Deutsche Verteidigungsausgaben Zahlen des Zorns

Der erste Haushaltsentwurf von Olaf Scholz zeigt: Deutschland ist bei den Verteidigungsausgaben weit vom sogenannten Nato-Ziel entfernt. Das sorgt bei Donald Trump für Ärger - aber auch bei Ursula von der Leyen.
Donald Trump (l.) und Olaf Scholz beim G20-Gipfel in Hamburg

Donald Trump (l.) und Olaf Scholz beim G20-Gipfel in Hamburg

Foto: Jens Büttner/ dpa

Die Aufmerksamkeitsspanne von Donald Trump gilt als sehr kurz. Ein viele Hundert Seiten starkes Dokument wie den Bundeshaushalt wird sich der US-Präsident kaum zu Gemüte führen. Zumindest eine Zahl darin aber dürfte Trump brennend interessieren: die deutschen Verteidigungsausgaben.

Nach Trumps Ansicht soll Deutschland deutlich mehr Geld fürs Militär ausgeben. Beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Washington am Freitag wird dies aus US-Sicht sogar eines der zwei wichtigsten Themen sein. Trump will, dass Deutschland eine Vorgabe der Nato erfüllt, wonach zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt ins Militär fließen soll. Doch daraus dürfte auf absehbare Zeit nichts werden.

Zwar steigert Deutschland seinen Verteidigungshaushalt kräftig - das zeigt der Haushaltsentwurf für 2018, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kommenden Mittwoch offiziell vorstellt. Aus knapp 39 Milliarden Euro in diesem Jahr sollen bis 2021 fast 44 Milliarden werden.

Doch auch wenn es vom Bundesfinanzministerium dazu bislang keine offiziellen Zahlen gibt: Dem Zwei-Prozent-Ziel nähert sich Deutschland nicht an, im Gegenteil: Die Quote dürfte in den kommenden Jahren sogar zeitweise rückläufig sein und einen Wert von 1,3 Prozent kaum überschreiten.

Wie die Amerikaner auf diese Information reagieren werden, muss der Bundesregierung klar sein. Nicht nur Trump lässt keine Gelegenheit aus, im polterigen Ton von den Verbündeten ein Hochfahren ihrer Militäretats zu verlangen. Der neue US-Außenminister Mike Pompeo flog am Donnerstag nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung zum Treffen seiner Nato-Kollegen in Brüssel. Gleich zu Beginn machte auch er im kleinen Kreis klar, dass die aus US-Sicht unfaire Lastenteilung innerhalb der Allianz eine seiner Top-Prioritäten sei.

Pompeos Stab hatte schon vor dem Abflug bewiesen, dass die USA bei dem Streit keine Scheu haben, Deutschland auch direkt anzugehen. In einem Briefing berichtete ein Diplomat detailliert über die Zahlen, die Berlin für die kommenden Jahre an die Nato gemeldet hat. Diese Summen, so die unmissverständliche Nachricht, würden bei Weitem nicht ausreichen.

Zur Quotenerfüllung in die Rezession?

Im Bundesfinanzministerium trifft die Kritik allerdings auf wenig Verständnis. Hier sieht man die Ursache für die niedrige Quote vor allem in der guten Wirtschaftslage: Da nicht nur die Verteidigungsausgaben wachsen, sondern auch das Bruttoinlandsprodukt, verändert sich der prozentuale Anteil kaum. Der einzige Weg, daran schnell etwas zu ändern - so die Argumentation im Finanzministerium -, wäre, das Land in eine Rezession zu steuern. Von den Quoten halten Scholz' Beamte deshalb wenig.

Allerdings hat Deutschland sich zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato grundsätzlich ebenso bekannt wie zu einem Anteil von 0,7 Prozent der Entwicklungshilfe, die in der sogenannten ODA-Quote gemessen wird. Laut Koalitionsvertrag sollen Verteidigungetat und Entwicklungshilfe "eins zu eins" erhöht werden und bei Nato- wie ODA-Quote ein "Absinken bereits 2018 verhindert werden".

Tatsächlich werde man den ODA-Wert von rund 0,5 Prozent im kommenden Jahr halten können, berichtete am Freitag ein Spitzenbeamter des Finanzministeriums. Für die kommenden Jahre aber sei die Quote rückläufig, räumte er ein. Bei Entwicklungshilfeorganisationen sorgt das für Empörung. Sollte Scholz sich mit seinem Etatentwurf durchsetzen, wäre das "eine strategisch völlig falsche Politikentscheidung für Deutschland und Europa", sagt Stephan Exo-Kreischer, Deutschland-Direktor der Kampagnenorganisation One.

Protest kommt auch aus dem Verteidigungsministerium. Das Plus beim Verteidigungsetat sei "gemessen am gewaltigen Nachhol- und Modernisierungsbedarf insbesondere in der Mittelfrist noch unzureichend", heißt es aus dem Ressort von Ursula von der Leyen (CDU). Nach jetzigem Stand müsse man eines der geplanten internationalen Rüstungsprojekte absagen. Gemeinsam mit dem von Gerd Müller (CSU) geleiteten Entwicklungshilfeministerium erwarte man, dass das Absinken der ODA-Quote verhindert und diese Steigerung dann "1:1 auf den Verteidigungshaushalt umgelegt" werde.

Lohnplus als Entschuldigung

Begrenzt werden die Spielräume im Haushalt auch durch eine Grundsatzentscheidung von Scholz: Der SPD-Minister will auf jeden Fall an der schwarzen Null seines Vorgängers Wolfgang Schäuble festhalten, also keine neuen Schulden machen. In diesem Fall ist das Wachstum nützlich: Es lässt die Steuereinnahmen ordentlich steigen, sodass Scholz sein Ziel ohne große Einsparungen erreicht. Stattdessen konnte er noch Mehrausgaben von 46 Milliarden Euro verplanen. Das sei doch "unheimlich viel Geld", wirbt man im Ministerium.

Verteilt werden die Milliarden auf die sogenannten prioritären Maßnahmen, auf die sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt hatten. Allein zehn Milliarden fließen dabei in den kommenden vier Jahren in den Abbau des Solidaritätszuschlags, insgesamt acht Milliarden gibt es für den Kita-Ausbau sowie die Erhöhung von Kindergeld, -freibetrag und -zuschlag.

Die prioritären Maßnahmen würden damit "ohne Abstriche" finanziert, lässt Scholz seine Beamten betonen. Für weitere Ausgaben müssten sich hingegen laut Koalitionsvertrag "zusätzliche finanzielle Spielräume" ergeben. Der Hinweis gilt nicht zuletzt den Genossen des Finanzministers. Denn nicht jeder in der SPD hält es für eine gute Idee, dass Scholz das Ziel der schwarzen Null übernimmt.

Im Finanzministerium legt man hingegen Wert darauf, bald noch eine andere Haushaltsvorgabe einzuhalten: Im kommenden Jahr soll die Schuldenstandsquote erstmals seit 17 Jahren unter die sogenannte Maastricht-Grenze von 60 Prozent fallen. Zumindest gegen diesen Rückgang dürfte selbst der US-Präsident keine Einsprüche erheben.

Zusammengefasst: Deutschland wird Selbstverpflichtungen bei den Ausgaben für Verteidigung und Entwicklungshilfe in den kommenden Jahren nicht erreichen. Das sorgt sowohl für Konflikte mit US-Präsident Trump als auch innerhalb der Großen Koalition. Das Verteidigungsministerium fordert Nachbesserungen am ersten Haushaltsentwurf, den Olaf Scholz nun als Bundesfinanzminister vorlegte.

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