Hilfe für Schuldenstaaten Ökonomen verlangen Sanierungspakt für Europa

EZB in Frankfurt: "So haben wir die Währungsunion wirklich nicht haben wollen"
Foto: Marc Müller/ dpaBerlin - Bei der Euro-Rettung drängt die Zeit: In einer Sondersitzung des Kabinetts will die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf bereits am Dienstag den deutschen Anteil an dem 750-Milliarden-Programm auf den Weg bringen. Bisher war eine deutsche Garantiesumme von bis zu 123 Milliarden Euro genannt worden.
Während Börsianer die Euro-Rettung mit einem Kursfeuerwerk feierten, nehmen Ökonomen bereits die Schwächen des Notfallplans ins Visier. Der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt, warf den Regierungen vor, sie hätten sich mit dem "Euro-Fonds Zeit gekauft, mehr nicht". Was fehle sei die Festlegung auf klare Bedingungen beispielsweise für die Senkung der Schuldenquoten, sagte er der "Bild"-Zeitung. "Jetzt ist die große Frage, ob das im Nachhinein überhaupt noch geht", erklärte der Wirtschaftsweise.
"So haben wir die Europäische Währungsunion wirklich nicht haben wollen", kritisierte Schmidt. Es passiere das Gegenteil von dem, was die Deutschen sich unter stabiler Währungspolitik und einer unabhängigen Notenbank vorgestellt hätten.
"Aufräumarbeiten beherzt und zügig angehen"
Auch der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, sieht mit dem beschlossenen Euro-Rettungspaket noch keine langfristige Stabilisierung der Euro-Zone. Zunächst sei es darum gegangen, den "Brand im Euro-Haus" zu löschen, sagte Franz der "Berliner Zeitung". "Jetzt müssen aber die Aufräumarbeiten beherzt und zügig angegangen werden", forderte er.
Vor allem Länder mit zu hoher Verschuldung müssten glaubwürdig eine Sanierung der Haushalte einleiten. Die EU-Staaten sollten einen Konsolidierungspakt mit fest vereinbarten, niedrigeren Ausgaben schließen, verlangte Franz. Länder, die sich nicht daran halten, sollten automatisch bestraft werden.
Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates des Finanzministeriums, Clemens Fuest, forderte ein hartes Durchgreifen bei verschuldeten Euroländern. "Das Paket stabilisiert kurzfristig", sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Mittel- und langfristig werfe es neue Fragen auf, weil Grundregeln der Euro-Zone in Frage gestellt worden seien. "Wir haben nach diesen Änderungen die Transferunion, eine Beistandspflicht. Das bedeutet, dass das einzelne Land in Versuchung gerät, sich auf Hilfen zu verlassen, statt zu Hause die Finanzen in Ordnung zu bringen", sagte Fuest. Dabei könne es nicht bleiben.
Die Währungsunion sei von Anfang an fehlerhaft konzipiert gewesen und der Stabilitätspakt sei dann noch unter deutscher Beteiligung entschärft worden, kritisierte der Ökonom. Er schlug eine "Begrenzung der Hilfen" vor. "Vielleicht in der Art, dass man einem Land, das in Schwierigkeiten gerät, einmal in Verbindung mit einem Stabilisierungsprogramm hilft. Wenn das Land daran scheitert, steht dann am Ende doch eine Staatsinsolvenz." Diese Möglichkeit halte er für unbedingt notwendig, sagte Fuest. Denn wenn das nicht gelinge, werde der Euro eine weiche Währung.
Abgeordnete denken über Untersuchungsausschuss nach
Abgeordnete von CDU und FDP brachten einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Ursachen der und der ins Spiel. "Die Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone wurde ganz offensichtlich mit falschen Daten erschlichen", sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Kai Wegner der "Bild"-Zeitung. "Deswegen muss jetzt geklärt werden, wie es dazu kommen konnte, warum das nicht bemerkt wurde - und wer die Verantwortung dafür trägt. Notfalls mit einem Untersuchungsausschuss." Auch der FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann erklärte, ein Untersuchungsausschuss könnte eine Option zur Erforschung der Krise sein.
Bei den Liberalen machte sich zudem Unmut über das aktuelle Rettungspaket breit, weil mit den Brüsseler Beschlüssen auch die Unabhängigkeit der (EZB) beschnitten wurde. "Solche Feuerwehraktionen der Regierungen wie am Wochenende müssen künftig unter Beachtung der Unabhängigkeit der EZB stattfinden", sagte der ehemalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt der "Bild"-Zeitung.
Der Bund der Steuerzahler warf der Bundesregierung vor, sie habe die Steuerzahler mit dem Rettungsplan "einfach überrumpelt". Die Regierung stelle "ihre Beschlüsse als alternativlos dar, ohne dass diese in Ruhe und ausgewogen diskutiert wurden". sagte Verbandsgeschäftsführer Reiner Holznagel der Online-Ausgabe des "Handelsblatts". Ob damit wirklich geholfen werde, bleibe allerdings offen. "Abermals werden die Steuerzahler über Nacht vor politischen Tatsachen gestellt, die sie unter Umständen sehr, sehr teuer zu stehen kommen", kritisierte Holznagel.