Freihandelsabkommen mit Neuseeland Britische Landwirte fürchten Billig-Lammfleisch

Schafe auf einer Farm in Alston, Großbritannien
Foto: Owen Humphreys / dpaEinen »besseren Deal« hatte der britische Premier Boris Johnson den Landwirten nach dem Austritt aus der EU versprochen. Doch die Handelspolitik der Regierung sorgt bei den Bauern für Ärger. Sie werfen ihr sogar vor, die heimische Ernährungssicherheit zu untergraben. Konkret geht es um das angekündigte Freihandelsabkommen von Großbritannien mit Neuseeland.
Die Vereinbarung zeige die Bereitschaft der britischen Regierung, die Landwirtschaft und Ernährungssicherheit des Landes zu opfern, kritisierte der Bauernverband Farmers' Union of Wales (FUW). »Die eigenen Zahlen der Regierung zeigen, dass die wirtschaftlichen Vorteile für das Vereinigte Königreich durch diese Abmachung mikroskopisch klein sind«, sagte FUW-Präsident Glyn Roberts.
»Der Sieger bei diesem Deal wird eindeutig Neuseeland sein, dem es ermöglicht wird, die Lebensmittelexporte nach Großbritannien zu steigern, was eine große Bedrohung für die walisischen und britischen Landwirte sowie für unsere Ernährungssicherheit darstellt«, sagte Roberts. Er verwies darauf, dass Neuseeland mit gut fünf Millionen Menschen weniger Einwohner habe als Schottland (5,4 Millionen). Die Bauern warnen, dass heimische Landwirte durch billigeres Lammfleisch aus Neuseeland verdrängt werden könnten.
Vor allem die Importe nach Großbritannien sollen steigen
Ihre Sorgen werden sogar von staatlichen Gutachten gestützt. Eine Analyse der britischen Regierung hatte ergeben, dass das Abkommen für die eigene Wirtschaft kaum oder gar keine Vorteile bietet. Der Handel mit der ehemaligen Kolonie macht 0,2 Prozent des britischen Außenhandels aus.
Bereits im ersten Jahr dürften zollfreie Lammfleischimporte aus Neuseeland laut Abkommen um 30 Prozent steigen. Nach fünf Jahren betrage das Plus bereits 44 Prozent, danach folgten weitere Steigerungen, bis es nach 15 Jahren gar keine Zölle mehr gebe, kritisierte der FUW. Auch bei Rindfleisch, Butter und Käse gebe es gewaltige Sprünge.
»Diese Vereinbarung – in Verbindung mit dem im Juni angekündigten Handelsabkommen mit Australien – lässt kaum Zweifel daran, dass die britische Regierung absichtlich oder fahrlässig die britische Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Ernährungssicherheit untergräbt«, sagte Roberts. Dieser Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass britische Landwirte weniger Unterstützung erhielten, aber mehr Bürokratie und Regulierungen zu erleiden hätten.
Auch der britische Dachverband National Farmers' Union kritisierte das Abkommen. Mit dem Vertrag öffne Großbritannien die Türen für erhebliche zusätzliche Mengen importierter Lebensmittel, bei denen die Herstellungsstandards unklar blieben. Für britische Landwirte gebe es fast keine Gegenleistung.
Johnson sieht das Abkommen strategisch
Für Großbritannien ist die Vereinbarung mit Neuseeland vor allem eine strategische Entscheidung. Die Regierung in London hofft auf eine Aufnahme in das Handelsabkommen CPTPP der Pazifikanrainer, um so letztlich Zugang zum US-Markt zu erhalten. Premierminister Boris Johnson hatte angekündigt, das Land könne nach dem Brexit deutlich bessere Handelsverträge abschließen.