Neues Buch
Anwälte nutzen Hartz-IV-Klagen als lukrative Geldquelle
Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide verursachen nach SPIEGEL-Informationen immense Kosten: Ein neues Buch deckt auf, dass die Bundesagentur für Arbeit 2012 fast 40 Millionen Euro für Honorare der Anwälte von Hilfsempfängern ausgegeben hat. Die Fälle häufen sich besonders in Berlin.
Jobcenter Erfurt: Buch analysiert Klagebereitschaft deutscher Hartz-IV-Empfänger
Foto: Martin Schutt/ picture alliance / dpa
Hamburg/Berlin - Tausende Anwälte haben es zu ihrem Geschäftsmodell gemacht, Empfänger von Hartz IV zu vertreten - und verdienen auf diese Weise einen Großteil ihres Geldes. 2012 gab die Bundesagentur für Arbeit 39,6 Millionen Euro für die Honorare der Anwälte von Hilfsempfängern aus, das berichtet nach SPIEGEL-Informationen der ehemalige Fernsehjournalist und Jurist Joachim Wagner in seinem diese Woche erscheinenden Buch "Vorsicht Rechtsanwalt - ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral".
Die Erfolgsquote von Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide lag für 2011 bei 44 Prozent, vor allem weil die Gesetze hastig verabschiedet wurden und seit ihrer Einführung mehr als 60-mal modifiziert worden sind. In Berlin kassierten sechs Sozietäten 2010 von den Jobcentern jeweils mehr als 100.000 Euro bei Hartz-IV-Prozessen, eine Kanzlei bekam sogar über 300.000 Euro.
Im niedersächsischen Gifhorn stammten nach Schätzungen des Jobcenters zwischen 2008 und 2012 zwei Drittel aller Einsprüche gegen Bescheide von einem einzigen Rechtsanwalt. Die Behörde musste ihm 2012 mehr als 72.000 Euro überweisen. Manche Anwälte wollen selbst Centbeträge einklagen - wenn sie gewinnen, zahlt das Jobcenter ihr Honorar, verlieren sie, zahlt die Justizkasse.
Im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis hat das Jobcenter vorübergehend zehn zusätzliche Sachbearbeiter eingestellt, um die massenhaften Klagen eines einzelnen Anwalts zu bearbeiten.