Griechenland und Euro-Gruppe Der Schulden-Showdown

Griechischer Finanzminister Varoufakis: "Wir wollen einen neuen Vertrag"
Foto: EMMANUEL DUNAND/ AFPDie wohl größte Untertreibung des Tages klang so: "Ein leichtes Gefühl von Enttäuschung" habe sich ausgebreitet, als während der Sitzung der Eurofinanzminister kaum Fortschritte im Schulden-Showdown mit Griechenland erkennbar gewesen seien, sagte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem in Brüssel.
Doch nach diesen ironischen Worten war es vorbei mit der Diplomatie. Dieses Treffen der Euro-Finanzminister endete in einer klaren Kampfansage von 18 Eurostaaten an die neue griechische Regierung. Nimm es oder lass es bleiben, so lautete der Inhalt. Konkret: Athen soll eine sechsmonatige Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms für Griechenland beantragen, und das so rasch wie möglich.
Darauf reagierte der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis prompt und eindeutig: Er lehnte jedes Ultimatum ab. "Wir wollen einen neuen Vertrag", sagte er am Montagabend nach dem Scheitern der Verhandlungen. Das alte Hilfsprogramm sei die Ursache und nicht die Lösung für die Probleme Griechenlands. "Es ist ein Programm, das nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann", sagte er.
Er gehe davon aus, so Varoufakis, dass es darüber in den kommenden 48 Stunden weitere Verhandlungen auf europäischer Ebene geben könne. Was er genau damit meint, sagte er nicht.
"Die Griechen müssen sich halt endlich entscheiden"
"Wir können diese Woche noch nutzen, aber das ist es", sagte wiederum Dijsselbloem. "Die Griechen müssen sich halt endlich entscheiden, wir lassen uns nicht länger herumschubsen", sagte ein Verhandlungsteilnehmer SPIEGEL ONLINE.
Die harten Worte bildeten den Abschluss eines Sitzungstages, den Beteiligte als "höchst unangenehm" beschrieben. Zu Beginn hatte Varoufakis wieder für Aufsehen gesorgt, als er anbot, dass das griechische Linksbündnis Syriza vorerst auf die Erfüllung seiner kostspieligen Wahlversprechen verzichten wolle. Die Europartner sollten im Gegenzug garantieren, über die Europäische Zentralbank (EZB) die griechischen Banken mit Liquidität zu versorgen.
Doch diese kühne Idee löste bei hochrangigen Vertretern der Eurozone bloß Empörung aus. "Das wäre Leistung von uns ohne Gegenleistung der Griechen. Sollen sie etwa dafür belohnt werden, dass sie versprechen, keinen Schaden anzurichten?", sagte ein Eurozonen-Verhandler.
Auch in der Sitzung der Eurofinanzminister war kein Einlenken aus Athen erkennbar, sodass der Rest der Runde geschlossen auf harten Forderungen beharrte. Griechenland solle mit dem Antrag auf eine sechsmonatige, technische Verlängerung des derzeitigen Hilfsprogramms die Zeit überbrücken, bis beide Seiten "eine Nachfolgevereinbarung" ausgearbeitet hätten.
Nach dem Vorschlag sollte Athen sich zudem verpflichten, "längst überfällige Reformen umzusetzen, um Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen", und erklären, dass es die finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Geldgebern erfüllen werde.
"Das wäre der beste Weg, und er wäre aus meiner Sicht auch möglich für die griechische Regierung", betonte Dijseelbloem. Doch die Griechen hatten schon um 18 Uhr erklärt, der Vorschlag der Euro-Gruppe für eine technische Verlängerung sei "absurd" und "inakzeptabel".
Aber anders als beim letzten chaotischen Treffen der Euro-Gruppe, das bis in die frühen Morgenstunden dauerte, mochten sich die anderen Finanzminister nicht mehr auf lange Debatten einlassen. Bis Mittwoch müsse der Antrag der Griechen auf eine Verlängerung eingehen, hieß es knapp aus Verhandlungskreisen, dann könnten am Freitag möglicherweise erneut die EU-Finanzminister zusammentreten.
Doch ist dieser Zeitplan noch realistisch?
Die Fronten im Schulden-Showdown scheinen endgültig verhärtet. Es läuft ein Pokerspiel mit höchstem Einsatz auf beiden Seiten.
Man wolle natürlich eine Verlängerung des Hilfsprogramms, heißt es aus der Eurozone, zu groß sei die Angst vor Verwerfungen in Griechenland. Aber man wolle nicht eine Verlängerung um jeden Preis. Eine radikale Lockerung der bisherigen Spar- und Reformauflagen etwa werde man auf keinen Fall akzeptieren.
Die neue griechische Regierung wiederum möchte 30 Prozent der bisherigen Spar- und Reformauflagen nicht umsetzen und durch "maßgeschneiderte" Schritte ersetzen. Gespräche über Kompromisse verliefen am Wochenende weitgehend ergebnislos.
Dabei drängt die Zeit. Bis spätestens zum Sommer benötigt Athen einen zweistelligen Milliardenbetrag, um Zahlungsforderungen der Geldgeber zu erfüllen. Auch die EZB pocht auf eine Einigung. Ansonsten könne sie die Hellas-Banken nicht länger stützen.
Ohne weitere Milliarden aber würde es eng für Athen. Griechenland könnte zwar ein neues Hilfsprogramm beantragen, sollte das aktuelle auslaufen. Doch die Verhandlungen darüber würden Monate dauern - und nach Einschätzung der Euro-Gruppe drohte Griechenland womöglich schon im März der Staatsbankrott.
Auch für eine Verlängerung des laufenden Programms tickt die Uhr. Parlamente anderer Euroländer müssen zustimmen, etwa der Bundestag. Dies sicherzustellen, wäre noch bis Ende der Woche möglich, heißt es aus Verhandlungskreisen, danach wohl nicht mehr.
"Lasst uns logisch sein, nicht ideologisch", mahnte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Montagabend in Brüssel. Doch Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem präzisierte, was er für logisch hält: "Es gibt durchaus Raum für Flexibilität beim Hilfsprogramm für Griechenland - aber das Programm muss auch auf Kurs bleiben."
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