Florian Diekmann

Tarifabschluss in der Metallbranche Nur Gewinner

Es war einer der härtesten Tarifkonflikte der vergangenen Jahre - und am Ende sind alle Gewinner: IG Metall und Arbeitgeber haben einen Kompromiss gefunden, der als Blaupause für die Arbeitswelt der Zukunft dient.
IG-Metall-Chef Hofmann, Arbeitgeber-Chef Dulger

IG-Metall-Chef Hofmann, Arbeitgeber-Chef Dulger

Foto: Marijan Murat/ dpa

Dieser neue Tarifvertrag markiert eine Zäsur - nicht nur für die Metallbranche. Was die Verhandler von IG Metall und Arbeitgeber vereinbart haben, ist vorbildlich, ein Wegweiser für die Arbeitswelt der Zukunft.

Grob skizziert sieht diese Welt so aus: Ein Arbeitsleben wird nicht mehr gleichförmig verlaufen, sondern in Phasen unterschiedlicher Intensität. Jahre, in denen man länger als die normale Vollzeit arbeitet, werden sich mit Jahren abwechseln, in denen man kürzertritt, um kleine Kinder oder pflegebedürftige Eltern zu versorgen - oder einfach, um das Leben zu genießen.

Im Optimalfall wird man am Ende eines solchen Arbeitslebens insgesamt mindestens genau so viel gearbeitet haben wie in der bisherigen Arbeitswelt mit den immer gleichen Wochenarbeitszeiten - aber mit weniger schmerzhaften Konflikten zwischen familiärer Verantwortung und Beruf. Und mit einem deutlich geringeren Risiko eines Burn-outs.

Die Tarifpartner in der Metallbranche haben es geschafft, Regelungen zu finden, die allen Interessen gerecht werden - denen der Arbeitnehmer und denen der Arbeitgeber. Das ist umso bemerkenswerter, da sich die Kräfteverhältnisse deutlich zugunsten der Gewerkschaften verschoben haben. Arbeitskräfte, zumal qualifizierte, sind vielerorts in der Metallbranche derart rar, dass den Arbeitgebern ihr wichtigstes Druckmittel verloren gegangen ist: der drohende Verlust von Arbeitsplätzen.

Dennoch hat die IG Metall der Versuchung widerstanden, nach Jahrzehnten in der Defensive einen demonstrativen Triumph über die Arbeitgeber zu zelebrieren - obwohl in Teilen der Basis die Sehnsucht danach groß war. Die Gewerkschaft hätte wahrscheinlich viele ihrer Forderungen nach mehr Flexibilität für die Beschäftigten auch ohne große Zugeständnisse durchsetzen können: Ein Flächenstreik wäre für die Unternehmen der Metallbranche angesichts der derzeit hohen Auslastung so schmerzhaft gewesen, dass die Arbeitgeberverbände wahrscheinlich nach kurzer Zeit alles unterschrieben hätten, was ihn beendet.

Das hätte allerdings auch das Ende der konstruktiven Tarifpartnerschaft bedeutet, die eine Stärke des Standorts Deutschland darstellt - und den Beginn einer erbitterten Dauerkonfrontation, die auf lange Sicht Beschäftigten und Unternehmen gleichermaßen geschadet hätte.

Stattdessen ist die IG Metall den Arbeitgebern ihrerseits weit entgegengekommen, und das ausgerechnet bei der für sie so identitätsstiftenden 35-Stunden-Woche. Die wird durch den neuen Tarifabschluss noch weit mehr als bisher von einer gelebten betrieblichen Realität zu einer bloßen Rechengröße. Arbeitgeber haben künftig weitreichende Möglichkeiten, im Gegenzug zum Anspruch auf Teilzeit andere Beschäftigte 40 Stunden arbeiten zu lassen, sodass in vielen Betrieben nur noch eine Minderheit in der eigentlich normalen Vollzeit mit 35 Stunden in der Woche arbeiten wird.

Den meisten Mitarbeitern wird das nur recht sein. Schließlich bedeuten fünf Stunden mehr Wochenarbeitszeit auch entsprechend höhere Löhne und nicht zuletzt auch höhere Rentenansprüche - ein Ausgleich für die Lebensphasen mit verkürzter Vollzeit und geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse. Und die Arbeitgeber sind ihrer schlimmsten Sorge entledigt: dass sie auf einem leergefegten Arbeitsmarkt zusätzliches Personal finden müssen - oder auf Aufträge und Umsatz verzichten.

Von Anfang an war klar, dass diese Tarifrunde in der Metallbranche wegweisend sein würde. Gut, dass sie am Ende nur Gewinner kennt.

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