Quadriga für Griechenland Die pedantischen vier

Sie reisen wieder nach Athen: die Vertreter der Gläubiger. Zum Teil brauchen sie Personenschutz - so verhasst sind sie. Wer sind die vier Verhandlungsführer, die den Griechen die Reformen diktieren?
Die vier Mission-Chiefs Declan Costello (EU), Rasmus Rüffer (EZB), Delia Velculescu (IWF) und Nicola Giammarioli (ESM)

Die vier Mission-Chiefs Declan Costello (EU), Rasmus Rüffer (EZB), Delia Velculescu (IWF) und Nicola Giammarioli (ESM)

Foto: AFP; DPA; ESM

Das griechische Parlament hat sechs Reformen abgenickt, die Vorbedingung für neue Kreditverhandlungen ist damit erfüllt. Jetzt reisen die Vertreter der Geldgeber an. Aus der in Griechenland verhassten Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission ist mit der Teilnahme des Euro-Rettungsfonds ESM jetzt quasi eine Quadriga geworden.

Vier Teams mit vier Verhandlungsleitern werden mit ihren griechischen Kollegen voraussichtlich von Montag an die Bedingungen des dritten Hilfspakets diskutieren - in ungefähr drei Wochen soll es eine Einigung geben. Sie werden Zahlen recherchieren und auf den aktuellen Stand bringen, die Fortschritte der vergangenen Monate bewerten und die genauen Formulierungen für die weiteren Reformen besprechen, die die Staats- und Regierungschefs der Euroländer von der Regierung in Athen fordern.

In den Teams sitzen vor allem technische Beamte, die sich normalerweise hinter verschlossenen Türen durch Aktenberge arbeiten und so gut wie nie an die Öffentlichkeit gehen. Ihre Chefs sind in Griechenland verhasst. Wer sind die vier Verhandlungsführer? Der Überblick.

  • Der Erfahrene: Declan Costello, EU-Kommission

Declan Costello ist kein Mann, der das Rampenlicht sucht. Bereits im Mai 2014 hat der Ire den Deutschen Matthias Mors als Leiter der Delegation der EU-Kommission abgelöst. Seitdem steht der Wirtschaftswissenschaftler im Zentrum des griechischen Schuldendramas - und ist dennoch praktisch nie öffentlich in Erscheinung getreten. Wenigstens nicht freiwillig.

Vertreter der EU-Kommission: Declan Costello ist schon ein Jahr dabei

Vertreter der EU-Kommission: Declan Costello ist schon ein Jahr dabei

Foto: © Yorgos Karahalis / Reuters/ REUTERS

Im März 2015 geriet ein Brief an die Öffentlichkeit, den Costello der griechischen Regierung geschrieben haben soll. Darin soll er die Griechen davor gewarnt haben, ein Gesetzespaket ins Parlament zu bringen, das den ärmeren Teilen der Bevölkerung Wohltaten wie etwa Gratis-Strom versprach. "Einige Technokraten wollen uns mit Ultimaten einschüchtern", schimpfte Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras daraufhin.

Das Parlament nahm das Gesetzespaket mit überwältigender Mehrheit an - und tags darauf stoppte die griechische Regierung die Gespräche mit den Vertretern der Institutionen.

Dabei hatte Costello nur seinen Job gemacht: darauf zu achten, dass Griechenland während der Verhandlungen über ein neues Rettungspaket nichts unternimmt, was die wirtschaftliche Lage des Landes weiter verschlechtern könnte.

Dass die EU-Kommission Costello nun erneut nach Athen schickt, kann durchaus als Signal gedeutet werden, dass Brüssel weiter auf die Einhaltung der Abmachungen pochen wird - und die Befindlichkeiten der griechischen Regierung dabei eher zweitrangig sind.

Der 1967 geborene Costello arbeitet bereits seit 1991 für die EU-Kommission. In den Neunzigerjahren war er am Aufbau des Euro beteiligt, insbesondere an der Einrichtung des Stabilitätspakts. Die "Irish Times" bezeichnete Costello kürzlich als "einen der mächtigsten Bürokraten im Finanzdirektorat der Europäischen Kommission" - und einen "der unter Griechen meistverachteten Bürokraten".

Das könnte dazu führen, dass Costello in Athen erneut von Personenschützern bewacht werden muss. Schon bei seinem letzten Einsatz hatte Costello Bodyguards bekommen. Ob dies nun erneut geschieht, ist nach Angaben von EU-Beamten noch nicht entschieden. Costellos persönliche Sicherheit sei aber "ein wichtiges Thema".

  • Die Außenseiterin: Delia Velculescu, IWF

Der in Griechenland unbeliebteste Gläubiger ist der Internationale Währungsfonds (IWF). Vielleicht um einen unbelasteten Neustart zu ermöglichen, hat der Fonds Anfang der Woche bekannt gegeben, seinen Verhandlungsleiter auszutauschen. Zwar bestreitet der IWF, mit dem Wechsel einem Wunsch der griechischen Regierung entsprochen zu haben, aber nach zwei Jahren als "mission chief" wurden dem Finanzökonomen Rishi Goyal umgehend andere Aufgaben zugeteilt. Seine Stelle übernimmt jetzt die Wirtschaftswissenschaftlerin Delia Velculescu.

IWF-"Mission-Chief" Delia Velculescu: Hat schon in Zypern verhandelt

IWF-"Mission-Chief" Delia Velculescu: Hat schon in Zypern verhandelt

Foto: Katia Christodoulou/ picture alliance / dpa

Die Rumänin kennt bereits die Region und die Probleme der Euro-Krisenländer. 2012 war sie die IWF-Chefverhandlerin für Zypern, nachdem das dortige Bankensystem zusammengebrochen war und Kapitalverkehrskontrollen verhängt wurden. Zudem hat die Ökonomin schon 2009 über notwendige Strukturreformen in Griechenland  geschrieben und vor hohen Pensionslasten für den Staatshaushalt gewarnt.

Jetzt muss sie bewerten, ob das Land überhaupt noch kreditwürdig ist - schließlich hatte der IWF erst jüngst analysiert, dass die griechische Staatsschuld untragbar ist. Das Programm des Währungsfonds für Griechenland läuft schon im kommenden März aus, die Euro-Gruppe (allen voran Deutschland) will aber, dass er an Bord bleibt.

  • Der Unscheinbare: Rasmus Rüffer, EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) schickt einen Deutschen nach Athen: Rasmus Rüffer, innerhalb der EZB-Abteilung für Währungspolitik verantwortlich für die Strategie. Zuletzt war er auch an den Vorbereitungen für das groß angelegte EZB-Programm für den Ankauf von Staatsanleihen von Eurostaaten beteiligt.

Rüffer gilt als ruhig und zurückhaltend, Griechenland-Erfahrung hat er bisher kaum - manche sehen das als Nachteil, andere werten das als Vorteil. So hatte sich sein Vorgänger Klaus Masuch häufig über die Verhandlungsführung der griechischen Seite geärgert. Sein Nachfolger ist dagegen gänzlich unvorbelastet.

Immerhin nimmt Rüffer schon seit April als EZB-Vertreter an den Treffen der Ex-Troika teil, die als "Brüssel-Gruppe" regelmäßig in der belgischen Hauptstadt zusammenkommt. Zudem hat er Erfahrungen im Verhandeln von Bedingungen: Beim Euro-Rettungsprogramm für Portugal 2011 saß Rüffer mit am Tisch.

  • Der Neue: Nicola Giammarioli, ESM

Der Euro-Rettungsfonds ESM nimmt zum ersten Mal an den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern teil - und mit einer weit kleineren Zahl von Mitarbeitern als die anderen Institutionen. Die Delegation wird der Italiener Nicola Giammarioli leiten - allerdings spielt er eine andere Rolle als seine Kollegen von IWF, EZB und EU-Kommission: Giammarioli muss nicht darüber wachen, dass Griechenland die Vorbedingungen für ein neues Hilfspaket einhält.

Er wird federführend die Konditionen des neuen ESM-Kredits aushandeln - also Fragen wie Tilgung, Laufzeit und Zinsen. Dafür war der ESM auch bei früheren Hilfsprogrammen bereits zuständig.

Nicola Giammarioli, Leiter der ESM-Delegation: Eher Berater und Beobachter

Nicola Giammarioli, Leiter der ESM-Delegation: Eher Berater und Beobachter

Foto: ESM

Zu den Aufgaben des Wirtschaftswissenschaftlers gehört die Umsetzung der ESM-Strategie. Dazu entwickelt und überprüft er die Instrumente des ESM und repräsentiert den Rettungsschirm auf internationalen Foren. Er ist außerdem für die Beziehungen des ESM zu anderen Finanzinstitutionen und Ratingagenturen verantwortlich - und spielt damit eine Schlüsselrolle in der griechischen Schuldenkrise.

Zwar stammt Giammarioli aus Italien, das gegenüber Griechenland zuletzt eine eher milde Position eingenommen hat. Doch das dürfte in Athen nicht unbedingt für Beruhigung sorgen. Denn Giammarioli hat zuletzt das ESM-Team in Irland geleitet - wo bekanntlich ein knallhartes Sparprogramm durchgezogen wurde.


Zusammengefasst: In Athen werden die Verhandlungen über das neue Hilfsprogramm aufgenommen. Neben EZB, IWF und EU-Kommission sind jetzt auch Vertreter des Euro-Rettungsfonds ESM dabei. Mitte August wird mit einem Ergebnis gerechnet.

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