Gipfelbeschluss EU enthüllt Banken-Stresstests

Europas Großbanken müssen wichtige Interna preisgeben: Auf dem EU-Gipfel einigten sich die Staats- und Regierungschefs, die Ergebnisse sogenannter Stresstests offenzulegen. Außerdem werden die Institute zur Kasse gebeten - mit einer Bankenabgabe sollen sie sich an den Kosten der Krise beteiligen.
Banken in Frankfurt am Main: Klarheit schaffen, Spekulation eindämmen

Banken in Frankfurt am Main: Klarheit schaffen, Spekulation eindämmen

Foto: dapd

Angela Merkel

Herman Van Rompuy

Brüssel - Die EU will offenlegen, wie krisensicher die europäischen Großbanken sind. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen die Ergebnisse von sogenannten Stresstests wichtiger Banken veröffentlichen. Das teilte Bundeskanzlerin zum Abschluss des Gipfels in Brüssel mit. "Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist, um gegenüber den Märkten deutlich zu machen, dass wir hier auf volle Transparenz gehen", sagte Merkel nach dem Spitzentreffen mit ihren EU-Amtskollegen. Die Veröffentlichung solle im Juli erfolgen, bestätigte auch EU-Ratspräsident . In den vergangenen Wochen und Monaten waren 25 europäische Großbanken diesen Prüfungen unterzogen worden.

Ob die Ergebnisse veröffentlicht werden, war zunächst umstritten. Die Finanzindustrie hatte sich heftig dagegen gewehrt. Nun haben sich die Staats- und Regierungschefs dafür ausgesprochen - so soll an den Märkten Klarheit geschaffen und die Spekulation eingedämmt werden. Derzeit wetten viele Marktteilnehmer gegen Spanien, weil es dem Bankensektor nach dem Platzen der Immobilienblase extrem schlecht gehen soll. Wie schlecht, weiß bisher aber niemand.

Für die Veröffentlichung der Ergebnisse von Banken-Stresstests in Europa hatten sich Spanien und auch die Bundesregierung stark gemacht. Mit einem Stresstest kann in der Bankenwelt untersucht werden, ob ein Institut auch bei sehr negativen Entwicklungen an den Märkten oder bei Konjunktureinbrüchen überleben kann. Übertragen auf die Finanzlage eines Verbrauchers kann zum Beispiel geprüft werden, ob Einnahmen, Ersparnisse oder Versicherungsschutz auch dann ausreichen, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber pleitegeht und ein neuer Job erst in einem Jahr gefunden wird.

Bankenabgabe soll kommen

Am 1. Oktober 2009 veröffentlichte die europäische Bankenaufsicht (CEBS) ihren ersten großen Stresstest - aber nur als Zusammenfassung und nicht für einzelne Institute. Insgesamt waren 22 große Banken in Europa untersucht worden. Das negativste Szenarium ging zum Beispiel von einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts in der EU im laufenden Jahr von 2,7 Prozent aus und einer Arbeitslosigkeit von 12 Prozent. Selbst unter diesen Umständen, so das Ergebnis, würden alle Institute bis Ende 2010 den aufsichtsrechtlichen Vorgaben nachkommen können. Die Stresstests müssen aber regelmäßig wiederholt und die Szenarien angepasst werden.

Axel Weber

Von Banken und ihren Verbänden kam bislang Widerstand gegen die Bekanntgabe der Daten. Nach dem EU-Gipfelbeschluss hat allerdings der Bundesverband deutscher Banken seine grundsätzliche Ablehnung aufgegeben. "Die Veröffentlichung neuer Stresstests muss so erfolgen, dass die Ergebnisse keinen Raum für Fehlinterpretationen liefern. Ist das gewährleistet, kann dies zu einer Vertrauensbildung und Beruhigung an den Märkten beitragen", sagte Sprecher Lars D. Hofer am Donnerstag. Auch Bundesbank-Präsident unterstützt die Idee. Man sollte die Ergebnisse "auch instituts- und länderspezifisch offenlegen", sagte er bei einem Bankenkongress in Frankfurt. "Stresstests dienen dazu, Transparenz zu schaffen, und das Ziel, das wir damit verfolgen, ist die Stabilität der Finanzmärkte", sagte Weber.

Die Beschlüsse des EU-Gipfels im Überblick

Finanzkrise

Daneben haben die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass Banken künftig eine Abgabe zahlen müssen, mit der sie an den Kosten der weltweiten beteiligt werden sollen. Dazu soll es künftig in den Mitgliedstaaten eine Mischung aus Bankenabgabe und Extrasteuern geben.

Die Idee hinter der Bankenabgabe: Da die Institute die Krise mit ihren riskanten Wertpapiergeschäften ausgelöst haben, müssen sie nun auch die Konsequenzen tragen. Die Forderung nach der Abgabe war vor allem deshalb laut geworden, weil die Staaten viele Institute mit Milliardensummen retten mussten. Bislang sind die Steuerzahler dafür aufgekommen - für die nächste Krise sollen die Banken nun selbst vorsorgen. Im Rahmen der Bankenabgabe sollen die Institute Geld in einen Notfalltopf einzahlen; große Banken mehr als kleine, risikofreudige mehr als vorsichtige.

Europäer fordern weltweite Finanztransaktionssteuer

Die Europäer wollen das Thema Bankenabgabe auch international voranbringen. Man werde sich beim Treffen der mächtigsten Wirtschaftsnationen der Welt (G20) kommende Woche in Kanada dafür einsetzen, hieß es. Allerdings ist das Vorhaben im Kreis der G20 ausgesprochen umstritten, unter anderem sind Kanada, Australien und Brasilien dagegen. Mit einer Bankenabgabe will die EU notfalls allein voranschreiten. "Wir werden uns bemühen, unsere Partner zu überzeugen", sagte Van Rompuy. "Aber wir stimmen überein, dass wir vorausgehen, wenn es keinen Konsens auf G-20-Ebene gibt."

Die EU will sich nach Angaben des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy auf dem G-20-Gipfel in Kanada auch für die Einführung einer weltweiten Finanztransaktionssteuer einsetzen. Bei der Transaktionssteuer müssten Investoren eine Teilabgabe für jedes getätigte Geschäft entrichten. Sarkozy hatte auf dem Gipfel gemeinsam mit Merkel für diese Instrumente geworben.

Keine Zustimmung fand Merkels Forderung, eine Finanzmarkttransaktionssteuer angesichts absehbaren Widerstands der USA und weiterer G-20-Partner notfalls auch im europäischen Alleingang einzuführen. Ohne die Zustimmung der anderen großen Industrieländer würde die Steuer allerdings ihren Sinn verfehlen.

lgr/dpa/AFP/apn/Reuters
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