Sozialverband »Obst und Gemüse werden für Geringverdiener endgültig zum Luxusgut«

Die Inflationsrate beträgt fast vier Prozent, außer Sprit und Energie sind auch viele Lebensmittel teurer geworden. Sozialverbände und Ernährungsexperten warnen vor sozialen und gesundheitlichen Folgen.
Frau vor Gemüseregal: Salat knapp 38 Prozent teurer als vor einem Jahr

Frau vor Gemüseregal: Salat knapp 38 Prozent teurer als vor einem Jahr

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Jens Büttner / dpa-Zentralbild

Gesunde Lebensmittel im Supermarkt oder auf dem Markt sind zuletzt deutlich teurer geworden. Sozialverbände und Ernährungsexperten besorgt dieser starke Anstieg, sie warnen vor den sozialen und gesundheitlichen Folgen. »Obst und Gemüse werden für Geringverdiener und Menschen in Grundsicherung durch die Preissteigerungen endgültig zum Luxusgut, das sie sich nicht mehr leisten können«, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, dem »Tagesspiegel«.

Im Hartz-IV-Regelsatz seien gerade einmal fünf Euro am Tag für Lebensmittel vorgesehen, kritisierte Bentele. »Das reichte schon bisher nicht für eine ausgewogene Ernährung, wie Studien nachgewiesen haben«, sagte die VdK-Präsidentin. »Dass der Regelsatz nun um lächerliche drei Euro erhöht wurde, bestätigt, wie konsequent die Regierung lebensnotwendige Bedürfnisse von Menschen in Grundsicherung ignoriert.«

Die Verbraucherpreise stiegen in Deutschland zuletzt kräftig, die Inflationsrate lag im August bei 3,9 Prozent. Die derzeit starke Teuerung bereitet vielen Menschen Sorge, die Bundesregierung hält sie allerdings nur für ein vorübergehendes Phänomen, weil die Löhne nicht ebenfalls entsprechend steigen. Auch die Europäische Zentralbank betrachtet den Anstieg als temporär und verweist auf zahlreiche Sondereffekte, die überwiegend auf die Coronakrise zurückgehen.

Gesunde Lebensmittel von Mehrwertsteuer befreien?

Betroffen von den anziehenden Preisen sind wegen des steigenden CO2-Preises besonders Energie, aber auch Lebensmittel haben sich deutlich verteuert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich die Preise für Nahrungsmittel im August im Jahresvergleich um 4,6 Prozent erhöht. Dabei mussten Verbraucher für Gemüse zuletzt neun Prozent mehr zahlen als vor einem Jahr, Salat war sogar knapp 38 Prozent teurer. Bei Obst betrug der Preisanstieg 2,5 Prozent.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) forderten, gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Nüsse von der Mehrwertsteuer zu befreien. Im Gegenzug sollten ungesunde, stark gezuckerte Produkte, etwa Softdrinks, mit einer höheren Steuer von 29 Prozent versehen werden. DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer sagte dem »Tagesspiegel«: »Davon profitieren dann auch Familien mit einem schwachen sozioökonomischen Hintergrund, denen der Zugang zu frischem Obst und Gemüse so finanziell erleichtert wird.«

Der Hartz-IV-Regelsatz für alleinstehende Erwachsene soll im Januar von 446 auf 449 Euro im Monat steigen. Eine entsprechende Verordnung des Bundessozialministeriums hatte das Kabinett vergangene Woche auf den Weg gebracht. Insgesamt erhalten Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 0,76 Prozent mehr Geld. Die aktuell deutlich steigenden Verbraucherpreise sind in die Berechnung der Sätze noch nicht eingegangen, sie sollen erst für 2023 berücksichtigt werden.

apr/dpa
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