Strafzölle für Europa Donald Trump, das Opfer?

Donald Trump
Foto: Evan Vucci/ APDer Präsident lässt nicht locker. Am Donnerstag vergangener Woche sorgte Donald Trump mit der Ankündigung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium für Aufsehen. Am Samstag drohte er ähnliche Abgaben auf importierte Autos an. Und am Montag wies er Kritik aus dem In- und Ausland an seinem Eskalationskurs zurück: "Unser Land ist beim Handel von praktisch jedem Land der Welt abgezockt worden."
Ist an diesem Vorwurf etwas dran? Die Antwort laut Ja - gefolgt von einem großen Aber.
Richtig ist, dass die USA auf viele Waren weniger Zölle erheben als ihre Handelspartner. Im Durchschnitt aller Produkte betrugen die Einfuhrzölle der USA 2016 nach Zahlen der Welthandelsorganisation (WTO) 3,5 Prozent. In der Europäischen Union waren es hingegen 5,2 Prozent, in China sogar 9,9 Prozent.
Das bedeutet aber nicht, dass die Amerikaner grundsätzlich weniger zulangen als die Europäer. Vielmehr gibt es auf beiden Seiten Produkte, für die deutlich erhöhte Zölle verlangt werden.
So sind deutsche Autos nicht ohne Grund ein Thema, in das sich Trump verbissen hat: Während Deutschland zuletzt Kraftwagen und Kraftwagenteile im Wert von 28,6 Milliarden Euro in die USA exportierte, kamen im Gegenzug ähnliche Waren im Wert von nur 6,4 Mrd. Euro an. Zugleich liegen gerade in diesem Segment die Importzölle weit auseinander. Während die USA durchschnittlich nur 2,5 Prozent auf eingeführte Wagen aufschlagen, sind es in der Europäischen Union 10 Prozent.
Trump hält diese Unterschiede offenbar für ursächlich für das enorme Handelsungleichgewicht. Schon zum Amtsantritt verwies er auf die große Zahl von Mercedes-Modellen in New York und fügte hinzu: "Tatsache ist, dass ihr den USA gegenüber sehr unfair wart."
Doch zum Teil erheben auch die USA Zölle, die weit über europäischen liegen - etwa bei bestimmten Textilien. Manche Märkte werden sogar mit sehr hohen Abgaben geradezu abgeschirmt. So werden auf Tabak saftige 350 Prozent fällig - in der EU sind es "nur" 75 Prozent.
Natürlich schützen auch andere Länder ihre Wirtschaft. Insbesondere das aufstrebende China steht wegen starker Restriktionen gegenüber ausländischen Investoren und Dumping-Vorwürfen auch in Europa immer wieder in der Kritik. Die Europäer wiederum schotten unter anderem ihre Landwirtschaft vor zu viel Konkurrenz ab.
Unglaubwürdig ist Trumps Opfer-Pose dennoch. Denn die USA haben das heutige Handelssystem entscheidend mitgeprägt. In seinem Zentrum steht die Welthandelsorganisation, die ihren Mitgliedsländern unter bestimmten Voraussetzungen Schutzzölle durchaus erlaubt. Wenn andere Länder diese für unzulässig halten, können sie den Streit durch die WTO schlichten lassen.
Die Gründung der WTO und des Vorläuferabkommens GATT war auch eine Reaktion auf Erfahrungen der USA während der Großen Depression in den Dreißigerjahren. Damals hatten die USA wegen ihrer Wirtschaftskrise Hunderte Importzölle erhöht. Doch da viele Handelspartner ihrerseits mit Schutzzöllen reagierten, wurde der Welthandel beeinträchtigt und die Krise noch verlängert.
"Jahrzehnte internationalen Handels auf den Kopf gestellt"
Trump habe aus dieser Erfahrung offenbar nicht gelernt, warnt der US-Politologe Charles Hankla von der Universität Georgia . Seine America-First-Politik ignoriere "wie Amerikas Handelspartner auf den US-Protektionismus reagieren werden - so, wie es schon amerikanische Politiker während der Depression ignoriert haben".
Auch die Handelsexperten Chad Bown und Alan Sykes sehen einen grundsätzlichen Denkfehler in der US-Regierung . Die begründete die jüngsten Strafzölle und auch frühere Schritte immer wieder mit dem Ruf nach Reziprozität, also Gegenseitigkeit. Was Trump darunter konkret versteht, erläuterte er laut seinem Handelsberater Gary Cohn bereits im Sommer vergangenen Jahres Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen G7-Vertretern: "Wenn ihr einen 30-Prozent-Zoll habt, wisst ihr was: Dann sollten wir auch einen 30-Prozent-Zoll haben."
Diese einfache Gleichung stelle "Jahrzehnte internationalen Handels auf den Kopf", warnen Bown und Sykes. Zollsenkungen müssten in Verhandlungen erzielt werden. Wenn die USA hingegen einseitig die Zölle auf deutsche BMWs erhöhe, verkauften US-Hersteller dadurch nicht mehr Autos in Europa.
Hilfreicher könnte es nach Ansicht von Bown und Sykes zum Beispiel sein, wenn die USA die unter Trump de facto gestoppten Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wiederaufnehmen würden. Doch danach sieht es nicht aus. Die Trump-Regierung geht selbst zur bereits bestehenden nordamerikanischen Freihandelszone Nafta auf Distanz.
Verhandlungen über eine Neufassung der Nafta kamen bis Dienstag nur schleppend voran - was auch am unterschiedlichen Blick auf die Strafzölle liegen könnte. Während Kanada und Mexiko diese scharf kritisierten, behauptete Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer, die Zölle seien ein Anreiz, zu einer Einigung zu kommen. "Ich habe sie als etwas Positives dargestellt."
Zusammengefasst: US-Präsident Donald Trump begründet seine Ankündigung von Strafzöllen damit, sein Land sei von nahezu allen Handelspartner "abgezockt" worden. Korrekt ist, dass die USA im Durchschnitt und beispielsweise bei Autos niedrigere Zölle als die EU erheben. Doch solche Ungleichbehandlungen gibt es bei einzelnen Warengruppen auch umgekehrt. Sinnvoll angleichen lassen sich die Zölle nach Ansicht von Experten nur durch Verhandlungen. Einseitige Schritte wie der von Trump haben sich historisch als schädlich erwiesen.