Einigung über neue Finanzhilfen Griechenlands kleiner Sieg

In Athen kann man aufatmen, aber keinesfalls jubeln. Griechenland erhält weitere Milliarden, auf Schuldenerleichterungen muss es aber weiter hoffen. Vor- und Nachteile der Einigung im Überblick.
Einigung über neue Finanzhilfen: Griechenlands kleiner Sieg

Einigung über neue Finanzhilfen: Griechenlands kleiner Sieg

Foto: Geert Vanden Wijngaert/ dpa

Ernste Miene, schwarzes Jackett: Wie ein strahlender Sieger sieht Euklidis Tsakalotos nicht unbedingt aus, als er am Donnerstagabend in Luxemburg vor die Presse tritt. Doch der griechische Finanzminister versichert: "Ich bin heute viel zufriedener."

Tatsächlich dürften Tsakalotos und seine Amtskollegen in der sogenannten Euro-Gruppe über das Ergebnis zumindest erleichtert sein. Nach monatelangem Ringen einigten sie sich nun auf die Auszahlung weiterer Kredite in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro. Gelöst ist das mittlerweile sieben Jahre andauernde Schuldendrama um Griechenland damit aber nicht. Das liegt nicht zuletzt an einem Konflikt zwischen den Europäern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dessen Chefin Christine Lagarde ebenfalls an dem Treffen teilnahm.

Die jüngste Einigung bringt sowohl kurz- als auch längerfristig einige Fortschritte:

  • Griechenland kann im kommenden Monat Altschulden in Höhe von etwa sieben Milliarden Euro zurückzahlen. Das bedeutet, das Land ist einmal mehr der Staatspleite entkommen und ein erneutes Sommerdrama wie im Jahr 2015 ist nicht zu erwarten.
  • Zusätzlich erhält die Regierung rund 1,5 Milliarden Euro, um Schulden im Inland zurückzuzahlen. Der griechische Staat liegt teilweise weit mit seinen Zahlungen gegenüber privaten Gläubigern zurück. Die Tilgungen sollen die Wirtschaft ankurbeln, die immer noch unter Stagnation und rund 25 Prozent Arbeitslosigkeit leidet.
  • Die Bedingungen für mögliche Schuldenerleichterungen in der Zukunft wurden präzisiert: Dazu könnte eine Verlängerung der durchschnittlichen Laufzeit von Krediten um bis zu 15 Jahre ebenso gehören wie eine Wachstumsklausel: Würde die griechische Wirtschaft kräftiger wachsen, müsste das Land dadurch mehr Schulden zurückzahlen als bei einem geringeren Wachstum.
  • Griechenland soll noch bis 2022 einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent erzielen, danach reichen rund zwei Prozent. Deutschland hatte 2,6 Prozent gefordert.
  • Die Erklärung der Euro-Gruppe erwähnt ausdrücklich Wachstum als Ziel. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras dürfte dies als Abkehr vom bisherigen Sparkurs feiern.
  • Der IWF hat sich nach langem Zögern zur grundsätzlichen Teilnahme am laufenden Hilfsprogramm bekannt.

Gerade die IWF-Teilnahme hob Tsakalotos positiv hervor. Der Fonds leiste "viel mehr Unterstützung als beim letzten Euro-Gruppen-Treffen", sagte er. Fast wie ein Oscarpreisträger dankte der griechische Finanzminister zudem all jenen, die die jüngste Einigung möglich gemacht hätten: Vom IWF über seinen Regierungschef Tsipras bis zum französischen Kollegen Bruno Le Maire, der noch vor wenigen Tagen die Wachstumsklausel als Kompromiss zwischen Griechen und Deutschen ins Spiel gebracht hatte.

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Dass die Deutschen auch nur der Option einer Laufzeitverlängerung und einem niedrigeren Primärüberschuss zugestimmt haben, gilt als Erfolg. Dennoch seien die Abmachungen "nicht die beste Lösung", sagte ein IWF-Vertreter. Insbesondere wegen des harten Kurses von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gibt es auch wichtige Einschränkungen:

  • Mögliche Schuldenerleichterungen wurden präzisiert. Sie sind jedoch vorerst nur Optionen, über deren mögliche Umsetzung und Umfang erst nach Auslaufen des derzeitigen Programms im Jahr 2018 entschieden werden soll.
  • Wegen der offenen Entscheidung über Schuldenerleichterungen gibt es vorerst nur eine prinzipielle IWF-Beteiligung ohne finanzielle Zusagen. Vorher sind laut IWF-Chefin Lagarde "weitere Diskussionen über Umfang und Art" der Schuldenerleichterungen durch die Europäer notwendig.
  • Solange die Tragfähigkeit der griechischen Schulden strittig ist, werden griechische Staatsanleihen voraussichtlich nicht ins Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank aufgenommen. Das bedeutet unter anderem, dass auf griechische Staatsanleihen höhere Renditen zu zahlen sind.
  • Die jetzt zugesagten 8,5 Milliarden Euro sind eine niedrigere Summe als von Griechenland gewünscht. Die Regierung hatte auf bis zu eine Milliarde Euro mehr gehofft, um die Wirtschaft zu beleben.
  • Auch so bleibt Griechenland auf Jahrzehnte an strenge Auflagen gebunden. So soll der Primärüberschuss von rund zwei Prozent bis zum Jahr 2060 gelten.

Während Griechenland also noch immer auf spürbare Erleichterungen wartet, muss es weiterhin harte Reformen und Einsparungen nach IWF-Art umsetzen. Zu ihnen gehört eine weitere Runde von Rentenkürzungen, gegen die am Donnerstag in Athen etwa 5000 Ruheständler protestierten.

Neue Abstimmung im Bundestag?

Auch in Deutschland könnte der jüngste Beschluss noch für Unruhe sorgen. Zwar sieht Wolfgang Schäuble durch die formale Beteiligung des IWF ein wichtiges Versprechen gegenüber seiner Fraktion gewahrt. Er zeigte sich am Donnerstag zuversichtlich, dass der Haushaltausschuss des Bundestags die jetzige Lösung nicht als wesentliche Änderung des Hilfsprogramms bewertet, die eine erneute Abstimmung des Parlaments notwendig machen würde.

Das könnten Teile der Union allerdings anders sehen. So sagte der CDU-Politiker Christian von Stetten im ZDF, falls der IWF sich nicht jetzt am Programm beteilige, sei dies ein "Verstoß gegen einen Beschluss des Bundestags". Er hoffe "nicht, dass man sich zum Ende darauf verständigt, dass allein der Haushaltsausschuss über diese Fragen entscheidet".

Im Finanzministerium könnte man deshalb nun schon einmal ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags herauskramen. Er war kürzlich auf Anfrage des Linken-Politikers Axel Troost zu dem Schluss gekommen, dass der Bundestag selbst bei einem Komplettausstieg des IWF nicht unbedingt erneut über die Griechenlandhilfen abstimmen müsste.

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