Geplante Volksabstimmung Griechischer Premier entsetzt Europa

Die Börsenkurse stürzen ab, EU-Minister zeigen sich empört, selbst ein Euro-Aus für Griechenland ist plötzlich im Gespräch - weil die Regierung in Athen das Volk über den Rettungsplan der Europäer abstimmen lässt. Was treibt Premier Papandreou?
Regierungschef Papandreou: Neue Angst um Griechenland

Regierungschef Papandreou: Neue Angst um Griechenland

Foto: JOHN THYS/ AFP

Hamburg - Was haben die Partner in Europa geschuftet, immer neue Rettungsmaßnahmen für Griechenland haben sie beschlossen, Krisengipfel um Krisengipfel abgehalten und ihre Hilfen aufgestockt. Sie haben ein erstes Rettungspaket für die pleitebedrohten Hellenen geschnürt, dann ein zweites, und zuletzt haben die Banken sogar eingewilligt, dem Land die Hälfte seiner Schulden zu erlassen.

Doch es könnte alles umsonst gewesen sein.

Am Dienstag steht Griechenlands Schicksal - mal wieder - auf Messers Schneide. Vielleicht sogar mehr denn je. Griechenlands Regierungschef hat überraschend angekündigt, die eigene Bevölkerung über das Euro-Rettungspaket abstimmen zu lassen. Nicht einmal seinen eigenen Finanzminister Evangelos Venizelos hatte er offenbar vorab in seine Pläne eingeweiht. "Venizelos hatte keine Ahnung von dem Referendum", sagte ein griechischer Regierungsvertreter.

Papandreou nennt die anvisierte Volksabstimmung einen "demokratischen und höchst patriotischen Schritt". Doch es gibt Grund zur Befürchtung, dass die Mehrheit der Befragten mit "Nein" stimmen würde, "Oxi" sagen wird zu den immer drakonischeren Sparmaßnahmen, die das Land als Gegenleistung für die immer neuen Rettungsmilliarden versprechen soll.

Experten und Analysten in ganz Europa verteufeln Papandreous Vorstoß. "Das gesamte Rettungspaket steht nun wieder in Frage", schreibt Commerzbank-Zinsstratege Benjamin Schroeder in einem Kommentar. Von "Selbstmord" spricht Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank. Und Commerzbank-Experte Christoph Weil fürchtet die griechische Staatspleite. Die Geduld der Staatengemeinschaft sei "langsam aufgebraucht", sagt er. Wenn Griechenland die beschlossenen Reformen nicht durchführt, "wird das Land kein weiteres Geld erhalten".

Das befürchtet offenbar auch der düpierte griechische Finanzminister. Am Dienstag telefonierte Venizelos laut einem Sprecher mit seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble, Josef Ackermann in seiner Eigenschaft als Chef des internationalen Bankenverbandes, EU-Währungskommissar Olli Rehn und den Missionschef des Internationalen Währungsfonds, Poul Thomsen. Ziel sei gewesen, die anstehende Überweisung der nächsten Kredittranche aus dem ersten Hilfspaket und das jüngste Rettungspaket als gesamtes zu retten.

Dax rutscht massiv ins Minus

Auch die politischen Reaktionen aus anderen EU-Ländern sind weitgehend negativ. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel planen ein Krisentelefonat am Mittag. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sprach im Deutschlandfunk von einem merkwürdigen Verhalten. Es klinge so, als wolle sich Griechenland aus den Zusagen rauswinden. Es könne nicht sein, dass Griechenland nicht die eigene Misere bekämpfen wolle, aber auch auf großzügige Hilfen der Europäer hoffe.

"Es gelingt mir wirklich nicht zu verstehen, worüber Griechenland ein Referendum haben will", moniert Schwedens Außenminister Carl Bildt. Griechenland riskiere seine Mitgliedschaft in der Euro-Zone, sagt der finnische Europaminister Alexander Stubb. Die britische Regierung warnt vor einem Scheitern der Griechenland-Rettung. Die Opposition in Athen fordert vorgezogene Neuwahlen.

Die Märkte reagieren nicht minder nervös. Der deutsche Leitindex Dax   lag am Vormittag bis zu vier Prozent im Minus; dabei war er schon am Vortag um mehr als drei Prozent eingebrochen. Die Aktie der Commerzbank   stürzte zeitweise um mehr als zehn Prozent ab. Papiere der Deutschen Bank   brachen zum Teil um fast acht Prozent ein, Aktien der Allianz   um mehr als sieben Prozent. Auch der Euro Stoxx  , der die 50 wichtigsten europäischen Aktienwerte abbildet, verlor am Vormittag rund 2,5 Prozent an Wert. Die Börse in Athen brach zeitweise um mehr als acht Prozent ein.

Tatsächlich will Papandreou mit dem Vorstoß seine Politik legitimieren. Denn die Sparmaßnahmen, die er der Bevölkerung zumutet, sind massiv - und höchst umstritten. Regelmäßig streiken und demonstrieren Hunderttausende Menschen gegen seine Politik, einige randalieren. Und nicht wenige fürchten, dass der Sparkurs am Ende doch nichts bringt: Denn je stärker die Einschnitte der Regierung ausfallen, desto stärker bricht auch die griechische Wirtschaft ein. In diesem Jahr dürfte sie um mehr als vier Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit steigt, ebenso die Sozialausgaben. Fast scheint es, als verlöre die Regierung schneller Geld, als sie gegen ihre Schulden ansparen kann. Für Papandreou wird es immer schwieriger, seine Sparpolitik zu legitimieren. Das geplante Referendum deutet darauf hin, dass Athen die Schmerzgrenze für erreicht hält.

Mit der Volksabstimmung setzt der Regierungschef nun alles auf eine Karte: Er lässt das Volk entscheiden, ob es diesen Kurs noch länger mitträgt. Eines ist aber auch klar: Sollten die Griechen mit Nein stimmen, stehen sämtliche Rettungsbemühungen der europäischen Partner in Frage.

ssu/dpa/Reuters
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