Folgen der Digitalisierung Gewerkschaften lehnen bedingungsloses Grundeinkommen ab

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nach Ansicht der Gewerkschaften keine Lösung zur Abfederung der Digitalisierung. DGB-Chef Reiner Hoffmann warnte davor, "Menschen mit einer Stillhalteprämie aufs Abstellgleis zu stellen".
DGB-Kundgebung am 1. Mai 2015

DGB-Kundgebung am 1. Mai 2015

Foto: Peter Steffen/ dpa

Die Digitalisierung der Wirtschaft dürfte beim diesjährigen Tag der Arbeit am 1. Mai ein wichtiges Thema sein. Die Gewerkschaften haben sich in der Debatte nun klar gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. "Menschen mit einer Stillhalteprämie aufs Abstellgleis zu stellen, weil ihnen keine Perspektive in der Erwerbsarbeit angeboten werden kann, ist keine Lösung", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen sei "eine absolute Fehlorientierung".

Arbeit sei mehr als Broterwerb, sagte Hoffmann. Sie strukturiere den Alltag, sorge für Teilhabe und sozialen Zusammenhalt. Ob die Digitalisierung traditionelle Jobs vernichte, ohne dass in gleichem Maße andere entstehen würden, sei noch offen, sagte Hoffmann. "Schon in den Siebzigerjahren hieß es, Roboter und technologischer Fortschritt machen arbeitslos." Das sei jedoch kein Automatismus. Es sei zudem unklar, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert werden könnte.

Beim bedingungslosen Grundeinkommen handelt es sich um eine staatliche Leistung, die jeder unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage und ohne Gegenleistung erhält und die ein einigermaßen auskömmliches Leben sichern soll. Sie wird von Politikern verschiedener Parteien gefordert. Nicht zu verwechseln ist sie mit dem solidarischen Grundeinkommen, das Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgeschlagen hat und bei dem Leistungsempfänger gemeinnützige Arbeiten verrichten sollen.

IG Metall fordert Qualifizierung statt Alimentierung

Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sprach sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Die Menschen seien "nicht glücklich, wenn sie daheim sitzen und alimentiert werden", sagte Hofmann der "Heilbronner Stimme". "Sie wollen arbeiten und das möglichst qualifiziert."

Der IG-Metall-Chef forderte, mögliche Auswirkungen der Digitalisierung und des Technologiewandels in der Automobilbranche dürften nicht auf die Gesellschaft abgeladen werden. "Wir müssen uns bemühen, dass jeder Erwerbstätige auch in der Arbeitswelt von morgen eine Chance hat", sagte Hofmann.

Um die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, brauche es klare Ansagen in der Sozialpolitik. Es könne nicht sein, dass Beschäftigte, die durch den technologischen Wandel und die Globalisierung arbeitslos würden, "in die Mühle von Hartz IV geraten", sagte Hofmann. "Solange diese Angstgefühle nicht weg sind, die uns die Agenda 2010 tief implantiert hat, ist es extrem schwer zu sagen: Wir haben einen Sozialstaat, der fängt euch auf, der gibt euch Chancen auf Qualifizierung. Ihr müsst keinen sozialen Abstieg befürchten." (Lesen Sie hier eine Analyse "Was an Hartz IV wirklich abgeschafft gehört".)

Forscher sieht Jobs der Mittelschicht gefährdet

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte im "Tagesspiegel", Beschäftigte müssten der Digitalisierung mit mehr Flexibilität und lebenslanger Weiterbildung entgegentreten. "Gerade gut bezahlte Industrie- und Bürojobs der Mittelschicht sind gefährdet", schrieb Fratzscher. "Es muss mehr Geld in die Weiterbildung fließen." Er schlug vor, dass für jeden Volljährigen 20.000 Euro bereitgestellt würden, mit denen im Laufe des Berufslebens Weiterbildungen, Umschulungen, aber auch familiäre Pflegezeiten bezahlt werden könnten.

mmq/AFP/dpa
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