Immobilienstudie Wohnen wurde während Corona noch teurer

Neubauten in Köln: Spürbare Preissteigerungen
Foto: Henning Kaiser / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Durch die Coronapandemie ist die Situation von potenziellen Immobilienkäuferinnen und -käufern in Deutschland noch schwieriger geworden. Auch Mieterinnen und Mieter bleiben stark belastet. Das ergibt eine von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie, die an der International Real Estate Business School der Universität Regensburg entstanden ist. Anders als erwartet, hätten einzelne Corona-Effekte den Preisauftrieb sogar verstärkt.
Die Forscher um Tobias Just haben die tatsächliche Entwicklung des deutschen Immobilienmarkts 2020 mit einem sogenannten Referenzszenario verglichen, das sich aus Prognosen des Jahres 2019 ergab. Im bundesweiten Durchschnitt zogen die Angebotspreise für Eigentumswohnungen demnach um 0,7 Prozentpunkte stärker an als erwartet, die für Ein- und Zweifamilienhäuser sogar um 1,1, Prozentpunkte.
Auch die Angebotsmieten für Neuverträge haben 2020 schneller als die Einkommen zugelegt. Zwar wurde der Anstieg in Groß- und Mittelstädten leicht gebremst, in ländlicheren Regionen stiegen die Angebotsmieten für Neuverträge nach den Erkenntnissen der Forscher dafür umso stärker. Da gleichzeitig die Einkommen vieler Menschen trotz der weitgehend erfolgreichen staatlichen Stabilisierungspolitik weniger stark zugelegt hätten als die Mieten, sei der Anteil der Mietausgaben am durchschnittlichen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte gestiegen. Bei Haushalten, die einen neuen Mietvertrag abschlossen, habe sich die Belastungsquote durch die Nettokaltmiete um 0,6 Prozentpunkte erhöht. Unklar sei noch, ob und wie schnell sich der Effekt zurückbilde.
Insgesamt ziehen die Forscher ein verhaltenes Fazit: »Starke Verwerfungen auf den Wohnungsmärkten wurden durch die Pandemie (bislang) nicht ausgelöst«. Positiv habe sich ausgewirkt, dass die Neubautätigkeit auch in den Zeiten des Lockdowns nur in geringem Maße zurückging. Doch die weitgehende Kontinuität bedeute auch, dass Mieten und vor allem Kaufpreise wie in den Vorjahren stärker stiegen als die Einkommen. Damit werde Wohneigentum vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichen oder kleineren Einkommen »zunehmend unerschwinglich«.
Balkons, Gärten und Arbeitszimmer gefragt
Im Einzelnen stellten die Forscher durchaus Veränderungen am Markt fest. So nahm die Nachfrage nach Wohnraum insgesamt zu, der Anstieg konzentrierte sich jedoch auf Regionen abseits der Großstädte. Vor dem Hintergrund von Lockdown und Homeoffice suchten Haushalte zusätzlichen Platz. Die Suchanfragen im Internet richteten den Fokus viel häufiger auf Details wie »Balkon«, »Garten« oder »Arbeitszimmer« – ebenso wie »Haus kaufen«, eine Suchanfrage, die seit dem Frühjahr 2020 um knapp 27 Prozent häufiger gestellt wurde als vor der Pandemie.
Durch diese Verschiebungen in der Nachfrage fielen die spezifischen Corona-Preissteigerungen unterschiedlich aus. So bremste die Pandemie das Wachstum der Angebotspreise bei Eigentumswohnungen in Großstädten und etwas dichter besiedelten ländlichen Gebieten um 0,8 bzw. 0,2 Prozentpunkte ab. Im Umland der Großstädte und vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gegenden legten die Angebotspreise hingegen um 1,4 bzw. sogar 5,6 Prozentpunkte stärker zu, als das ohne Pandemie zu erwarten gewesen sei. Bei den Hauspreisen beobachteten die Immobilienforscher eine dämpfende Wirkung lediglich in den Großstädten (um 1,7 Prozentpunkte), während infolge der Pandemie in den drei übrigen regionalen Typen die Preise stärker zulegten – am kräftigsten in den »städtischen Kreisen« um zusätzlich 3,9 Prozentpunkte.
Insgesamt jedoch änderte sich im ersten Coronajahr nichts Grundlegendes am langjährigen Preistrend: Bundesweit legten die Angebotspreise für Eigentumswohnungen zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 um durchschnittlich 17 Prozent zu, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent. Die Angebotsmieten für Neuverträge stiegen im gleichen Zeitraum um 5 Prozent. Ursache dafür ist nach Überzeugung der Immobilienexperten der angestaute Nachfrageüberhang, der in vielen Stadt- und Landkreisen groß blieb.
Schleichend wirkende Asymmetrie
Der Preisschub sei wie in den Vorjahren durch niedrige Zinsen, finanzierungswillige Finanzinstitute und fehlende Anlagealternativen verstärkt worden, analysieren die Forscher. Gebremster Konsum und ausgefallene Urlaubsreisen hätten außerdem dazu beigetragen, die Kaufkraft privater Haushalte zu stärken. Sie lieferten sich einen Bieterwettbewerb mit institutionellen Investoren, die Wohnungen als vergleichsweise lukrative und sichere Anlage kauften.
Den direkten Corona-Effekt auf die Mietentwicklung stufen die Experten im Vergleich zu den Kaufpreisen als deutlich geringer ein. Bundesweit rechnen sie mit einem zusätzlichen Anstieg der Angebotsmieten für Neuverträge um lediglich 0,1 Prozentpunkte, also 5,0 statt 4,9 Prozent im untersuchten Zeitraum. Allerdings konstatieren sie auch hier spürbare regionale Differenzen: In Großstädten bremste die Pandemie die Zuwächse um 0,1 Prozentpunkte auf 4,1 Prozent, in »städtischen Kreisen« um 0,4 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent.
Dagegen legten die Mieten in etwas dichter besiedelten ländlichen Regionen um 5,1 Prozent zu – 0,7 Prozentpunkte mehr als ohne Pandemie. An der dünn besiedelten ländlichen Peripherie zogen die Angebotsmieten für Neuverträge um 6,6 Prozent an, davon schreiben die Forscher 0,9 Prozentpunkte der besonderen Situation im Coronajahr zu.