Geld von Pharmafirmen
Richter verurteilt erstmals Ärzte wegen Bestechlichkeit
Wie korrupt sind Mediziner in Deutschland? Nach SPIEGEL-Informationen hat ein Amtsgericht jetzt erstmals zwei niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit verurteilt - sie hatten vom Ratiopharm-Konzern Schecks erhalten.
Impfung beim Arzt: Richter gehen gegen Geldspritzen von Pharmafirmen vor
Foto: ddp
Hamburg - Ärzte genossen in Deutschland bislang fast Immunität - doch damit könnte es bald vorbei sein. Das Amtsgericht Ulm hat erstmals zwei Doktoren wegen Bestechlichkeit verurteilt. Nach SPIEGEL-Informationen hatten die beiden Inhaber einer Gemeinschaftspraxis im Raum Ulm zwischen 2002 und 2005 insgesamt 14 Schecks des Pharmaunternehmens Ratiopharm erhalten.
Die Höhe richtete sich nach der Menge der Ratiopharm-Präparate, die die Ärzte ihren Patienten verordneten. Die Umsätze meldeten sie dem Unternehmen, worauf sie in der Regel einen Betrag in Höhe von acht Prozent des Herstellerabgabepreises der verordneten Medikamente per Scheck zurückerhielten.
Das Amtsgericht Ulm verurteilte die beiden nun wegen Betrugs und Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr - und einem Bußgeld von jeweils 20.000 Euro. Die Anwälte der Ärzte kündigten an, Rechtsmittel einzulegen.
Seit fünf Jahren ist unter Juristen umstritten, ob niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit verurteilt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass man sie im Zusammenhang der Verordnung von Medikamenten als Beauftragte der Krankenkassen sieht.
"Wir wollen endlich eine höchstrichterliche Klärung"
Thomas Fischer, Richter am Bundesgerichtshof, hält eine Verurteilung für gerechtfertigt. Gesponserte Ärztereisen seien strafbar, sagte der dem SPIEGEL im Interview. Sogenannte Anwendungsbeobachtungen ebenso. Das sind rechtlich umstrittene Patientenversuche, die dazu dienen, Erkenntnisse über Medikamente zu gewinnen.
Vor wenigen Tagen ließ auch das Landgericht Hamburg eine Anklage der Staatsanwaltschaft vor der großen Wirtschaftsstrafkammer zu. Angeklagt wegen Bestechlichkeit sind in diesem Fall ein Arzt und eine Ratiopharm-Pharmareferentin.
Wird das Urteil des Landgerichts nicht akzeptiert, landet dieser Fall direkt beim Bundesgerichtshof. Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers sagt dem SPIEGEL: "Wir wollen endlich eine höchstrichterliche Klärung, ob Ärzte wegen Bestechlichkeit bestraft werden können."
Die Staatsanwaltschaft Aachen hat ebenfalls gegen rund 250 Ärzte Geldbußen verhängt, die im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung vom Pharmaunternehmen Trommsdorff als Belohnung iPods, DVD-Recorder oder Espressomaschinen erhalten hatten. Auch diese Geldbußen erfolgten wegen Bestechlichkeit. Gegen weitere 150 Ärzte und 50 Trommsdorff-Mitarbeiter dauern die Ermittlungen an.
Die SPD strebt eine Klarstellung per Gesetz an. In einem Antrag, der demnächst im Bundestag eingebracht werden soll, fordert die SPD-Fraktion, "durch ergänzende Regelungen im Strafgesetzbuch sicherzustellen, dass Korruptionshandlungen niedergelassener Vertragsärzte Straftatsbestände darstellen".