Urteil des Bundes­verfassungs­gerichts Was eine Reform der Grundsteuer bedeutet

Das Bundesverfassungsgericht könnte am Nachmittag beschließen, dass die Steuer auf etwa 35 Millionen deutsche Grundstücke geändert werden muss. Was würde das für Hauseigentümer, Mieter und Kommunen bedeuten?
Neubausiedlung

Neubausiedlung

Foto: Holger Hollemann/ picture alliance / dpa

Um welche Entscheidung geht es?

Die Richter in Karlsruhe werden um 14 Uhr ihr Urteil darüber fällen, ob das System der deutschen Grundsteuer geändert werden muss. Eine Reform würde, je nach Ausgestaltung, gewaltige Umwälzungen bedeuten.

Warum gibt es überhaupt eine Grundsteuer?

Grundstücke und Gebäude verursachen Kosten für die Kommunen - zum Beispiel für die umliegende Infrastruktur. Über die Grundsteuer sollen Eigentümer diese Lasten mittragen.

Wer eine Immobilie besitzt und diese weitervermietet, reicht die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung weiter. Von einer Reform der Steuer wären daher nicht nur Grundstückseigentümer betroffen, sondern auch Mieter.

Was ist das Problem?

Die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer ist teils völlig veraltet. Denn um den Wert eines Grundstücks zu bestimmen, wird zunächst der sogenannte Einheitswert angelegt.

Das Wort ist ziemlich missverständlich. Es geht nicht darum, einheitliche Werte für Grundstücke zu definieren, sondern einen spezifischen Wert für jedes Grundstück - sprich: für jede Einheit.

Der Einheitswert aller deutschen Grundstücke wurde erstmals am 1. Januar 1935 festgelegt. Eigentlich sollten die Einheitswerte alle sechs Jahre aktualisiert werden. Dies geschah in Westdeutschland jedoch nur ein einziges Mal im Jahr 1964, in Ostdeutschland aufgrund der Teilung überhaupt nicht.

Die Gemeinden und Städte dagegen haben sich teils völlig verändert. Entsprechend haben die Einheitswerte vieler Grundstücke kaum noch etwas mit der Realität zu tun.

Was passiert jetzt?

Der Bundesfinanzhof hat bereits moniert, dass die aktuelle Grundsteuer gegen die Verfassung verstößt. Genauer: gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes nach Artikel 3 Absatz 1. Die Richter sind überzeugt, dass die Wertverzerrungen bei Grundstücken besonders in größeren Städten spätestens seit 2009 nicht mehr tragbar sind.

Das Bundesverfassungsgericht könnte sich dieser Sicht nun anschließen. Es dürfte die Regierung dann zu einer Reform der Grundsteuer verdonnern.

Wie könnte eine Reform der Grundsteuer aussehen?

Zur Diskussion stehen im Kern zwei Modelle:

Der Bundesrat hat bereits Ende 2016 per Gesetzentwurf einen Ansatz empfohlen, den die meisten Bundesländer mittragen würden. Demnach wäre für unbebaute Grundstücke künftig der sogenannte Bodenrichtwert maßgeblich, der sich aus Verkäufen in der Umgebung ergibt und den man für die Grundstücke in vielen Städten bequem im Internet einsehen kann.

Für Gebäude würde ein sogenannter Kostenwert neu eingeführt: Er ergibt sich aus der Bruttogrundfläche der Immobilie und den pauschalen Herstellungskosten. Von diesem Wert können je nach Baujahr bis zu 70 Prozent des Werts wegen Altersminderung abgezogen werden.

Der Deutsche Mieterbund und andere Verbände fordern indes, die Grundsteuer ausschließlich als Bodensteuer zu gestalten. Der Wert von Gebäuden würde in diesem Modell gar keine Rolle mehr spielen.

Wer profitiert, wer verliert?

Würde der Ländervorschlag umgesetzt, so könnten die Besitzer von Altbauten gleich doppelt profitieren: Sie dürften einen großen Teil des Werts abschreiben und müssten zudem deutlich geringere Herstellungskosten ansetzen als Neubaubesitzer. Entsprechend stark würde die Steuer für sie sinken.

Für Neubauten indes würde die Grundsteuer dann deutlich teurer werden. Ein fragwürdiges Signal, schließlich will der Staat angesichts steigender Immobilienpreise eigentlich das Bauen fördern.

Die Kommunen indes müssten durch die Reform um eine lukrative Einnahmequelle fürchten. Die Grundsteuer deckt immerhin etwa zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Die Gesamteinnahmen lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2016 bei mehr als 13 Milliarden Euro. Entsprechend vehement fordern die Kommunen, die Reform müsse aufkommensneutral gestaltet werden, die Steuereinnahmen müssten also gleich blieben.

dab/ssu
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