Handelsstreit US-Präsident Trump verschiebt Entscheidung über Strafzölle bis Juni
Er hat gewartet bis zuletzt. Nur drei Stunden vor Ablauf der Frist, mitten in der europäischen Nacht, beendete Donald Trump die Ungewissheit: Im Handelsstreit habe man sich mit Südkorea geeinigt und im Grundsatz mit Argentinien, Australien und Brasilien, teilte das Weiße Haus mit. Und: "Die Regierung verlängert die Verhandlungen mit Kanada, Mexiko und der Europäischen Union ein letztes Mal um 30 Tage." Ein Satz, 18 Worte, gute Nacht, bis morgen.
Vorerst verhängen die USA also keine Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU. Trump agierte wie so oft: Der US-Präsident löste temporär ein Problem, das er selbst geschaffen hatte - verbunden mit dem Ausblick auf eine Fortsetzung. Aus der in Europa gefürchteten Stunde X wird damit die Stunde Y. Der Krimi geht weiter, das Bangen, Hoffen, Hofieren auch. Schalten Sie in 30 Tagen wieder ein!
Erst in der vergangenen Woche hatte Trump Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron persönlich im Weißen Haus um Verzicht auf Strafzölle bitten lassen wie Kandidaten seiner früheren TV-Realityshow "The Apprentice". Macron versuchte es mit Charme, Merkel mit Sachlichkeit. Gebracht hatte es zunächst nichts.
Die einen werden nun sagen, Trump sei im Zollstreit eingeknickt vor den angedrohten EU-Gegenzöllen etwa auf Orangen oder Harleys. Nun spiele er auf Zeit, um sein Gesicht zu wahren. Die anderen werden sagen: Trump bleibt Trump - und voll auf seinem Egotrip. Beides stimmt.
Deutschland pocht auf dauerhafte Ausnahme
Trumps Wirtschaftsberater haben den Präsidenten vorerst bremsen können. Sie hoffen, sein Mantra von der "unfairen Behandlung" Amerikas, das ihn seit Langem umtreibt, auf andere Weise zu berücksichtigen als durch Handelskriege. Zumal sie gerade das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada neu verhandeln. Auch wollen sie keine Partner vergrätzen, während man in hochbrisanten Verhandlungen um Nordkorea und Iran steht. Deutschland ist da eine wichtige Schaltstelle - ebenso China, mit dem Trump parallel streitet.
Deutschland nahm die Entscheidung Trumps in einer ersten Reaktion "zur Kenntnis". "Grundsätzlich erwartet die Bundesregierung weiterhin eine dauerhafte Ausnahme", sagte eine Sprecherin. Es sei insbesondere wichtig, dass die EU das Gespräch mit den USA gesucht habe und dies auch weiterhin tun werde. "Die transatlantischen wirtschaftlichen Beziehungen sind von großer Bedeutung für beide Seiten."
Ein Handelskrieg schadet allen und letztlich auch dem, der ihn anzettelt. In den USA würde er vor allem den "vergessenen Amerikanern" schaden, jenen Sojalandwirten, Stahlarbeitern und Autobauern, die Trump ins Amt gewählt haben und auf die er bei den Kongresswahlen in diesem Herbst erneut setzt - und, sollte es denn so weit kommen, bei einer Wiederwahl im Jahr 2020.
"Trump hat die gesamte Handelspolitik verunsichert"
Schon jetzt hat das Hin und Her Folgen. "Wir befinden uns auf unbekanntem Terrain", sagte der Ökonom Chad Bown der "Washington Post". "Trump hat die gesamte Handelspolitik verunsichert. Unternehmen finden es sehr schwierig, in so einem Umfeld zu operieren."
Jedenfalls merken Trumps Verhandlungspartner inzwischen eines: Er bellt, aber beißt kaum. Der Wirtschaftswissenschaftler Geoffrey Gertz ahnte das schon vorher: "Warum verpuffen diese dramatischen Ankündigungen immer?", fragte er Ende voriger Woche in einem Blogeintrag für den Thinktank Brookings. Das ist eine wichtige Einsicht in diesem Schlüsseltest, bei dem Trumps Lust zum Regelverstoß auf eine auf Regeln basierende Wirtschaftsordnung prallt.
In den USA ging die Nachricht vom Zollaufschub in der Nacht sowieso schnell unter in einem anderem Polit-Drama. Das kam Schlag auf Schlag: Erst gab es neue Spekulationen um Trumps Stabschef John Kelly, der den Präsidenten einen "Idioten" genannt haben soll. Dann publizierte die "New York Times" 44 Fragen, die Russland-Sonderermittler Robert Mueller Trump gerne stellen möchte und die darauf hindeuten, dass er Verdachtsmomente gegen den Präsidenten haben könnte.
"Das Weiße Haus läuft sehr reibungslos", twitterte Trump am Abend. "Es herrscht hohe Energie und unendliches Durchhaltevermögen, was beides notwendig ist, um die Dinge zu erledigen."