WTO-Freibrief für US-Strafzölle Der transatlantische Käsekrieg

Außenminister Mike Pompeo mit einem Stück Parmesan:
Foto: Alberto PIZZOLI / AFPDie Regierung von Donald Trump hat nie einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen die Welthandelsorganisation WTO gemacht. Der US-Präsident mag internationale Gremien sowieso nicht, und die WTO schon gar nicht. Mehrfach hat er mit dem Austritt gedroht.
Vielleicht überlegt er sich das nun noch einmal anders. Am Mittwoch haben die Schiedsrichter in Genf Trump einen Sieg zugesprochen, der ihm angesichts der innenpolitischen Amtsenthebungsquerelen sehr gelegen kommt: Mit dem Segen der WTO dürfen die USA wegen unzulässiger Subventionen der Europäer für Airbus Strafzölle auf Importe im Volumen von 7,5 Milliarden Dollar verhängen. Washington hat die Erlaubnis umgehend genutzt: Am 18. Oktober sollen die Aufschläge in Kraft treten:
- 10 Prozent auf Flugzeuge
- 25 Prozent auf landwirtschaftliche und industrielle Güter.
Welche Produkte es im Einzelnen trifft, werde man demnächst noch mitteilen, erklärte ein Handelsexperte der Regierung.
"Das war ein großer Sieg für die Vereinigten Staaten", jubelt Trump - der nur ihm zu verdanken sei: "Die WTO ist viel besser zu uns, seit ich Präsident bin." Der US-Präsident scheint überzeugt, die Organisation mit seiner Austrittsdrohung gefügig gemacht zu haben. Die USA würden nun häufiger obsiegen, "weil sie denken, dass ich die WTO nicht mag und sie sicherstellen wollen, dass ich zufrieden bin".
Die US-Administration hat sich auf diesen Moment des Triumphes gründlich vorbereitet: Auf zwei Listen hat der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer gesammelt, was jenseits des Atlantiks richtig schmerzen dürfte. In der Aufzählung kommen nicht nur Flugzeuge, Hubschrauber und Fertigungsteile aus den Airbus-Gründerstaaten Frankeich, Deutschland, Spanien und Großbritannien vor.
Auch Produkte aus anderen EU-Mitgliedstaaten stehen zur Auswahl, zum Beispiel Champagner aus Frankreich, Käse aus Italien, Oliven aus Spanien oder Wiener Würstchen und Steakmesser aus Deutschland. Das von Lighthizer ausgewählte Sortiment übersteigt die von der WTO freigegebene Summe mit 25 Milliarden Dollar um mehr als das Dreifache.
Freibrief der WTO
Trump hat damit den Spielraum, um nach Gusto die Handelspartner zu kujonieren. So hat er in der Vergangenheit damit gedroht, französischen Wein zu verteuern, als er sich über Frankreichs Digitalsteuer empörte. Dass das auch viele genussorientierte Amerikaner treffen würde, die in den Vorortfilialen von Total Wine & More den Einkaufswagen mit Côtes du Rhône oder Bordeaux beladen, ficht den alkoholabstinenten Präsidenten nicht an: "Ich mochte amerikanische Weine schon immer lieber als französische - auch wenn ich keinen Wein trinke", hat er erklärt. "Ich mag einfach, wie sie aussehen."
Vorläufig allerdings versetzt der Freibrief der WTO vor allem die Italiener in helle Aufregung, deren vier heilige P der US-Handelsbeauftragte ins Visier genommen hat: Parmesan, Pecorino, Provolone und Provoletti. Bislang sind die Amerikaner die weltweit zweitgrößten Importeure des Parmigiano. Die Zölle wären "eine Gefahr für Arbeitsplätze, Unternehmen, Familien und ganze Regionen", warnt die italienische Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova.
US-Außenminister Mike Pompeo bekam beim Besuch in Rom in dieser Woche das italienische Temperament in dieser Sache zu spüren. Eine Journalistin stürmte seinen Fototermin mit Ministerpräsident Giuseppe Conte, um ihm ein Riesenstück Parmigiano-Reggiano für seinen Präsidenten zu überreichen. Ihr dürfte entgangen sein, dass Trump für die Cheeseburger-Diät nur fabrikgefertigten American Cheese in Scheiben braucht.
Doch tatsächlich haben nicht alle Amerikaner Appetit auf die käsigen Konkurrenzprodukte der Italiener aus Wisconsin. Er unterstütze die Strafzölle gegen die "Bösewichte, die Airbus illegal subventioniert haben", sagte der frühere republikanische Kongressabgeordnete Lou Barletta: "Aber Italien gehörte nicht dazu." Der Politiker mit italienischen Vorfahren hat sich mit gleichgesinnten Importeuren und Herstellern zur American Italian Food Coalition zusammengeschlossen. Sein Argument: "Was ist Amerika ohne Pasta?"
Auch Brüssel hat eine Vergeltungsliste in der Schublade
In einem Brief an den Handelsbeauftragten plädierten 34 Abgeordnete beider Parteien dem Nachrichtenportal Politico zufolge für einen Kompromiss mit der EU. Wenn schon Zölle verhängt würden, dann bitte nicht auf bereits bestehende Orders, baten sie. Denn das "würde nur US-Fluggesellschaften (die Käufer der Maschinen), ihre Arbeiter und ihre Kunden belasten".
Mit den nun angekündigten Zöllen schöpft die US-Regierung den Spielraum der WTO nicht vollständig aus, möglich wären Aufschläge von bis zu 100 Prozent gewesen. Womöglich hatte man Angst, der zunehmend fragilen Konjunktur einen zu harten Schlag zu versetzen.
Der seit 15 Jahren währende transatlantische Luftfahrt-Subventionskrieg ist damit allerdings noch lange nicht zu Ende. Als nächstes wird die WTO festlegen, in welchem Umfang die EU Zölle gegen Amerika wegen deren Beihilfen für Boeing verhängen darf. Dass die Trump-Administration den ersten Sieg einstrich, liegt einfach daran, dass die Europäer erst später geklagt haben.
Auch Brüssel hat bereits eine Vergeltungsliste für US-Produkte im Volumen von 12 Milliarden Dollar in der Schublade. Wenn die USA die Zölle in Kraft setzten, "wird das die EU in eine Situation drängen, in der wir keine andere Option haben, als das Gleiche zu tun", drohte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Mittwoch.