Dramatische Woche Wie sich Griechenland zum Referendum zittern könnte

Straßenszene in Athen: Die nächsten Tage werden dramatisch
Foto: AP/dpaEuropa rüstet sich für eine dramatische Woche. Die griechische Schuldenkrise, die den Kontinent seit gut fünf Jahren in Atem hält, könnte in den kommenden Tagen zu einem unguten Ende kommen. Nachdem die Verhandlungen zwischen der Regierung in Athen und den internationalen Gläubigern am Samstag gescheitert sind, drohen dem Land ein Finanzchaos und der Staatsbankrott.
Es kann aber auch ganz anders laufen. Mit ein bisschen Glück kommt Griechenland ohne finanziellen Totalschaden durch die Woche - und damit bis zum Referendum am Sonntag. Dann sollen die griechischen Bürger über das Spar- und Reformpaket abstimmen, das die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) vorgelegt haben - und das die griechische Regierung ablehnt.
Die EZB hat an diesem Sonntag die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Griechenland überhaupt noch eine Chance hat, das Referendum zu erreichen, ohne dass vorher das Finanzsystem des Landes kollabiert.

Die Zentralbank in Frankfurt erlaubte der griechischen Zentralbank weiter Notkredite zu vergeben, mit denen die Banken des Landes seit Wochen am Leben gehalten werden. Ohne das Geld könnten die Banken die vielen Abhebewünsche ihrer Kunden längst nicht mehr erfüllen - sie wären zahlungsunfähig. Zugleich würde das griechische Finanzsystem von der Versorgung mit Euros praktisch abgeklemmt. Einen solchen Zusammenbruch hat die EZB nun erst einmal verhindert.
Allerding haben die Zentralbanker um Präsident Mario Draghi (Foto) die Obergrenze für die sogenannten Ela-Kredite nicht wie zuletzt gewohnt angehoben. Die Grenze bleibt bei knapp 90 Milliarden Euro. Das dürfte nicht reichen, um dem für Montagmorgen erwarteten Ansturm der Kunden auf die Banken standzuhalten. Die Menschen wollen ihr Euro-Geld in Sicherheit bringen, solange es noch welches gibt. Schon am Wochenende bildeten sich in griechischen Städten lange Schlangen an den Geldautomaten (siehe Foto). In Athen waren viele Automaten bis zum Nachmittag leergeräumt.

Am Sonntagabend kündige Premierminister Alexis Tsipras deshalb notgedrungen sogenannte Kapitalverkehrskontrollen an. Darunter versteht man Obergrenzen für Geldabhebungen am Automaten oder für Überweisungen ins Ausland. Zusätzlich sollen die griechischen Banken vorerst geschlossen bleiben. Nur so lässt sich ihr finanzielles Ausbluten stoppen.
Mit Kapitalkontrollen und Ela-Krediten der Notenbank dürfte das griechische Finanzsystem erst einmal dafür gerüstet sein, dem erwarteten Ansturm der Bankkunden standzuhalten. Ob das reicht und ob die EZB die Nothilfen auch in den nächsten Tagen weiterlaufen lassen wird, ist offen. Die Zentralbanker haben sich explizit vorbehalten, ihre Entscheidung jederzeit zu überdenken. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte der EZB-Rat die Hilfen stoppen.
Besonders heikel dürfte es am Dienstag und Mittwoch werden. Am Dienstag muss Griechenland einen Hilfskredit des IWF zurückzahlen. Es geht um rund 1,5 Milliarden Euro (siehe Grafik). Doch die griechischen Staatskassen sind leer. Schon in den vergangenen Wochen musste die Regierung immer wieder Pensionskassen und sogar Botschaften im Ausland anpumpen, um über die Runden zu kommen. Nun, so heißt es auch aus Athen, sei endgültig Schluss. Doch wie sagte schon Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Samstag: "Bei Griechenland darf man Überraschungen nie ausschließen."
Und auch wenn die Griechen diesmal kein Finanzwunder schaffen, muss das noch längst nicht den sofortigen Bankrott des Landes bedeuten. Es liegt dann vor allem am Verhalten des IWF und seiner Chefin Christine Lagarde (Foto). In den vergangenen Wochen hatte der Währungsfonds eine harte Linie angekündigt, für den Fall, dass die Überweisung aus Athen nicht rechtzeitig in Washington eintreffe.

Lagarde werde in diesem Fall sofort den Exekutivrat informieren, das oberste Entscheidungsgremium des Währungsfonds. Griechenland wäre dann unmittelbar im Zahlungsrückstand. Laut seinen eigenen Richtlinien müsste der Fonds allerdings längst nicht so schnell und rigoros handeln. Erst 2012 hatte er einen Fahrplan für den Fall nicht pünktlich zurückgezahlter Kredite veröffentlicht. Demnach könnte sich Lagarde sogar einen Monat Zeit lassen, bis sie den Exekutivrat über den Zahlungsverzug informiert. Erst nach zwei Monaten gäbe es demnach eine offizielle Beschwerde.
Theoretisch gäbe es also noch Spielraum - und das jüngste Statement aus Washington kann die Griechen zumindest ein bisschen hoffen lassen, dass der IWF diesen Spielraum auch nutzen und zumindest bis zum Referendum stillhalten könnte. "Die kommenden Tagen werden sehr wichtig sein", ließ Lagarde am Sonntag mitteilen. Man werde die Entwicklungen vorsichtig beobachten und sei weiter gewillt, mit den griechischen Stellen zu verhandeln. Das klingt zumindest nicht so, als wären alle Türen zugeschlagen.
Sollte Griechenland also die Woche überstehen, könnte das Referendum am Sonntag die Karten noch einmal neu mischen. Stimmt die Mehrheit der Griechen dabei dem Spar- und Reformprogramm der Gläubiger zu, dürfte das nicht nur die politische Landschaft in Griechenland durcheinanderwirbeln, auch die Eurostaaten und der IWF müssten dann noch einmal neu überlegen und die Verhandlungen gegebenenfalls wieder aufnehmen - womöglich mit einer neuen griechischen Regierung. Ein neues Rettungsprogramm dürfte jedenfalls schnell zusammengestellt sein.
Zusammengefasst: Die Europäische Zentralbank hat entschieden, Griechenland vorerst weiter mit Notkrediten zu versorgen. Um die kommenden Tage zu überstehen, braucht das Land nun Kapitalverkehrskontrollen, die Banken müssen schließen. Wenn die Regierung in Athen dann noch genügend Geld zusammenbekommt, um am Dienstag die Schulden beim IWF zu bezahlen, könnte sie es zumindest bis zum Referendum am Sonntag schaffen.