
Pläne zum Fahrrinnenausbau: Elbvertiefung, die Zehnte
Elbvertiefung Ja, wann baggern sie denn?
Zeit ist Geld. In keinem Gewerbe gilt das so sehr wie in der Containerschifffahrt.
Die Tageskosten der größten Schiffe, die etwa 18.000 bis 19.000 Container tragen können, liegen bei schätzungsweise gut 50.000 Dollar. "Das heißt: Wenn solche Schiffe aufgrund einer etwas zu starken Beladung einen halben Tag auf die nächste Flutwelle warten müssen, dann sind das schnell eben mal 25.000 Dollar Kosten", sagt Burkhard Lemper, Direktor am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen.
Auf die nächste Flut warten: Das müssen alle Schiffe mit mehr als 13,5 Meter Tiefgang, um in die Elbe fahren zu können, wie eine Grafik in der Bildergalerie zeigt. Bei normalem Wasserstand ist die Fahrrinne für diese Frachter nicht tief genug.
Um den Fluss für immer größere Schiffe passierbar zu machen, wird die Elbe seit mehr als 150 Jahren immer tiefer ausgebaggert. Nun soll es nach dem Willen der Stadt Hamburg wieder so weit sein.
Doch der Streit um die Elbvertiefung befindet sich in der Warteschleife. Genauer gesagt geht es um eine "Fahrrinnenanpassung", denn auch in der Breite soll die Wasserstraße in Hamburg ausgebaut werden. Seit Oktober 2012 wurden die Pläne auf Betreiben von Umweltschützern vorerst gestoppt. Die Umweltverbände BUND und Nabu hatten mit Unterstützung des WWF beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine einstweilige Anordnung dagegen erwirkt.
Die Richter in Leipzig vertagten daraufhin die Entscheidung. Sie verwiesen auf ein ausstehendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem vergleichbaren Fall. Dabei geht es um die Vertiefung der Weser: Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge hängt an dem EuGH-Urteil auch die Entscheidung über das Verfahren zur Elbvertiefung, weil die Fragen des Verfahrens "sich auch hier stellen".
Ein Urteil wird nun frühestmöglich in diesem Frühjahr erwartet - eventuell aber auch deutlich später. Zurzeit werde der Fall noch beraten, teilte die Pressestelle des EuGH SPIEGEL ONLINE mit.

Rangliste 2014: Die Weltliga der Containerhäfen
Der Protest der Umweltschützer hat seine Berechtigung, wie SPIEGEL ONLINE berichtete. Dem entgegen stehen die Interessen der Wirtschaft. Aber warum und wie sehr braucht die Containerwirtschaft den Ausbau der Hamburger Fahrrinne eigentlich?
Nicht so sehr, befand kürzlich der Co-Chef des Terminalbetreibers Eurogate, Emanuel Schiffer. "Durch die Elbvertiefung wird sich bei den Großschiffen der neuesten Generation keine wesentliche Verbesserung ergeben", sagte Schiffer anlässlich einer Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens. Dass sich mit ihm nun auch ein Manager der Logistikbranche skeptisch äußert, wollen manche Beobachter schon als Signal dafür sehen, dass die Elbvertiefung für die Schiffswirtschaft fast nichts bringt.
Das Hauptargument: Es gibt mit dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven einen kaum genutzten Containerhafen, der auch von den allergrößten Containerfrachtern angelaufen werden kann. Allerdings muss man auch wissen: Eurogate betreibt den Containerterminal am Jade-Weser-Port - und hat damit naturgemäß ein Interesse, mehr Verkehr in diesen Hafen zu lenken.
Der Bremer Logistikexperte Lemper sieht das Thema differenzierter. Insgesamt sei es zwar schwierig, die Bedeutung der Elbvertiefung für die deutsche Wirtschaft zu beziffern, so Lemper. Und sicherlich gebe es die Problematik, dass der Ausbau der Elbe so, wie er im Moment geplant ist, nicht jede Einschränkung aufhebt.
Die Anpassung der Fahrrinne werde aber "auf jeden Fall ausreichen, um Schiffe mit mehr Ladung einlaufen oder auslaufen lassen zu können," sagt Lemper. Zumal die Gefahr besteht, dass die Frachter statt nach Wilhelmshaven gleich in den Hafen Rotterdam ausweichen, der mit dem Terminal Maasvlakte 2 besonders große Kapazitäten geschaffen hat.
Der Hamburger Hafen belegt in der Rangliste der Containerhäfen weltweit zurzeit Platz 15. Die Hansestadt ist der einzige deutsche Standort in den Top 20 der Containerhäfen 2014.
Welt-Containerhäfen 2014
2014 | 2013 | Hafen | TEU 2013* | TEU 2014* | Veränderung absolut | Veränderung in Prozent |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 1 | Shanghai | 33.617.000 | 35.285.000 | 1.668.000 | 5,0 |
2 | 2 | Singapur | 32.579.000 | 33.869.000 | 1.291.000 | 4,0 |
3 | 3 | Shenzhen | 23.278.000 | 24.030.000 | 752.000 | 3,2 |
4 | 4 | Hongkong | 22.352.000 | 22.284.000 | -68.000 | -0,3 |
5 | 6 | Ningbo-Zhoushan | 17.327.000 | 19.450.000 | 2.123.000 | 12,3 |
6 | 5 | Busan | 17.682.000 | 18.652.000 | 970.000 | 5,5 |
7 | 7 | Qingdao | 15.520.000 | 16.624.000 | 1.104.000 | 7,1 |
8 | 8 | Guangzhou | 15.309.000 | 16.160.000 | 851.000 | 5,6 |
9 | 9 | Dubai | 13.641.000 | 15.249.000 | 1.608.000 | 11,8 |
10 | 10 | Tianjin | 13.010.000 | 14.050.000 | 1.040.000 | 8,0 |
11 | 11 | Rotterdam | 11.621.000 | 12.298.000 | 677.000 | 5,8 |
12 | 12 | Port Klang | 10.350.000 | 10.946.000 | 596.000 | 5,8 |
13 | 14 | Kaohsiung | 9.940.000 | 10.590.000 | 650.000 | 6,5 |
14 | 13 | Dalian | 9.991.000 | 10.128.000 | 137.000 | 1,4 |
15
|
15
|
Hamburg | 9.257.000 | 9.729.000 | 471.000 | 5,1 |
16 | 16 | Antverpen | 8.578.000 | 8.978.000 | 399.000 | 4,7 |
17 | 17 | Xiamen | 8.008.000 | 8.572.000 | 565.000 | 7,0 |
18 | 18 | Los Angeles | 7.869.000 | 8.340.000 | 471.000 | 6,0 |
19 | 19 | Tahjung Pelepäs | 7.628.000 | 8.523.000 | 895.000 | 11,7 |
20 | 20 | Long Beach | 6.731.000 | 6.821.000 | 90.000 | 1,3 |
*Anzahl Standardcontainer (TEU)
vorläufige Daten für 2014 (Stand April 2015)</
Damit das so bleibt, argumentieren die Vertiefungsbefürworter, müsse der Hamburger Hafen auch für große Containerschiffe leicht erreichbar sein. Also für jene, die 10.000 Standardcontainer oder mehr transportieren können (Standardcontainer werden auch im Deutschen meist mit "TEU" abgekürzt, das bedeutet "Twenty Foot Equivalent Unit"). Im Jahr 2014 haben 507 Schiffe dieser Größenordnung den Hamburger Hafen angelaufen. Das sind 24 Prozent mehr als im Vorjahr.
Es geht auch um Jobs. Durch die Fortschritte in der Produktivität braucht man im Hafen immer weniger Personal für die gleiche Leistung. "Das heißt: Um Beschäftigung aus dem Hafenumschlag stabil zu halten, muss man ein gewisses Maß an Wachstum haben", sagt Lemper. "Und wenn man das gefährdet durch die Verhinderung der Elbanpassung, dann gefährdet man sicherlich auch die Arbeitsplätze."
"Die größten Beschäftigungseffekte" am Hamburger Hafen werden durch den Containerumschlag erzielt, heißt es in einer Studie im Auftrag der Hamburg Port Authority. Insgesamt liegt der Containeranteil an der hafenabhängigen Beschäftigung bei 58 Prozent.
Falls die Elbvertiefung kommen sollte, wie geht es weiter?
Die Anpassung der Fahrrinne im Hamburger Hafen ist einer der Punkte, bei denen die Hamburger Grünen Zugeständnisse an den Koalitionspartner SPD machen: Wenn die Gerichte der Elbvertiefung zustimmen, soll sie laut Koalitionsvertrag auch kommen. Wie ginge es dann weiter?
Wenn alle Genehmigungen vorliegen, werde die Fahrrinne der Elbe zunächst "in einem allerersten Bauabschnitt zwischen Glückstadt und Hamburg von 300 auf 320 Meter" verbreitert - erst einmal ohne Vertiefung, erklärt Jörg Osterwald vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg.
Die geplante Verbreiterung bringe "die größtmögliche Entlastung von dem enormen Druck, unter dem der Hafen steht - wegen der Begegnungsrestriktion". Im Klartext: In Zukunft soll die Fahrrinne so ausgebaut werden, dass auch sehr große Containerschiffe leichter aneinander vorbeifahren können.
Parallel zum ersten Bauabschnitt ("Verbreiterung") wird die Elbvertiefung europaweit ausgeschrieben. "Das Ausschreibungspaket liegt hier schon fertig in der Schublade", sagt Osterwald. Im besten Fall, wenn keine Firma klagt oder Beschwerde einlegt, werde die Vergabe etwa ein halbes Jahr dauern.
Sollten die Richter also tatsächlich in diesem Jahr zu einer Entscheidung über den Ausbau der Fahrrinne kommen, würde es noch mal etwa rund drei Jahre lang dauern, bis die Elbe fertig ausgebaggert ist. Frühestmöglicher Zeitpunkt des Bauabschlusses ist momentan also ungefähr das Jahr 2019. Der Antrag, die Elbe für die Schifffahrt nach Hamburg erneut - und damit zum zehnten Mal - anzupassen, stammt aus dem Monat Februar 2002.

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