Griechenland-Rettung EZB und IWF plädieren für radikalen Schuldenschnitt

Im Ringen um die Rettung Griechenlands preschen Europäische Zentralbank und Währungsfonds vor. Nach Informationen des SPIEGEL werben sie für einen neuen, weitreichenden Schuldenschnitt - die Geberländer müssten auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten.
Demonstration in Athen (Archivbild 13. November): Proteste gegen Entlassungen

Demonstration in Athen (Archivbild 13. November): Proteste gegen Entlassungen

Foto: Orestis Panagiotou/ dpa

Hamburg - Immer noch wartet Griechenland auf die nächsten Hilfsmilliarden. Auf ihrem jüngsten Treffen konnten sich die Finanzminister der Euro-Länder nicht auf ein Vorgehen einigen - eine Hängepartie für das verschuldete Land. Über eine Lösung beraten nun die Vertreter der Euro-Gruppe am Montag erneut.

Nach Informationen des SPIEGEL werben die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) für einen neuen Rettungsplan: Die beiden Organisationen streben einen radikalen Schuldenschnitt für Griechenland an. Dieser sieht vor, die absehbare Staatsverschuldung des Landes bis 2020 von 144 Prozent auf 70 Prozent zu drücken. Dazu müssten die Geberländer Griechenlands auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten - ein Streitpunkt, denn Deutschland will dies unbedingt vermeiden.

EZB und IWF halten diesen Schritt jedoch für unausweichlich, damit Griechenland in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen stehen kann, auch wenn es in dieser Woche nicht zu einer Entscheidung kommen wird.

"Jeder muss seine roten Linien überprüfen"

Die Bundesregierung lehnt den vorgeschlagenen Forderungsverzicht ab. Stattdessen setzt Berlin darauf, den Griechen die Zinsen für die Hilfskredite zu senken. Allerdings scheiterten die jüngsten Rettungsgespräche der Euro-Länder vor allem daran, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble auf Geheiß von Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) einen bereits zugesagten weitgehenden Zinserlass wieder zurücknehmen musste.

Merkel fürchtete, einen solchen Schritt in den eigenen Reihen nicht durchsetzen zu können, zu groß scheint ihr der Widerstand der Euro-Skeptiker in der Union zu sein. EU-Währungskommissar Olli Rehn appelliert deshalb an die Euro-Regierungen - aber vor allem Deutschland - das politische Versprechen, Griechenland zu retten, auch tatsächlich einzulösen: "Jeder muss seine roten Linien überprüfen."

Vor dem Treffen der europäischen Finanzminister warnte der FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle davor, Athen zu weit entgegenzukommen. "Ich bin immer noch der Auffassung, dass man die Zeitachse nicht beliebig dehnen darf", sagte er "Welt am Sonntag". Ohne echte Fortschritte bei den Reformen dürfe es keine weiteren Hilfen geben.

Euro-Krisenländer holen auf

Die Reformen in den anderen europäischen Krisenstaaten zeigen Wirkung: Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat in einer Studie die Lohnstückkosten analysiert, also wie viel Lohn, einschließlich der Lohnnebenkosten, für ein Produkt oder eine Dienstleistungseinheit je Land bezahlt werden müssen. Die Lohnstückkosten ergeben sich, wenn die absoluten Arbeitskosten ins Verhältnis zur Produktivität gesetzt werden.

Nach SPIEGEL-Informationen zeigt die IMK-Studie, wie stark die Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren sanken: 2,2 Prozent in Portugal; 3,5 Prozent in Spanien; 13 Prozent in Irland. Dieser Rückgang führte dazu, dass die Lohnstückkosten seit Gründung der Währungsunion 1999 in den drei Ländern im Schnitt nur um zwei Prozent pro Jahr zulegten. Das entspricht dem Inflationsziel der EZB.

Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass der Anstieg in Deutschland weit unterhalb des Inflationsziels lag. "Wenn wir die Ungleichgewichte innerhalb der Euro-Zone beheben wollen, reicht es nicht aus, dass die Krisenländer ihre Kosten senken", sagt Studienautor Gustav Horn. "Dann müssen auch die Löhne hierzulande kräftig steigen."

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