Sondierungen Union und SPD wollen Klimaschutzziel aufgeben

Es war einer der Jamaika-Knackpunkte - nun haben Union und SPD das deutsche Klimaschutzziel gleich zu Beginn der Koalitionsgespräche gekippt. Eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent bis 2020 sei unerreichbar.
Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen (Archiv)

Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen (Archiv)

Foto: Federico Gambarini/ dpa

In den Sondierungsgesprächen über eine Jamaikakoalition aus Union, FDP und Grünen war lange über die Anzahl der deutschen Kohlekraftwerke gestritten worden. Wie viele müssen stillgelegt werden, um die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern? In den Sondierungen von CDU, CSU und SPD haben die Verhandlungsteilnehmer nun einen anderen Weg gefunden: Sie wollen das bisherige Klimaschutzziel der Bundesregierung einfach nach hinten verlegen.

"Wir werden ein Maßnahmenpaket vereinbaren, mit dem die Lücke so weit wie möglich geschlossen und das Ziel am Anfang der 2020er-Jahre erreicht wird", heißt es laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in einem Ergebnispapier der Sondierungs-Arbeitsgruppe Energie/Klimaschutz/Umwelt. Auch die Nachrichtenagentur dpa berichtet unter Berufung auf Verhandlungskreise über die Einigung.

Das Ziel, die Emissionen im Vergleich mit 1990 bis 2030 um 55 Prozent zu verringern, solle aber aufrecht erhalten werden, berichtet RND. Das gelte, wenn "unter Beachtung des Zieldreiecks Sauberkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit ohne Strukturbrüche erreicht werden".

Ziel 2020 werde "nicht mehr erreicht"

Dieser Kompromiss ist von den Partei- und Fraktionschefs noch nicht gebilligt worden. Die von dem nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet, dem niedersächsischen Regierungschef Stephan Weil (SPD) und dem bayerischen CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer geleitete Arbeitsgruppe will ihre Ergebnisse am Nachmittag der Sechserrunde der Partei- und Fraktionschefs vorstellen. Die Unterhändler hatten Stillschweigen vereinbart.

"Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht mehr erreicht werden", heißt es laut RND in dem Papier. Es sei eine aus Bundesmitteln finanzierte Kommission geplant, die einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten solle. Auf diese Kommission hatte sich die Große Koalition bereits nach langem Hin und Her im November 2016 geeinigt, als Teil des Klimaschutzplans 2050.

Merkel hielt noch im Wahlkampf am Versprechen fest

Offiziell hält Deutschland bis heute an dem Vorhaben fest, seinen Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren. Allerdings ist schon seit Längerem absehbar, dass diese Zielmarke kaum erreichbar ist. Das Ziel ist nicht im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbart, sondern wurde 2007 von der damaligen Großen Koalition als nationales Ziel gesetzt. Seitdem hat sich jede neue Bundesregierung dazu bekannt.

Grüne und Linke haben die mögliche Abkehr vom deutschen Klimaschutzziel für 2020 heftig kritisiert. Die Zielmarke werde "zum ersten Opfer" einer erneuten großen Koalition, das sei "unfassbar verantwortungslos", twitterte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

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Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin warf Union und SPD Wahlbetrug vor. Linken-Chefin Katja Kipping schrieb: "Der erste Verlierer ist der Klimaschutz."

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Vorgesehen ist den RND-Zeitungen zufolge nun dagegen ein Klimaschutzgesetz, in dem ab 2019 Maßnahmen für den Verkehrs- und Bausektor verbindlich festgeschrieben werden sollen. Der Ausbau des Ökostroms solle deutlich vorangetrieben werden, um bis 2030 einen Anteil von etwa 65 Prozent zu erreichen. Ferner sei eine Sonderausschreibung für Windstrom und Photovoltaik geplant, die "acht bis zehn Millionen Tonnen CO2" einsparen solle.

CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst im September im Wahlkampf in einer TV-Debatte zugesichert, dass Deutschland das Klimaschutzziel 2020 schaffen werde. "Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel einhalten. Das verspreche ich Ihnen", sagte sie damals.

apr/dpa/AFP
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