Deutsche Minister bei G20 in Japan Beim Untergang in der ersten Reihe

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): Er tagte mit G20-Kollegen im japanischen Tsukuba, Finanzminister Olaf Scholz in Fukuoka
Foto: Florian Gaertner/ photothek/ imago imagesEs war ein deprimierendes Stück Weltpolitik, das sich in dem holzgetäfelten Konferenzraum im japanischen Tsukuba abgespielt hat, und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte es bestens im Blick.
Er saß den Vertretern der USA gegenüber, nur durch ein Ensemble aus Miniatursträuchern, Hortensien und Natursteinen von ihnen getrennt. Doch die Amerikaner waren auf dem Handelsministertreffen der G20 nicht vertreten durch ihren Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, lediglich ein Botschafter hatte sich auf dem schwarzen Drehstuhl niedergelassen.
Der telefonierte zum Verdruss von Altmaier pausenlos mit seinem Chef in Washington. Ein Affront, so empfand es die deutsche Seite. Doch das wäre noch zu ertragen gewesen. Was schwerer wiegt: Altmaier erlebte an diesem Wochenende einmal mehr, wie sehr die Weltwirtschaft durch die unberechenbare Trump-Regierung in die Krise geführt wird. Alles wartet auf den Gipfel der 20 größten Industrienationen Ende des Monats, bei dem es zum Showdown zwischen US-Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping kommen soll.
An diesem Wochenende tagten, getrennt voneinander, schon einmal die Wirtschafts- und Finanzminister der sogenannten G20-Staaten in Japan, und wieder einmal zeigte sich: Trump hält die globale Ökonomie in Geiselhaft.
Mal, wie bei den Finanzministern in Fukuoka, gibt es kleine Signale der Entspannung. Dann wieder setzen seine Leute auf Obstruktion wie bei den Wirtschaftskollegen, die in Tsukuba tagten. So sucht er das meiste für die USA herauszuholen, auch wenn es das Land isoliert und die globale Konjunktur ins Trudeln bringt. Schon jetzt, so warnte diese Woche der Internationale Währungsfonds (IWF), haben die Handelskonflikte das weltweite Wachstum um einen halben Prozentpunkt gedrückt.

Finanzminister der G20 in Fukuoka
Foto: FRANCK ROBICHON/ AFPAltmaiers Höflichkeit hat nicht geholfen
Doch das Wohl der Weltgemeinschaft spielt für die USA unter Trump nur noch dann eine Rolle, wenn es auch das ihre ist - wie bei der Debatte um eine Mindeststeuer für Konzerne. Die ist in den Vereinigten Staaten bereits in Kraft, und so fiel es Finanzminister Steven Mnuchin leicht, in Fukuoka ihrer weltweiten Einführung zuzustimmen. Entsprechend vergnügt saß der Trump-Vertraute am Samstag mit seinen Amtskollegen auf dem Podium und lobte die "guten Vorschläge", die möglicherweise noch in diesem Jahr verabschiedet werden sollen. Einen "großen Erfolg" nannte es auch Finanzminister Olaf Scholz, dass die nationalen Finanzbehörden künftig ausländische Konzerne besteuern dürfen, wenn sie zu Hause weniger als den Mindestsatz zahlen.
Zur selben Zeit standen die Gespräche über eine gemeinsame Abschlusserklärung vor dem Scheitern, weil die Vereinigten Staaten keinerlei Zugeständnisse in Handelsfragen machen wollten. 19 Länder standen gegen die USA, trotzdem konnte sich die Runde am Ende auf nicht mehr als ein unverbindliches Bekenntnis zum freien Warenaustausch verständigen. "Das weltweite Wachstum scheint sich zu stabilisieren und im Jahresverlauf weiter zu beschleunigen", heißt es nun in der Abschlusserklärung.
Immerhin: Der Streit der vergangenen Monate habe der Weltkonjunktur geschadet, bekannten die Finanzminister, auch wenn sie offenließen, wer dafür die Verantwortung trägt. Wenigstens kündigten sie an, "diesen Risiken weiter entgegenzuwirken".
Bei der Konferenz der Wirtschaftsminister ein paar Hundert Kilometer nördlich, war es ganz ähnlich. Altmaier und seine Beamten aus dem Wirtschaftsministerium verhandelten zwei Tage und eine Nacht beinahe durchgehend - zuletzt musste die Abschlusserklärung am Sonntagnachmittag immer weiter verschoben werden. Trumps Unterhändler blockierten in Fragen der Welthandelsorganisation WTO, die Chinesen mauerten vor allem, wenn es um Billigstahl geht, mit dem sie die Weltmärkte schwemmen.
Altmaier umgarnte die japanischen Verhandlungsführer, insbesondere den Wirtschaftsminister Hiroshige Seko. Er sei schließlich zu seinem ersten Auslandsbesuch gleich nach Japan gekommen, und er hoffe auch hier, in Tsukuba, "alles zu tun, um internationale Kooperation zu verstärken" und die Gespräche in Tsukuba zu einem Erfolg werden zu lassen. Die Höflichkeitsnoten haben nicht viel geholfen. Die Minister einigten sich mit dem aus der Ferne zugeschalteten Amerikaner, den Chinesen und den restlichen Delegierten auf eine gemeinsame Erklärung, die Altmaier am Ende diplomatisch als "ein akzeptables Ergebnis" bezeichnete.
Nicht mehr als Binsenweisheiten
Übersetzt bedeutet dies: so viel wie nichts. Man einigte sich auf Belanglosigkeiten, nämlich das wachsender Handel und Investitionen wichtige Faktoren für künftiges Wirtschaftswachstum seien. Eine Binsenweisheit. Was in ein Statement ohne die Amerikaner aufgenommen werden musste: Dass "viele Minister ihre große Sorge über die derzeitigen Spannungen rund um den Handel ausdrücken". Altmaier kommentierte nach dem Verhandlungsmarathon das Resultat ernüchtert: "Damit sind die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Amerika und China genauso wie die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Europa und den USA nicht aufgelöst."
Das Ergebnis von Tsukuba, es ist nichts weiteres als ein Protokoll der Zerrissenheit, das ein böses Omen ist für den anstehenden G20-Gipfel der Regierungschefs. Lediglich der vollkommene Eklat konnte verhindert werden. Bei ihrem letzten Treffen in Buenos Aires war es immerhin gelungen, ein belangloses Communique zusammenzubringen. "In Buenos Aires hatten wir eine Sprache gefunden, hinter die will ich nicht zurück", sagte Altmaier am Rande des Ministertreffens trotzig. Doch die Wirklichkeit ist eine andere: Seine Beamten kommen mittlerweile selbst bei Formulierungen, denen die Amerikaner in der argentinischen Hauptstadt zugestimmt hatten, nicht mehr richtig weiter.
So jedenfalls heißt es klagend aus der deutschen Delegation. Dass Welthandel gut ist - früher wäre das eine Floskel gewesen, der jeder zugestimmt hätte, auch die Amerikaner. Oder dass die Welthandelsorganisation WTO weiter gestärkt werden müsse - vor nicht allzu langer Zeit eine Banalität. Doch all das will den Leuten des Trump-Lagers nicht mehr über die Lippen kommen.
WTO-Gericht bald schon nicht mehr handlungsfähig
Auch die Stärkung des Schiedsgerichtes bei der WTO wollen die Amerikaner nicht mehr schriftlich zusichern. Dabei wird dieses wichtige Gremium für die Streitbeilegung in internationalen Handelskonflikten schon in wenigen Monaten nicht mehr handlungsfähig sein. Die USA entsenden keine Richter mehr dorthin. Die WTO würde vollends zu einem zahnlosen Tiger werden - was ganz nach der Vorstellung von US-Präsident Donald Trump ist.
Altmaier ist besorgt, wie die USA zunächst multilaterale Handelsvereinbarungen torpedierten, und auf bilaterale Abkommen setzten, so etwa mit den Japanern, deren Ministerpräsident Shinzo Abe er gleich nach seiner Wahl empfing. Jetzt aber verfolgt das Weiße Haus eine Handelsstrategie, die Altmaier mit den Worten "managed Trade" beschreibt, was man übersetzen könnte wie staatlich verwalteter Handel: Die Regierung in Washington gibt Importquoten für bestimmte Güter wie etwa Autos vor, und wenn die festgelegte Anzahl überschritten wird, dann werden hohe Strafzölle aufgeschlagen, um den eigenen Markt zu schützen.
Das verstoße zwar gegen die WTO-Regeln, stöhnen die Deutschen, das sei den Amerikanern allerdings vollkommen egal. "Beat them one by one", so laute das Prinzip der US-Handelspolitik, die Trumps Logik bei Verhandlungen spiegele: Knöpfe dir die Länder einzeln vor und mach sie fertig.
Die Chinesen stehen in Handelsfragen zwar häufig auf der Seite der Deutschen, dennoch nehmen auch zwischen Peking und Berlin die Spannungen zu. Hier spielt unter anderem der Streit um die Flut von Billigstahl aus China eine große Rolle. Dazu gibt es ein gemeinsames Gesprächsformat, in dem die Europäer, die Amerikaner und die Chinesen diesen Disput lösen wollen.
Doch mit Sorge beobachtet die Bundesregierung, wie China gerade wieder besonders stark ihren Stahl in den europäischen Markt zu drücken versucht. Das Gesetz des Stärkeren, beziehungsweise das des Geschickteren, dominiert die Welthandelspolitik. Mit allen gefährlichen Nebenwirkungen. Bei dem Konflikt seien "selbst zugefügte Wunden" zu beobachten, warnte IWF-Chefin Christine Lagarde, eine Bemerkung, die an den Finanzmärkten umgehend die Angst vor einer Weltrezession wachrief. Nur Trump und seine Leute fühlen sich vor den Folgen gefeit, so behaupten sie zumindest. Der Handelsstreit, sagte US-Finanzminister Mnuchin, werde für die US-Konjunktur keine Folgen haben.