Verfassungsrechtler Kirchhof: "Juristisch erheblicher Tatbestand"
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPHamburg - Ist Griechenland noch zu retten? Und wenn ja, wer zahlt die vermutlich zig Milliarden, die für die Sanierung des maroden Haushalts notwendig sind? Nach Auffassung des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof sollten die EU-Staaten die Finger davon lassen.
"Ich gehe nicht davon aus, dass sich europäische Regierungen darauf verständigen, geltendes Recht zu brechen", sagte Kirchhof dem SPIEGEL. Sollte es dennoch zu Finanzhilfen kommen, "gibt es das Instrument der Organklage". Fühlten sich Parlamente oder auch Abgeordnete "in ihren Rechten verletzt, können sie das Verfassungsgericht anrufen", so der Jurist, der 1998 als Berichterstatter die Verfassungsklage gegen den Euro abgewiesen hat.
Zu den Vorwürfen, Griechenland habe sich mit gefälschten Zahlen den Zugang zum Euro erschlichen, sagte der Jurist: "Wenn es so ist, dann gibt es einen juristisch erheblichen Tatbestand. Unter diesen Bedingungen hätte mindestens ein Land nicht Mitglied der Währungsunion werden dürfen." In Kirchhofs Augen muss sich der überschuldete Ägäis-Staat selbst helfen. "Was hindert Griechenland, alle staatlichen Leistungen unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen?", sagte er. "Die Regierung könnte die Gehälter von Staatsbediensteten und die Subventionen für Unternehmen kürzen."
Kirchhof forderte die Politik auf, einen Konstruktionsfehler des europäischen Rechts zu beheben. "Bislang werden die Kriterien aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von der Versammlung der europäischen Finanzminister überwacht. Das heißt: Täter und Wächter sind identisch." Dieses Doppelmandat habe sich nicht bewährt.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Demonstrationen in Athen: Arbeiter rebellieren gegen Griechenlands Schocksparprogramm.
Akropolis in Griechenland: Zittern um Staatsanleihen.
Blockade an der Athener Börse am Dienstag: Mitglieder der kommunistischen Partei demonstrieren gegen die Finanzindustrie, die dem Land die Krise eingebrockt habe.
Hafen von Piräus am Mittwoch: Seit Mitternacht stand der Flug- und Schiffsverkehr still. Zahlreiche Bahnverbindungen waren unterbrochen.
Flughafen von Athen: Im griechischen Luftraum ging am Vormittag nichts mehr.
Straßenbahnhaltestelle in Athen: Busse und Bahnen fuhren nur, um die Streikenden zu Kundgebungen ins Stadtzentrum zu bringen.
Protest in Athen (im November): Grundsätzlich sehen die meisten Griechen ein, dass ihre Regierung sparen muss - aber am liebsten nur beim Nachbarn.
Schaufenster in Athen vergangene Woche: Die EU hat den Griechen harte Sparvorgaben gemacht. Das Defizit des Landes liegt deutlich über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts, erlaubt sind im Euro-Raum eigentlich nur drei Prozent.
Anti-EU-Protest in Athen am 10. Februar: Die Wut vieler Bürger richtet sich gegen Brüssel - und gegen Berlin. Denn vor allem Deutschland drängt auf radikale Reformen in Griechenland.
Radikaler Protest am 10. Februar: Demonstranten wollen eine EU-Flagge verbrennen.
Anzeigentafel der Athener Börse am 8. Februar: Spekulationen um EU-Hilfen für Griechenland haben die Aktienkurse in den vergangenen Wochen stark bewegt.
Premierminister Georgios Papandreou: Der Sozialist hat die Aufgabe, gegen Korruption und Steuerhinterziehung vorzugehen.
Protestierende Feuerwehrleute in Athen Ende Januar: Damals legte ein 24-stündiger Streik den gesamten öffentlichen Dienst in Griechenland lahm.
Kampfrufe gegen die Regierung Ende Januar: Ministerpräsident Papandreou will vor allem die Kosten im öffentlichen Dienst drücken - Gehälter sollen eingefroren und das Pensionsalter erhöht werden.
Heißer Herbst: Bereits im vergangenen September hatten die angekündigten Sparmaßnahmen der Regierung heftige Proteste ausgelöst.
Finanzminister George Papaconstantinou: Maßhalteappell an die Nation