Abgabenexplosion in Griechenland "Als Nächstes besteuern sie die Luft zum Atmen"

Kaffeeröster Notaras
Foto: Konstantinos Tsakalidis
Kaffeeröster Notaras
Foto: Konstantinos TsakalidisAlexis Tsipras bleibt seinem Grundsatz treu: "Wenn etwas floriert, besteuere es." Seine Regierung hat dem Parlament in dieser Woche ein Gesetz über Steuererhöhungen von 1,8 Milliarden Euro im Jahr vorgelegt. Das entspricht einem Prozent der Wirtschaftsleistung. In Deutschland wären das 30,3 Milliarden Euro. Es trifft jeden Griechen - vom Fünf-Sterne-Hotelier über Biertrinker und Internetnutzer bis hin zu Rauchern.
Dabei sind erst vor Kurzem die Renten erneut gekürzt und die Einkommensteuer angehoben worden. Die Regierung in Athen hofft damit, die Euro-Finanzminister zu erweichen: Sie sollen in der kommenden Woche die nächste Kredittranche für Griechenland freigeben.
Der Unmut unter den Griechen ist groß - verständlicherweise. Nur zu gut erinnern sie sich an Tsipras' Versprechen, dieser Strategie ein Ende zu bereiten. Sie hat sich ja nicht nur als unpopulär erwiesen, sondern überdeutlich auch als erfolglos: Trotz stetiger Anhebungen lag etwa das Aufkommen aus der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr um 3,5 Milliarden Euro niedriger als noch 2009 - zum Teil, weil zu hohe Steuern die Nachfrage abschnüren. Und zum anderen Teil deshalb, weil viele Griechen nur eine Möglichkeit sehen, über die Runden zu kommen: den Fiskus zu betrügen, wo immer es geht.
Was bedeuten die drastischen Steuererhöhungen für die Bevölkerung? Wir haben Griechen in Thessaloniki befragt, vom Studenten bis zum Geschäftsführer.
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Der Kaffeeröster
Giannis Notaras, 57 Jahre, in dritter Generation Inhaber der ältesten Kaffeerösterei von Thessaloniki
Die Steuer: Von 2017 an wird eine Kaffeesteuer erhoben.
Erwartete Einnahmen: 62 Millionen Euro im Jahr
"Die neue Kaffeesteuer ist eine Schande - und ein Sakrileg. Für Griechen gehört Kaffee zum Grundbedarf, wie Brot. Jeder trinkt ihn, selbst die Ärmsten der Armen."
"Also wird die neue Steuer die armen Leute am härtesten treffen. Die kaufen Röstkaffee in alteingesessenen Geschäften wie meinem. Ich schätze, für den Kunden wird Kaffee um 15 Prozent teurer."
Der Hotelmanager
Konstantinos Tornivoukas, 54 Jahre, Geschäftsführer der TOR Hotel Group, einer Luxushotelkette in Nordgriechenland
Die Steuer: Hotels müssen von Januar 2018 an eine Abgabe für jede Übernachtung zahlen - von 50 Cent (Einsternehotels) bis zu vier Euro (Fünfsternehotels).
Erwartete Einnahmen: 74 Millionen Euro im Jahr
"Viele griechische Hotels werden wegen der Übernachtungsabgabe - zusätzlich zu all den Mehrwertsteuererhöhungen - unweigerlich schließen müssen. Vor allem die Hotels in den Städten werden nicht überleben. Wir können die neue Abgabe nicht an unsere Kunden weitergeben, sie schwächt so die Wettbewerbsfähigkeit des griechischen Tourismus erheblich. Die Nachfrage wird sinken, und das bedeutet wiederum, dass Arbeitsplätze verloren gehen und die Servicequalität leidet.
Uns bleibt nur eine Hoffnung: Die Abgabe soll erst 2018 kommen. Wenn die Regierung zuvor einsehen muss, dass die anstehenden Mehrwertsteuererhöhungen nicht den gewünschten Effekt haben, wird sie ihre Entscheidung vielleicht überdenken."
Der Taxifahrer
Dimitris Seitaridis, 50 Jahre, Taxifahrer
Die Steuer: höhere Benzin-, Diesel- und Heizölsteuern von Januar 2017 an
Erwartete Einnahmen: 302 Millionen Euro im Jahr
"Die neuen Steuern werden unsere sowieso schon miese Lage nur noch verschlimmern. Mein Hauptproblem ist natürlich nicht, dass Diesel teurer wird. Ich könnte auch gut mit sieben, acht, sogar zehn Cent mehr pro Liter leben - mein Problem ist, dass ich kaum Arbeit habe. Ich stehe hier manchmal stundenlang und warte auf Kunden."
"Heutzutage fahren nur noch ältere oder sehr reiche Leute Taxi. Wenn Taxifahren jetzt noch teurer wird, wird das der Todesstoß für uns sein."
Der Verkäufer
Thanasis Kokotas, 33 Jahre, Angestellter in einem Gemischtwarenladen
Die Steuer: Die Mehrwertsteuer wird vom 1. Juni 2016 an von 23 auf 24 Prozent erhöht.
Erwartete Einnahmen: 437 Millionen Euro im Jahr
"Die höhere Mehrwertsteuer wird auf alles fällig, was wir hier verkaufen. Das Problem ist, dass Steuern aus Sicht der Griechen reine Geldverschwendung sind. Denn sie bekommen im Gegenzug nichts - weder Bildung noch Gesundheitsversorgung. Besonders die neue Mehrwertsteuererhöhung wird nur eines bewirken: dass mehr Ladenbesitzer - und ganz allgemein mehr Griechen - Steuern hinterziehen werden. Durch die immer neuen Erhöhungen zwingt die Regierung selbst gesetzestreue Steuerzahler, zu Steuerbetrügern zu werden, um überleben zu können."
Die Raucherin
Kyriaki Matthaio, 40 Jahre, Vertriebsassistentin
Die Steuer: Sowohl Zigaretten (von 20 auf 26 Prozent) als auch Tabak werden von Januar 2017 an höher besteuert.
Erwartete Einnahmen: nicht beziffert
"Ich werde das Rauchen nicht wegen der Steuererhöhungen aufgeben. Ich will und ich werde weiter rauchen. Ich schätze, die Regierung vertraut darauf, dass die meisten Raucher so sind wie ich. Raucher sind immer die leichtesten Opfer. Ich würde höhere Steuern aufs Rauchen ja akzeptieren, wenn die Regierung davor die großen Steuerbetrüger zur Kasse bittet. Aber so nicht. Und was würde es bringen, wenn ich und andere mit dem Rauchen aufhören? Die Regierung würde einfach eine neue Steuer erfinden, um den Einnahmeverlust auszugleichen. Vielleicht ist als nächstes die Luft zum Atmen dran, so ziemlich das einzige, auf das noch keine Steuer fällig wird."
Der Wirt
Dionisis Katranitsas, 50 Jahre, Geschäftsführer und Mitinhaber des Zithos, dem ältesten Bierhaus in Thessaloniki
Die Steuer: Erhöhung der Biersteuer von Januar 2017 an. Für kleine Brauereien fällt der Anstieg höher aus als für Großbrauereien.
Erwartete Einnahmen: 62 Millionen Euro allein für den Rest des Jahres 2016
"Wir schenken hier ausschließlich griechische Biere aus, mit einem Schwerpunkt auf Kleinbrauereien eine noch recht kleine, aber stabil wachsende Branche, die schwer unter der Verdopplung des Steuersatzes leiden wird. Ich bin mir sicher, dass die Nachfrage zurückgehen wird. Unsere Gäste reagieren stark auf Preiserhöhungen, ein einziger Euro mehr entscheidet darüber, ob sie in unser Restaurant kommen oder nicht. In Griechenland ist es extrem schwierig, so einen Kleinbetrieb wie unseren zu führen. So etwas wie langfristige Planung ist schlicht unmöglich. Nur ein Beispiel: 2009 lag die Mehrwertsteuer noch bei 13 Prozent. Dann stieg sie stetig auf 23 Prozent, bevor sie für ein Jahr wieder auf 13 Prozent gesenkt wurde. Nur um wieder auf 23 und jetzt 24 Prozent zu steigen. Das ist lächerlich."
Der Student
Michalis Pilatos, 23 Jahre, Student
Die Steuer: Von Juli 2016 an wird eine Steuer von 5 Prozent auf Internetanschlüsse erhoben.
Erwartete Einnahmen: 90 Millionen Euro im Jahr - zusammen mit einer ebenfalls neuen Pay-TV-Steuer
"Die neue Internetsteuer ist ärgerlich und eine Schande. Das Internet gehört zum Alltag aller, besonders von Leuten in meinem Alter. Die Regierung weiß, dass wir zwingend auf einen Internetanschluss angewiesen sind, und genau darauf zählt sie. Ich werde meinen Vertrag kündigen und versuchen, einen billigeren Tarif zu finden."
Der Kaffeeröster
Giannis Notaras, 57 Jahre, in dritter Generation Inhaber der ältesten Kaffeerösterei von Thessaloniki
Die Steuer: Von 2017 an wird eine Kaffeesteuer erhoben.
Erwartete Einnahmen: 62 Millionen Euro im Jahr
"Die neue Kaffeesteuer ist eine Schande - und ein Sakrileg. Für Griechen gehört Kaffee zum Grundbedarf, wie Brot. Jeder trinkt ihn, selbst die Ärmsten der Armen."
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