Troika-Aus in Athen Ein Abschied, bei dem keiner weint

Dijsselbloem (links), Varoufakis: No love lost in Athen
Foto: KOSTAS TSIRONIS/ REUTERSWenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.
Athen - Dass sich etwas verschoben hat im Miteinander zwischen Griechenland und seinen Gläubigern, das zeigte sich am Freitag bereits am Fahrstuhl. Der neue griechische Finanzminister Giannis Varoufakis stand da, die Hände in den Taschen, das blaue Hemd über der Hose, den Kragen offen. Ganz der selbstbewusste Hausherr.
Die Aufzugtür öffnete sich, und heraus trat, leicht gebückt, sein Besucher: Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, dunkler Schlips, dunkler Anzug, randlose Brille, einen Stoß Papiere unter den Arm geklemmt. Ganz der beflissene Diplomat.
Auf der anschließenden Pressekonferenz das gleiche Bild: Varoufakis gibt den Ton an, Dijsselbloem versucht die verbalen Schläge zu parieren. Varoufakis erklärt kurzerhand die Zusammenarbeit mit der Troika für beendet. Mit jenem Beamtengremium, gebildet aus Vertretern der EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), das in den Jahren der Schuldenkrise zum wohl meistgehassten Symbol des angeblichen Spardiktats geworden ist.
Nicht nur durch den Inhalt der Sparauflagen fühlten sich die Griechen verletzt, sondern auch durch die Form, in der sie überbracht wurden. In Athen wird die Troika in der Regel von Beamten auf Abteilungsleiterebene vertreten. Dennoch nahmen diese "kleinen Angestellten" (so schmähte sie einst der heutige Syriza-Energieminister Panagiotis Lafazanis) im Umgang mit Spitzenpolitikern kein Blatt vor den Mund. E-Mails zwischen der Troika und dem Büro des damaligen Premierministers Antonis Samaras zeigen, wie die Troika-Vertreter laufende Reformen oder Gesetzesvorhaben mit Randnotizen billigen oder verwerfen : "wird abgelehnt", "reicht nicht aus" oder "reicht teilweise aus". Dass zwei der drei Troika-Vertreter Deutsche waren, machte die Sache nicht einfacher.
Ein Sieg, den Europa der Syriza leicht gönnen kann
Wenn die griechische Regierung die Troika aus dem Land verabschiedet, hätte Syriza in den Augen ihrer Wähler einen wichtigen Sieg errungen. Und die öffentlichen Gläubiger Griechenlands könnten tatsächlich geneigt sein, Premierminister Alexis Tsipras diesen innenpolitischen Erfolg zu gewähren. Denn auch im Rest der Eurozone reift die Erkenntnis, dass die Ära der Troika vorbei ist:
- Deren Job in Athen dürfte ohnehin in wenigen Wochen enden. Am 28. Februar läuft die Frist aus, die die öffentlichen Gläubiger der alten griechischen Regierung für zusätzliche Sparmaßnahmen gesetzt hatten. Nach Ablauf der Frist werden die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro an Krediten und direkten Finanzhilfen entweder ausgezahlt - oder eben nicht. Niemand rechnet allerdings noch damit, dass Alexis Tsipras bis dahin die geforderten Sparauflagen umsetzt. Und damit hätte sich auch der Überwachungsauftrag der Troika erledigt. Bleibt nur die Frage, wie Griechenland dann sein klaffendes Haushaltsloch stopfen soll.
- Seit einem entsprechenden Votum des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshofs wachsen die Zweifel, ob sich die Präsenz der Europäischen Zentralbank in der Troika weiter rechtfertigen lässt. Dass Vertreter einer Notenbank im Detail über die Gesetze eines Staates mitentscheiden, ist ein ziemlich offensichtlicher Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Geld- und Wirtschaftspolitik - selbst wenn der EZB-Vertreter innerhalb der Troika offiziell nur ein beratendes Mandat hat.
- Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält die Troika für nicht mehr zeitgemäß und will sie durch eine "demokratisch besser legitimierte Struktur ersetzen", die "auf den EU-Institutionen aufbaut". Eine Forderung, in der er sich mit dem Europäischen Parlament einig weiß.
- Der IWF wiederum macht vor allem auf Drängen der Bundesregierung bei der Troika mit. Kanzlerin Angela Merkel wollte den Währungsfonds dabei haben, weil dessen Beamte einen Ruf als harte Hunde genießen. Schließlich hat der IWF seit Jahrzehnten Erfahrung darin, renitente Schuldner rund um den Globus auf Kurs zu bringen.
- Inzwischen aber regiert in Berlin eine Große Koalition, und die ist in Sachen Troika gespalten: Während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an ihr festhalten möchte, sieht sie der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Schneider inzwischen als "Symbol für Entdemokratisierung in der Krise".
Varoufakis: Kein Ende des Dialogs
Und so könnte der Abzug der Troika tatsächlich der erste Punktsieg sein, den die Gläubiger der neuen griechischen Regierung gönnen - gerade weil er kaum praktische Folgen hätte. Das Ringen mit den Griechen ginge weiter, aber eben auf politischer Ebene in Brüssel, nicht mit Beamten in Athen. Diese mögliche Kompromisslinie ließ sich bereits aus dem Treffen zwischen Dijsselbloem und Varoufakis heraushören: Der griechische Finanzminister beendete zwar die Zusammenarbeit mit der Troika-Delegation in Athen, betonte aber zugleich: "Wir werden weiterhin die äußerste Kooperation mit den Vertretern der Eurozone und des IWF suchen."
Heißt übersetzt: Wir verhandeln gerne mit Politikern, aber wir lassen uns nicht herumschubsen von "kleinen Angestellten".
Zusammengefasst: Griechenland hat die Zusammenarbeit mit der Troika spektakulär beendet. Doch deren Arbeit wäre am 28. Februar ohnehin zu Ende gegangen, und in der Eurozone wachsen schon seit Langem Zweifel am Sinn dieses Gremiums.
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