Schuldenkrise Hälfte der Deutschen für griechischen Euro-Austritt

Für die Mehrheit der Bundesbürger hat ein Euro-Austritt Griechenlands seinen Schrecken verloren. In einer Umfrage sprachen sich 51 Prozent für den Grexit aus. Die Anleger an den Börsen fürchten das Szenario.
Demonstrant vor dem griechischen Finanzministerium: Sorge vor Pleite

Demonstrant vor dem griechischen Finanzministerium: Sorge vor Pleite

Foto: Milos Bicanski/ Getty Images

Die festgefahrenen Verhandlungen im Schuldenstreit zwischen Griechenland und der Eurozone haben bei den Deutschen einer Umfrage zufolge zu einem Meinungsumschwung geführt. Im aktuellen ZDF-"Politbarometer" sprechen sich 51 Prozent für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro aus. Nur noch 41 Prozent sagten demnach, das Land solle den Euro behalten. Zum Vergleich: Zu Jahresbeginn waren noch 55 Prozent der Bundesbürger für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone gewesen.

Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent der Befragten lehnte auch weitere Zugeständnisse der EU-Partner an Griechenland ab. Nur 24 Prozent sprachen sich dafür aus. Für die Umfrage befragte die Forschungsgruppe Wahlen von Dienstag bis Donnerstag 1230 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte.

Dabei sagten 28 Prozent, sie erwarteten einen starken oder sehr starken ökonomischen Schaden für Deutschland, falls es zu einer Staatspleite in Griechenland kommen sollte. Im März waren es noch 33 Prozent gewesen. 65 Prozent gehen jetzt von einem nicht so starken oder überhaupt keinem wirtschaftlichen Schaden für Deutschland aus.

Auf und Ab an der Börse

Deutlich nervöser als der Großteil der Bundesbürger sind dagegen Anleger. Am Donnerstag hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) überraschend sein Verhandlungsteam wegen großer Differenzen aus Brüssel abgezogen. Das sorgte für Ernüchterung an den Börsen. Vor allem in Griechenland brachen die Kurse am Freitag deutlich ein. Der Athener Leitindex verlor rund vier Prozent, der griechische Leitindex zeitweise acht Prozent.

Auch der deutsche Leitindex Dax   ging zunächst zurück. Die "Bild"-Zeitung berichtete am Freitag, die Bundesregierung bereite sich bereits auf einen Staatsbankrott Griechenlands vor. Gegen Mittag drehte der Dax aber wieder ins Plus. Er legte innerhalb weniger Minuten rund hundert Punkte zu und kletterte mit 0,08 Prozent ins Plus auf 11.342 Punkte.

Der Grund waren offenbar Aussagen vonseiten der Bundesregierung. "Wir arbeiten dafür, dass Griechenland ein Mitglied der Eurozone bleiben kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble machte Hoffnung auf eine Lösung im Schuldenstreit. Aus Sicht Deutschlands habe der IWF seine Verhandlungen mit Griechenland gar nicht abgebrochen, sagte Sprecher Martin Jäger.

Das hochverschuldete Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Kreditgebern über die Bedingungen, zu denen bislang zurückgehaltene Hilfsgelder von 7,2 Milliarden Euro ausgezahlt werden sollen. Die Zeit ist nun knapp, weil das Hilfsprogramm für Athen Ende Juni ausläuft. Die EU gab der Athener Regierung am Donnerstag noch eine Woche, um mit den Gläubigern zu einer Einigung im Schuldenstreit zu kommen. Am 18. Juni tagt die Euro-Gruppe.

Merkel setzt auf Fortsetzung der Gespräche

Der griechische Staatsminister Alekos Flambouraris sagte dem Fernsehsender ERT, er hoffe bis dahin auf einen Verhandlungserfolg. "Es wird eine Einigung geben, weil eine Pleite weder in unserem Interesse noch in dem der Gläubiger ist", sagte Flambouraris.

Obwohl die Zeit knapp wird, geht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter von einer Lösung aus. "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg", sagte Merkel auf einer Veranstaltung der Familienunternehmen in Berlin. "Aber der Wille muss von allen Seiten kommen." Sie finde ich es richtig, "dass wir immer und immer wieder miteinander sprechen."

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte am Donnerstag seinen Willen zu einer Einigung mit den internationalen Gläubigern bekräftigt. "Wir arbeiten daran, die Differenzen zu überbrücken, vor allem diejenigen bei Steuer- und Finanzfragen", sagte Tsipras nach einem zweistündigen Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. Ziel müsse eine Vereinbarung sein, die eine Erholung des Landes unter Beibehaltung des sozialen Zusammenhalts und mit "tragfähigen öffentlichen Schulden" sicherstelle.

mmq/AFP/dpa/Reuters
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