Schuldenstreit mit Griechenland IWF-Chefin Lagarde verweigert Zahlungsaufschub

Die Mahnungen an Griechenland häufen sich: Die IWF-Chefin schließt einen Zahlungsaufschub aus - und fordert Fortschritte in den Verhandlungen. Auch die EU-Kommission zeigt sich unzufrieden mit Athen.
IWF-Chefin Lagarde: "Kein Vorgehen, das zu empfehlen wäre"

IWF-Chefin Lagarde: "Kein Vorgehen, das zu empfehlen wäre"

Foto: NICHOLAS KAMM/ AFP

Christine Lagarde verpackte sie in höfliche Worte, doch die Botschaft war deutlich: "Das wäre sicher kein Vorgehen, das in der aktuellen Situation zu empfehlen wäre", sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Donnerstag vor Beginn der IWF-Frühjahrstagung in Washington. Die Französin lehnte damit einen Zahlungsaufschub für Griechenland ab.

"Uns hat noch nie eine entwickelte Volkswirtschaft um einen Zahlungsaufschub gebeten." Und es sei mehr als 30 Jahre her, dass der IWF einem Entwicklungsland einen gewährt habe. Das sei damals nicht produktiv gewesen. Zugleich rief sie Griechenland dazu auf, die Verhandlungen mit den Geldgebern voranzutreiben. Das Land müsse sich "an die Arbeit" machen.

Die IWF-Chefin reagierte auf einen Bericht der "Financial Times", demzufolge die Regierung Athen den Fonds jüngst informell gebeten habe, fällige Raten später begleichen zu dürfen. Der IWF habe das abgelehnt. Der Fonds und die Staaten der Eurozone haben Griechenland seit 2010 im Rahmen zweier Hilfspakete Kredite über rund 227 Milliarden Euro gewährt - gut 30 Milliarden davon vom IWF.

Während die anderen Gläubiger inzwischen die Rückzahlung ihrer Kredite erst ab dem Jahr 2020 fordern, muss Griechenland die IWF-Kredite pünktlich bedienen. Das hat bereits in den vergangenen Wochen stets für Unruhe gesorgt, wenn eine Zahlung anstand. Zuletzt war Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis in der vergangenen Woche nach Washington gereist, um Lagarde die pünktliche Rückzahlung zuzusichern. Allein im Mai und Juni müsste Griechenland nun insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro an den IWF zahlen.

Varoufakis wollte am Donnerstag US-Präsident Barack Obama treffen und eine Rede vor dem renommierten Institut Brookings halten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sollte dort kurz vor ihm auftreten. Schäuble hatte sich am Mittwoch negativ über die Möglichkeit einer raschen Lösung bei den Verhandlungen der Geldgeber mit Athen über weitere Finanzhilfen geäußert.

Auch die EU-Kommission, bislang eher um Ausgleich bemüht, setzt die griechische Regierung zunehmend unter Druck. "Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir mit den bisher gemachten Fortschritten nicht zufrieden", sagte ein Sprecher. Beim Treffen der EU-Finanzminister am 24. April im lettischen Riga werde es wohl "eine Bestandsaufnahme" geben - also keinen Beschluss.

In Athen selbst gibt sich die Regierung dagegen optimistisch. In den Verhandlungen gebe es bemerkenswerte Fortschritte bei Themen wie Steuererhebung und Korruptionsbekämpfung, teilte Ministerpräsident Alexis Tsipras der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in einer schriftlichen Erklärung mit. Eine Einigung bis Ende April sei möglich. Vier Punkte seien aber noch strittig: Arbeitsmarkt, Rentenreform, Mehrwertsteuererhöhungen und Privatisierung.

Regierung erwägt Griff in Kassen staatlicher Institutionen

Die Schwierigkeiten seien nicht auf Probleme auf Expertenebene zurückzuführen, sondern auf politische Uneinigkeit. Er sei überzeugt, dass Europa nicht den Weg einer "unethischen und brutalen finanziellen Erpressung" wähle, sondern die Streitigkeiten überwinden werde. "Ungeachtet der Kakophonie und unberechenbaren Erklärungen von der anderen Seite in den vergangenen Tagen bleibe ich dennoch eindeutig optimistisch, dass es eine Einigung bis Ende des Monats geben wird", teilte Tsipras mit.

Dabei gerät die Links-rechts-Regierung in Athen innenpolitisch immer stärker unter Druck. Weite Teile der Bevölkerung - und auch die Mehrheit in den Regierungsparteien - fordern von ihr, gegenüber den Geldgebern hart zu bleiben und sich Reformen nicht aufzwingen zu lassen.

Aber der Regierung fehlt für eine solch kompromisslose Haltung auf Dauer schlicht das Geld. Daher sucht sie nach weiteren Geldquellen im Land. Sie erwägt einen Erlass, der alle staatlichen Institutionen und öffentlich-rechtlichen Betriebe zwingen soll, ihre Geldeinlagen an die Zentralbank zu überweisen. Damit sollen die fälligen Schulden an den IWF und andere Verpflichtungen im kommenden Monat bezahlt werden.


Zusammengefasst: IWF-Chefin Christine Lagarde hat einem Zahlungsaufschub für Griechenland eine deutliche Absage erteilt. Damit muss das Land seine Kredite an den Fonds wie vereinbart zurückzahlen. Zudem erhöhen wichtige Vertreter der Geldgeber wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die EU-Kommission den Druck auf Griechenland, in den Verhandlungen über Reformen nachzugeben. Die Regierung in Athen sucht angesichts zunehmender Liquiditätsprobleme nach neuen Geldquellen und erwägt, über einen Erlass Zugriff auf die Rücklagen staatlicher und öffentlich-rechtlicher Institutionen zu erhalten.

fdi/dpa/Reuters
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