froman und De Gucht ist politische Vermittlung gefragt, immerhin müssen die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten sowie der US-Kongress jedem Abkommen zustimmen.

"Der Schaden ist wohl schon angerichtet"

Und auch wenn Experten vorrechnen, die geplante transatlantische Verzahnung könne bis zu 160.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland schaffen, ist die öffentliche Zustimmung für das Projekt nach den NSA-Enthüllungen weiter gefallen. Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich laut einer Umfrage des Instituts YouGov für eine Aussetzung der Beratungen aus. John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Berlin, sagt: "Der Schaden ist wohl schon angerichtet. Die Verhandlungen stehen vor einer sehr ungewissen Zukunft."

Daniela Schwarzer, Europaexpertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sieht ebenfalls nur ein enges Verhandlungsfenster, bevor der US-Wahlkampf neu anläuft. Daher fürchtet sie weitere Verzögerungen, sollte das Verhandlungsmandat der EU-Kommission auf den Datenschutz ausgedehnt werden. "Es wäre besser, wenn die EU diese Fragen separat verhandelte."

Doch lässt sich so eine Trennung politisch durchsetzen? Wie schwierig das ist, werden die Verhandler aus Europa und den USA am heutigen Montag erneut erfahren. Während sie in Brüssel beraten, hat sich in direkter Nachbarschaft der einflussreiche Kongressabgeordnete Jim Sensenbrenner angesagt. Er wird bei einer Anhörung im Europaparlament zur NSA-Spionage sprechen, zu der auch Vertreter großer US-Internetfirmen wie Google oder Facebook geladen sind. Republikaner Sensenbrenner hat einst den Patriot Act mitgetragen, der im Kampf gegen den Terror US-Bürgerrechte aushebelte. Doch nun sagt er, US-Geheimdienste seien in ihrer Sammelwut zu weit gegangen - und wirbt für schärfere Kontrollen der NSA, in Zusammenarbeit mit den Europäern.

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