Städtetag über Grundsteuer "Wollen die Reform nicht dazu benutzen, Haushalte zu sanieren"

Hausbau in Schwerin
Foto: Jens Büttner / DPADie Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden. Nun steht eine Neuregelung der Abgabe an, und das sorgt für Streit. Denn die Immobilienlobby warnt in bestimmten Fällen vor drastischen Steuererhöhungen für Eigentümer und Mieter. Der Deutsche Städtetag hat diese Befürchtungen zurückgewiesen. "Die Kommunen werden ihre Hebesätze so verändern, dass etwa die heutigen Einnahmen erreicht werden", sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetages, Verena Göppert. "Sie wollen die Reform nicht dazu benutzen, ihre Haushalte zu sanieren."
Der Eigentümerverband Haus & Grund hatte Beispielrechnungen veröffentlicht, wonach es durch die Reformpläne von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zur neuen Grundsteuer in bestimmten Fällen zu drastischen Steuererhöhungen kommen kann.
Göppert kritisierte, die Beispielrechnungen hätten zwei große Schwächen: "Sie betrachten vor allem außergewöhnliche Fälle, in denen die Grundsteuer aufgrund der veralteten Grundstückswerte bisher sehr niedrig war. Außerdem berücksichtigen diese Zahlen nicht die künftigen Hebesätze der Kommunen, die in vielen Fällen neu festgelegt werden." Die Beispiele bildeten daher keinesfalls realistisch ab, wie sich der durchschnittliche Grundsteuerbetrag für Menschen mit Eigenheim oder für Mieterinnen und Mieter entwickeln werde.
"Die Städte haben frühzeitig erklärt, dass die Reform der Grundsteuer aufkommensneutral sein soll", sagte Göppert. "Hier gibt es eine gemeinsame Linie von Bund, Ländern und Kommunen." Es gehe darum, das Volumen der Grundsteuer durch die Reform auch in Zukunft zu sichern. Die Grundsteuer ist mit Einnahmen von rund 14 Milliarden Euro pro Jahr eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Kommunen. Göppert sagte, die Kommunen bräuchten das Aufkommen auch nach der Reform, um Teile ihrer Infrastruktur für die Bürger zu finanzieren, zum Beispiel Schulen und Schwimmbäder.
Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen völlig veralteter Bemessungsgrundlagen eine Neuregelung der Grundsteuer bis Ende 2019 verlangt. Aktuell werden noch Grundstückswerte von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland genutzt. Die Grundstücke sollen nun zum 1. Januar 2022 neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre. Dabei sollen vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen.
Damit diese erste Neubewertung nach Jahrzehnten nicht zu massiven Anstiegen bei der Steuer führt, will Scholz die sogenannte Steuermesszahl massiv senken. Außerdem geht Scholz davon aus, dass die Kommunen einen weiteren Berechnungsfaktor senken, den Hebesatz. Auf diese Weise soll es unterm Strich insgesamt keine großen Mehrbelastungen von Mietern und Hausbesitzern geben - in Einzelfällen sind sie aber möglich.
Städtetag-Vertreterin Göppert sagte, die alte Grundsteuer beruhe auf völlig veralteten Grundstückswerten. "Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn der einzelne Steuerbescheid nach einer Reform mal niedriger oder höher ausfallen kann. Insgesamt aber geht es nicht um eine höhere Grundsteuer, sondern um mehr Steuergerechtigkeit."
Finanzministerium wirft Immobilienlobby "Propaganda" vor
Bisher hat das Finanzministerium noch keine eigenen Modellrechnungen präsentiert, die zeigen, welche Auswirkungen die Pläne auf Grundsteuerzahler hätten. Die Berechnungen des Eigentümerverbands Haus & Grund hatte das Ministerium aber scharf zurückgewiesen. Der Verband habe die von Bürgermeistern allerorten angekündigte Absenkung der Hebesätze bewusst unterschlagen, hieß es. "Mit seriösen Berechnungen hat das nichts zu tun - das ist Propaganda."
Nachdem Bund und Länder im März eine Einigung über die Grundsteuer verkündet hatten, ist der Streit nun erneut aufgebrochen. Besonders kritisch hat sich bislang Bayern geäußert. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zu den Plänen gesagt: "Dies ist ein sehr enttäuschender Vorschlag. Das wird so nicht Gesetz werden." Es fehle noch immer eine Öffnungsklausel, die den Ländern erlaube, eigene Regelungen zu treffen.
Scholz will Verfassungsrechtler beraten lassen
Einem Bericht der "Wirtschaftswoche" zufolge plant Finanzminister Scholz eine Veranstaltung mit Verfassungsrechtlern, um Bedenken auszuräumen, sein Reformentwurf verstoße gegen das Grundgesetz. Eigentlich sollte sich das Kabinett Ende April mit dem Entwurf befassen. Doch laut dem Bericht verzögert sich der Gesetzentwurf. "Der Termin ist nicht zu halten", zitierte das Magazin aus dem Bundesfinanzministerium.