IW-Chef Hüther "Ich glaube nicht, dass ein Familiensplitting kommt"

Familie in Bayern: Viel Geld mit geringer Wirkung
Foto: Ken Liu/ picture-alliance/ dpa/dpawebHamburg - Bundesregierungen versprechen gern mehr Geld - vor allem wenn es an gesellschaftliche Gruppen fließen soll, gegen die keiner etwas haben kann. Familien zum Beispiel. CDU und CSU wollen Eltern und Kindern mehr Geld auszahlen und sie steuerlich zudem stärker fördern - mit der Ausweitung des Ehegattensplitting zum sogenannten Familiensplitting. Das Unions-Modell sieht vor, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer für Kinder anzuheben und das Einkommen rechnerisch auf die ganze Familie zu verteilen. Parallel dazu soll das Kindergeld um 35 Euro steigen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Modell durchgerechnet und ist zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen: Gutverdiener würden deutlich stärker profitieren als Menschen mit geringen Einkommen, Hartz-IV-Empfänger gingen komplett leer aus. Gleichzeitig ist die Maßnahme auch noch teuer: Die öffentlichen Kassen würden mit mehr als sieben Milliarden Euro belastet.
Auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), Michael Hüther, hält das Familiensplitting für unnötig. Eltern sei mit besserer Kinderbetreuung und flexibleren Arbeitszeiten mehr geholfen als mit Geld, sagt Hüther im Interview mit SPIEGEL ONLINE:
SPIEGEL ONLINE: Die Kinderbetreuung wird bereits ausgebaut, sogar einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gibt es bereits. Warum wird trotzdem immer noch geklagt, für Familien werde zu wenig getan, und warum kündigen fast alle Parteien weitere Wohltaten an?
Hüther: Ich sage es mal so: Für eine Bundesregierung ist es relativ einfach, ein Betreuungsgeld einzuführen oder das Kindergeld zu erhöhen. Bei der Kinderbetreuung ist sie aber auf die Länder und Gemeinden angewiesen. Da kann der Bund zwar Geld überweisen, aber die Kommunen versuchen häufig, ihre Finanzlage auch auf diesem Wege zu stabilisieren.
SPIEGEL ONLINE: Die Union möchte das Ehegattensplitting, das es so nur noch in Luxemburg und Polen gibt, zu einem Familiensplitting ausweiten. Halten Sie das für sinnvoll?
Hüther: Ich persönlich sehe das Ehegattensplitting gar nicht so kritisch, wie das immer diskutiert wird, aber eine Ausweitung zum Familiensplitting ist meiner Meinung nach nicht zielführend. Zum einen bin ich bei Familienförderung über die Steuerpolitik generell skeptisch. Der Steuertarif muss leistungsgerecht und fair sein, auch bei Familien - aber die Instrumente gibt es alle schon.
Das Unionsmodell sieht ja auch noch vor, das Kindergeld um 35 Euro zu erhöhen, was den Staat immens viel Geld koste, aber keinen greifbaren Effekt haben wird. Das Betreuungsgeld ist in diesem Zusammenhang besonders negativ: Es gibt Müttern auch noch den vollkommen falschen Anreiz möglichst lange der Arbeit fern zu bleiben. Wenn man die zwei Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld kostet, in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen stecken würde, wo wir die größten Probleme haben, dann wäre viel gewonnen.
SPIEGEL ONLINE: Heißt das, die Parteien sollten komplett darauf verzichten, den Familien etwas Gutes tun zu wollen?
Hüther: Das deutsche Familienleistungssystem geht ja schon vom Kindergeld über den Kinderfreibetrag und die Ausbildungsförderung bis zum Freibetrag für Alleinstehende, ich glaube nicht, dass man da noch etwas draufsetzen muss. Aus Sicht der Eltern fehlt es nicht am Geld, sondern an der Infrastruktur und der Zeitsouveränität. Diesen Mangel können Sie mit finanziellen Mitteln nicht kompensieren.
SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie wirklich, dass die Parteien das Thema Familienpolitik im Wahlkampf aussparen werden?
Hüther: Ich sehe da zwischen den Parteien eigentlich keine substantiellen Streitpunkte. Außer beim Betreuungsgeld gibt es einen großen Konsens: Die Kinderbetreuung muss ausgebaut werden, da sind sich alle einig. Ich glaube nicht, dass wir ein Familiensplitting bekommen. Das hatte die Union schon 1994 in ihrem Wahlkampfprogramm. Die Einführung ist sehr kompliziert und das Steuerrecht wird dadurch auch nicht einfacher - und effektiv ist es auch nicht.