Steuerpläne der EU-Kommission Zarter Angriff auf die Internetgiganten

Die EU-Staaten sollen gemeinsam die Gewinne von Google, Apple und anderen Internetkonzernen besteuern - das schlägt die EU-Kommission vor. Doch wie das passieren soll, bleibt unklar.
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Foto: BRIAN SNYDER/ REUTERS

Internetfirmen machen teils gigantische Gewinne - auch weil sie in vielen Ländern nur geringe oder gar keine Steuern zahlen. Lediglich neun Prozent betrage die durchschnittliche Steuerlast von Digitalunternehmen, erklärte die EU-Kommission am Donnerstag - weniger als die Hälfte als das, was Firmen mit herkömmlichen Geschäftsmodellen zahlen müssten.

Um das zu ändern, schlägt die Kommission nun ein abgestimmtes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten vor. "Wir brauchen einen gemeinsamen und kohärenten Ansatz", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. Einige Länder seien jedoch bereits allein vorgeprescht, um den Verlust an Steuereinnahmen einzudämmen. "Es wäre besser, wenn wir gemeinsam handeln würden." Ein Fachmann der Kommission formulierte es drastischer: Wenn die Alleingänge nicht aufhörten, drohe "Chaos auf dem gemeinsamen Binnenmarkt".

Allein: Viel Einigkeit ist in der EU in Sachen Steuern bisher nicht vorhanden. Hinzu kommen diverse technische Probleme. Das größte ist das der physischen Grenzen. Bislang werden Unternehmen am Ort ihres Standorts besteuert. Vor allem große Konzerne bauen Firmensitze jedoch mit Vorliebe in Ländern mit niedrigen Steuern auf - und können so, anders als kleine und mittelständische Firmen, von den Unterschieden zwischen den Steuersystemen einzelner Staaten profitieren. Auf diese Weise senken Konzerne ihre Steuerlast drastisch, mitunter auf Werte nahe Null - während vor allem digitale Firmen ihre Dienste in allen möglichen Ländern anbieten, egal welches Steuerrecht dort herrscht.

Das Problem wird derweil immer größer: Die Erlöse der fünf größten E-Commerce-Unternehmen sind laut Kommission zwischen 2008 und 2016 jedes Jahr um durchschnittlich 32 Prozent gewachsen, die des gesamten EU-Einzelhandels dagegen nur um ein Prozent. Die Kommission schlägt nun drei schnelle Zwischenlösungen vor:

  • Nicht mehr die Gewinne, sondern die Umsätze von Digitalunternehmen sollen als Grundlage für die Besteuerung dienen. Einige EU-Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, hatten sich zuletzt für diese Lösung stark gemacht.
  • Eine Quellensteuer auf Zahlungen inländischer Kunden an E-Commerce-Unternehmen, die im Ausland sitzen.
  • Eine Abgabe auf Erlöse aus Dienstleistungen oder Werbung, an denen eine Firma mit Sitz im Ausland "bedeutenden Anteil" hat.

Welche Lösung man bevorzugt, wollten Experten der Kommission allerdings nicht verraten: Man prüfe erst, wie man sie genau umsetzen könnte. Allerdings sollen sie schneller realisierbar sein als die Lieblingslösung der Kommission, die sogenannte gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage. Sie würde dazu führen, dass Unternehmen in allen EU-Staaten nach denselben Grundsätzen besteuert werden.

Warum die Zwischenlösungen leichter umsetzbar sein sollen, blieb allerdings unklar. Denn auch sie sind ein Angriff auf das Geschäftsmodell von EU-Ländern wie etwa Luxemburg oder Irland, die mit Mini-Abgaben Großkonzerne anlocken. Sie haben in der Vergangenheit immer wieder Vorhaben zur einheitlicheren Besteuerung torpediert - was leicht möglich ist, weil die EU-Finanzminister in Steuerfragen nur einstimmig entscheiden können.

Vorstoß von Juncker

Die Summen, die bei den Internetkonzernen inzwischen aber im Raum stehen - es geht um potenzielle Steuereinnahmen in Milliardenhöhe - könnten nun aber Bewegung in die Debatte bringen. So hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der EU "stark befürwortet", dass die EU-Finanzminister in Steuerfragen künftig Beschlüsse nicht mehr nur einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit fassen können. Kleine Steueroasen würden dadurch ihr Vetorecht verlieren.

Im EU-Parlament wurden wiederholt ähnliche Forderungen laut. Die "heilige Kuh der Einstimmigkeit" müsse geschlachtet werden, meint etwa der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) müsse seinen Widerstand aufgeben. Die Kommission aber gibt sich trotz des Juncker-Vorstoßes vorsichtig. Man wolle die Diskussion über das Einstimmigkeitsprinzip nicht mit der über die Besteuerung der Digitalwirtschaft vermischen, sagte ein Beamter. "Wir gehen davon aus, dass die Staaten hier einstimmig entscheiden werden." Denn klar ist: Auch die Abschaffung der Einstimmigkeit müsste einstimmig beschlossen werden.

Entsprechend tief stapelt die Kommission bei ihren Erwartungen. Die nächste wichtige Station ist der Digitalgipfel in Estlands Hauptstadt Tallinn am 29. September. Schon eine Erklärung der Staats- und Regierungschefs, "dass die EU findet, dass dieses Thema wichtig ist und auf EU-Ebene angegangen werden sollte", wäre ein Erfolg.

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