Mit Gewerkschaften und Arbeitgebern Kanzler kündigt »konzertierte Aktion« gegen Inflation an

Die Preise steigen rasant, die Kaufkraft sinkt. Nun will Kanzler Scholz mit Gewerkschaften und Arbeitgebern über den Kampf gegen die Inflation beraten. Löhne bleiben dabei außen vor.
Scholz bei Generaldebatte im Bundestag: »Gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation«

Scholz bei Generaldebatte im Bundestag: »Gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation«

Foto: Christian Spicker / IMAGO

Die Preise steigen so stark wie seit rund vier Jahrzehnten nicht mehr, im Mai lagen sie um geschätzt 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, die Kaufkraft der Beschäftigten sinkt. Nun will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Lösungen beraten. Er wolle beide Seiten zu einer »konzertierten Aktion« zusammenrufen, sagte Scholz in der Generaldebatte des Bundestags zum Haushalt 2022.

»Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir diskutieren, wie wir mit der aktuellen Preisentwicklung umgehen«, sagte Scholz. Das sei ein »ungewöhnlicher Schritt«, der aber angesichts der aktuellen Lage dringend geboten sei. Es gehe um eine »gezielte Kraftanstrengung in einer außergewöhnlichen Situation«, so der Kanzler.

Der Begriff der »konzertierten Aktion« ist aus Zeiten der Großen Koalition von 1966 bis 1969 bekannt. Angesichts der ersten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik rief Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) 1967 Vertreter von Regierung, Bundesbank, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften an einen Tisch. »Konzertiert« meint »verabredet« – also den Versuch, Interessen freiwillig abzustimmen und in Einklang zu bringen.

Scholz machte deutlich, dass dieser Abstimmungsprozess »kein Dauerzustand« sein dürfe und dass es dort keine Lohnverhandlungen geben werde. Die Sozialpartner und der Staat hätten in Deutschland aber eine »lange Tradition, in solchen Lagen eng für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten«. Als Hauptursache für die steigenden Preise nannte er den »von Russland angezettelten« Krieg in der Ukraine, der die Energie- und Rohstoffpreise anheize. Noch seien die Preissteigerungen auf »einmalige Schocks« zurückzuführen. Scholz warnte vor einer »dauerhaften Entwicklung mit zu hohen Inflationsraten«.

Der Kanzler stellte auch klar, dass staatliche Hilfen nicht unbegrenzt ausgezahlt werden könnten. »Bei allem, was wir heute und auch künftig tun, ist eins klar: Kreditfinanzierte Dauersubventionen sind keine Lösung, zumal wir nächstes Jahr die verfassungsmäßig vorgegebene Schuldenbremse wieder einhalten wollen.« Ziel müsse es sein, »den Inflationsdruck nachhaltig zu mindern«.

Die Arbeitgeber reagierten mit Zustimmung auf Scholz’ Vorstoß. »Wir Arbeitgeber sind uns unserer Verantwortung bewusst«, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. »Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben in den bisherigen Krisen immer konstruktiv an Lösungen mitgearbeitet. Wir werden es auch dieses Mal tun.«

Die Bundesregierung sieht sich auch angesichts der öffentlichen Meinung zunehmend unter Handlungsdruck. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das RTL/ntv-»Trendbarometer« gaben 65 Prozent der rund tausend Befragten an, die Bundesregierung müsse mehr für die Bekämpfung der hohen Inflation tun. Nur 26 Prozent meinen, die Maßnahmen seien ausreichend.

Zudem geht eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten davon aus, dass die Verbraucherpreise noch weiter steigen werden, weitere 38 Prozent rechnen demnach damit, dass sie auf ihrem derzeit hohen Niveau verharren werden. Nur sechs Prozent der Befragten glauben, dass die Preise bald wieder sinken werden.

fdi/dpa
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