Grundsatzurteil Jobcenter dürfen Hartz-IV-Empfänger in Zwangsrente schicken

Wer vorzeitig in Rente geht, bekommt monatlich weniger Geld. Das müssen Hartz-IV-Empfänger jedoch hinnehmen: Einem Urteil des Bundessozialgerichts zufolge dürfen Jobcenter ihre Kunden mit Vollendung des 63. Lebensjahres zwangsverrenten.
Jobcenter in Berlin: Abschläge bei der Rente hinnehmen

Jobcenter in Berlin: Abschläge bei der Rente hinnehmen

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Ein Hartz-IV-Empfänger wird vom Jobcenter gegen seinen Willen vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Würde der Duisburger zwei Jahre später in Rente gehen, erhielte er eine Regelaltersrente von 924 Euro - weil er aber erst 63 Jahre alt ist, bekommt er jeden Monat 77 Euro weniger.

Das wollte der Mann nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Ohne Erfolg: Hartz-IV-Empfänger können von Jobcentern vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden und müssen dann Abschläge bei der Altersrente akzeptieren, urteilte jetzt das Bundessozialgericht in Kassel  (AZ: B 14 AS 1/15 R).

Damit gilt nun der Grundsatz, dass Bezieher von Grundsicherungsleistungen von Mitarbeitern der Jobcenter angewiesen werden können, eine vorgezogene Rente mit 63 zu beantragen. Dies gilt auch dann, wenn dies mit Abschlägen verbunden ist. Allerdings solle es bei besonderen Härten Ausnahmen geben, sagte Gerichtssprecherin Nicola Behrend. "Zum Beispiel, wenn in nächster Zukunft eine Altersrente abschlagsfrei in Anspruch genommen werden kann."

Bei ihrer Ermessensentscheidung müssten die Jobcenter dem Urteil zufolge auch Einzelfallgesichtspunkte berücksichtigen, sagte die Sprecherin. Etwa ob der Verweis auf die vorgezogene Rente mit 63 Jahren unmittelbar dazu führt, dass ergänzende Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden müssen.

Nach dem deutschen Rentenrecht kann mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine vorzeitige Altersrente in Anspruch genommen werden. Diese wird dann aber meist für jeden Kalendermonat um 0,3 Prozentpunkte gekürzt.

Die Folgen der vorzeitigen Rente sind politisch umstritten. In Berlin war bereits über eine Abschaffung der Zwangsverrentung diskutiert worden. Das Gesetz hat aber nach wie vor Bestand. Dabei ist die Zahl der Hartz-IV-Bezieher, die mit 63 in Rente gehen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gewerkschaften und Sozialverbände hatten deswegen die Abschaffung der Zwangsverrentung gefordert. Da das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht wurde, werden die Abschläge für die Betroffenen weiter steigen.

brk/dpa

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