Griechenland-Hilfspaket Neues Geld für alte Schulden

Griechenlands Flagge über der Akropolis: Neue Hoffnung für den Krisenstaat?
Foto: Giannis Papanikos/ AP/dpaMonatelang haben sich die Verhandlungen zwischen Athen und seinen Geldgebern hingezogen, Finanzminister und Regierungschefs haben sich auf Gipfeltreffen die Nächte um die Ohren geschlagen und sich in ihren Heimatländern teilweise heftig kritisieren lassen.
Am Mittwochabend stimmten die EU-Finanzminister per Telefonkonferenz über das dritte Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds ESM ab - und gaben die erste Kreditrate frei.
Mit den Unterschriften von EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrowskis und Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos unter das Memorandum of Understanding ist das Hilfspaket beschlossene Sache.
Maximal 86 Milliarden Euro erhält das hochverschuldete Griechenland in den kommenden drei Jahren. Die erste Tranche von 23 Milliarden Euro soll noch am Donnerstag fließen, wie eine Sprecherin der EU-Kommission am Mittwoch erklärte.
Zehn Milliarden davon sollen die griechischen Banken mit neuem Geld versorgen, 13 Milliarden gehen direkt an die Regierung in Athen. Und das keinen Tag zu früh: Ebenfalls am Donnerstag muss Griechenland 3,2 Milliarden Euro plus Zinsen an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Auch die Begleichung der letzten Brückenfinanzierung von 7,16 Milliarden Euro, die Griechenland bis zum Start des neuen ESM-Programms über Wasser hielt, wird fällig.
Lange Liste harter Reformen
Weitere drei Milliarden sollen bis November ausgezahlt werden. Sie sind allerdings an die Erfüllung von Reformauflagen gebunden. Und von denen gibt es einige. So muss Athen die öffentliche Verwaltung modernisieren. Auch das teure Rentensystem soll stark reformiert werden: Anreize für Frühverrentung sollen abgeschafft und das normale Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht werden. Auch der Finanzsektor und der Arbeitsmarkt sollen modernisiert werden.
Jedes dieser Projekte ist in Griechenland politisch heftig umkämpft. Wann genau wie viel Geld aus dem ESM-Programm fließt, lässt sich laut Angaben aus EU-Kreisen deshalb kaum abschätzen. Doch der genaue Blick auf die Reformfortschritte soll sicherstellen, dass das Geld in Athen nicht verplempert und Griechenlands Wirtschaft wieder auf einen langfristigen Wachstumskurs geführt wird.
Dem widerspricht allerdings ein Passus, der einen zentralen Bestandteil des Hilfspakets berührt: die Privatisierung von Staatsvermögen.
Auf 50 Milliarden Euro wurden die Einnahmen aus dem Verkauf von Staatsbesitz in den EU-Verhandlungen taxiert. Mit der Hälfte davon sollen die Kredite für die Rekapitalisierung der griechischen Banken zurückgezahlt werden. Jeweils ein Viertel der Summe - also jeweils 12,5 Milliarden - soll in Griechenlands Wirtschaft investiert werden und die Schuldenlast des Landes senken.
Kreditrückzahlung hat Vorrang vor Investitionen
Doch zahlreiche Experten bezweifeln, dass der Erlös von 50 Milliarden auch nur annähernd erreicht werden kann. Was aber geschähe dann?
Wie EU-Kreise auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigten, hätten in diesem Fall die Gläubiger Vorrang: Nur was dann noch übrig ist, kann für Investitionen und Schuldenerleichterungen genutzt werden - also für jene Maßnahmen, die Griechenland in eine Wirtschaft mit Zukunft verwandeln sollen. Am Ende könnte diese Summe auch bei Null liegen, sollten die Privatisierungen nur 25 Milliarden Euro oder weniger einspielen.
Ob die 86 Milliarden des neuen ESM-Programms ausreichen werden, um Griechenlands Wirtschaft flottzumachen, weiß derzeit niemand. 54 Milliarden Euro davon sind für den Schuldendienst vorgesehen, rund sieben Milliarden für den Abbau von Zahlungsrückständen, 7,6 Milliarden Euro zum Aufbau von Reserven und bis zu 25 Milliarden für die Rekapitalisierung von Banken.
Bei der EU-Kommission und dem ESM wird man in diesen Tagen nicht müde zu betonen, dass die 86 Milliarden lediglich die maximale Summe sind, die Athen abrufen kann - und es unwahrscheinlich sei, dass es dazu komme. Zudem bestehe die Aussicht, dass Griechenland sich in absehbarer Zeit wieder selbst am Markt mit Krediten versorgen könnte, wie schon im Sommer 2014.
Sollte der Internationale Währungsfonds (IWF) in das Hilfsprogramm einsteigen, wie von Berlin gewünscht, würde sich die Last des ESM zusätzlich um den Beitrag des IWF reduzieren. Zwar hat IWF-Chefin Christine Lagarde die weitere Teilnahme ihrer Behörde von einem Schuldenschnitt für Griechenland abhängig gemacht, den die Bundesregierung vehement ablehnt. Inzwischen deutet aber vieles darauf hin, dass man sich am Ende auf einen "Schuldenschnitt light" einigen wird: Die Laufzeiten der Griechenlanddarlehen können verlängert, Zinszahlungen und Tilgung auf Jahre ausgesetzt werden.
Die Kredite des dritten ESM-Programms etwa sollen 32,5 Jahre laufen. Der IWF hat bereits vorgeschlagen, die Rückzahlung der griechischen Hilfskredite auf insgesamt 60 Jahre zu strecken - es wäre der Versuch eines Schuldenschnitts durch die Hintertür.
Zusammengefasst: Die Auszahlung des dritten Hilfspakets für Griechenland kann voraussichtlich am Donnerstag beginnen. Ein Großteil des Geldes wird gebraucht, um alte Schulden abzulösen und griechische Banken zu rekapitalisieren. Für staatliche Investitionen bleibt nur etwas übrig, wenn die Privatisierungserlöse hoch genug ausfallen.
Im Video: Bundestag beschließt Griechenland-Hilfspaket