Gemeinsamer Appell Wirtschaftsweise fürchten Ende der Euro-Zone

Es ist ein dramatischer Ausdruck ihrer Sorge: Gemeinsam drängen die fünf Wirtschaftsweisen die Bundesregierung zum Handeln. Die Währungsunion brauche einen "Plan B", sonst drohe das Auseinanderbrechen. Die griechischen Schulden wollen die Forscher halbieren.
Von Beratern zu Mahnern: Die Wirtschaftsweisen im Jahr 2009

Von Beratern zu Mahnern: Die Wirtschaftsweisen im Jahr 2009

Foto: Gero Breloer/ AP

Frankfurt - In normalen Zeiten haben die fünf Mitglieder des Sachverständigenrats zusammen nur einen großen Auftritt im Jahr: bei der Präsentation ihres Jahresgutachtens zur wirtschaftlichen Entwicklung. Doch angesichts der sich zuspitzenden Euro-Krise entschlossen sich die sogenannten Wirtschaftsweisen nun zu einem ungewöhnlichen Appell: In einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") warnen sie vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone und fordern von der Bundesregierung einen "Plan B". Ansonsten könnte es zu einer uneingeschränkten gemeinsamen Haftung in der Währungsunion kommen.

Die Hoffnung, dass die Krisenländer Griechenland, Irland und Portugal in absehbarer Zeit die von der Gemeinschaft erhaltenen Finanzhilfen zurückzahlen, könnte sich nicht erfüllen, heißt es in dem Artikel. Dies würde zu immer größeren staatlichen Stützungsprogrammen und einer überproportionalen Belastung der finanziell gesunden Länder führen - vor allem Deutschlands. Es ist das erste Mal, dass sich alle Mitglieder des Sachverständigenrats gemeinsam zur Euro-Krise äußern.

Für die Stabilisierung Griechenlands haben die Wirtschaftsweisen einen konkreten Vorschlag: "Anzustreben ist ein Schuldenschnitt auf die ausstehenden Anleihen um etwa 50 Prozent", schreiben sie. "Dadurch würde der Schuldenstand von 160 Prozent auf etwa 106 Prozent sinken." Organisieren wollen die Ökonomen die Umschuldung über ein Konzept, das sie in den vergangenen Tagen schon einzeln vorgetragen hatten: Banken könnten griechische Anleihen in solche des Euro-Rettungsfonds EFSF tauschen. Da die Anleihen inzwischen bis zu 50 Prozent unter ihrem Wert gehandelt werden, könnte ein Aufkauf zum Marktwert die gewünschte Schuldenreduzierung bringen.

Noch richten sich die Hoffnungen für eine Lösung im Griechenland-Chaos auf den Euro-Sondergipfel am Donnerstag. Dort könnte es eine umfassende Einigung auf ein zweites Griechenland-Hilfspaket mit einer privaten Gläubigerbeteiligung geben. Das hoffen zumindest viele Euro-Staaten und die Finanzmärkte.

Aussagen von verschiedenen Vertretern der Euro-Zone signalisierten zuletzt tatsächlich eine sich abzeichnende Einigung. Auch die Zusage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde als gutes Zeichen gewertet. Schließlich hatte Merkel erklärt, sie wolle nur teilnehmen, wenn sich eine Einigung abzeichne.

Merkel dämpft Hoffnungen auf "spektakulären" Schritt

Doch die Kanzlerin dämpfte am Dienstag die Hoffnungen: Nach einem Jahr voller Debatten über Griechenland gebe es "eine große Sehnsucht" nach einem "großen abschließenden, einem einzigen großen Schritt - am besten spektakulär", sagte Merkel zum Abschluss der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Hannover. Diesen werde es aber nicht geben.

Stattdessen gehe es darum, "einen kontrollierten und beherrschten Prozess aufeinander folgender Schritte und Maßnahmen zu erzeugen", sagte Merkel. Ziel sei es, die griechischen Schulden zu reduzieren und seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. "Das sind die Wurzeln des Problems, und die müssen angepackt werden."

Zumindest in Details kommen die Pläne für ein neues Rettungspaket offenbar voran. Es gebe wachsende Unterstützung für eine Finanzsteuer, die allen Banken auferlegt werden könnte, berichteten EU-Diplomaten. Sie gehört zu einem ganzen Bündel von Maßnahmen, mit dem die Euro-Staaten den Kampf gegen die griechische Schuldenkrise fortsetzen könnten. Dazu gehört unter anderem der nun von den Wirtschaftweisen geforderte Tausch griechischer Staatsanleihen gegen neue Papiere des Rettungsfonds EFSF.

Doch gegen solch einen Schritt gibt es auch in der Bundesregierung erheblichen Widerstand. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wandte sich gegen einen Kauf griechischer Staatsanleihen durch den EFSF. "Zentrale Positionen müssen gewahrt bleiben, so, wie sie der Deutsche Bundestag festgelegt hat", sagte der Vizekanzler der "FAZ".

dab/nkk/dpa/Reuters/
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