100.000-Euro-Pauschale Italien wird zur Steueroase für Superreiche

Italien ködert reiche Ausländer mit einer neuen Einheitssteuer: Wer seinen Wohnsitz dorthin verlegt, muss nur noch einen pauschalen Betrag von 100.000 Euro pro Jahr zahlen. Auch ein Visum kann man sich künftig einfach kaufen.

Als die "Fabbrica Italiana Automobili Torino" beschloss, den Sitz ihrer Holdinggesellschaften von Italien in die Niederlande zu verlegen, war das für viele Italiener ein Schock: Fiat sagt "Ciao" und verlässt Italien! Lässt sich in Holland nieder, mit einem Zweitsitz in Großbritannien - um Steuern zu sparen!

Juristisch ist das legal, ökonomisch verständlich; und doch ließ der historische Vorgang die Emotionen um die "unfaire" Steuerkonkurrenz wieder einmal hochkochen. Darf es sein, dass global agierende Firmen sich ihr Finanzamt mit der niedrigsten Steuerbelastung aussuchen können? Ist es gerecht, dass Film-, Musik- oder Fußball-Stars Millionen nahezu unversteuert kassieren? Wie Cristiano Ronaldo, der Millioneneinnahmen aus seinen Bild- und Lizenzrechten praktisch steuerfrei über Irland in eine karibische Briefkastenfirma transferieren konnte?

Seit Langem versuchen Europas Finanzminister, das gegenseitige Steuerdumping zu beenden. Ohne Erfolg. Im Gegenteil, die Palette von Steuersparangeboten in EU-Staaten wie Luxemburg, Irland, England, Malta, Zypern und den Niederlanden wird immer breiter. Nun reiht sich auch Italien in den Club derer ein, die mit Steuergeschenken für Gutbetuchte ihrem ins Gerede gekommenen Wirtschaftsstandort neuen Glamour geben wollen.

Kopfsteuer für "Paperoni"

"Paperoni" werden in Italiens Medien die Superreichen gern genannt, nach dem steinreichen Onkel Dagobert in den Donald-Duck-Heftchen, der dort "Paperone", übersetzt etwa: der große Gänserich, heißt. Für diese großen Gänseriche brechen jetzt steuerlich sommerliche Zeiten an. Sofern sie Ausländer sind und in Italien nicht arbeiten, sondern Geld ausgeben und genießen wollen.

Wer in den Genuss der italienischen Sonderbehandlung kommen will, muss drei Bedingungen erfüllen:

  • Erstens muss er (oder sie) in den vergangenen zehn Jahren mindestens neun davon nicht in Italien gelebt haben.
  • Zweitens muss er seine Einkünfte außerhalb Italiens erzielen.
  • Drittens muss er seinen (oder einen) Wohnsitz in Italien anmelden, sodass Italien zum Steuersitz wird.

Wer diese drei Bedingungen erfüllt, zahlt künftig 100.000 Euro im Jahr und ist damit allen Steuerärger los. Er braucht nicht einmal einen Steuerberater, denn das Formular hat drei Seiten und man muss eigentlich nur ein paar Kästchen ankreuzen.

Ein Beispiel: Wer 40 Millionen Euro in Aktien investiert hat, würde bei einer Rendite von vier Prozent im Jahr etwa 1,6 Millionen Euro brutto einnehmen und davon - als normaler italienischer Steuerzahler - dem Finanzamt ein bisschen mehr als 400.000 Euro überlassen müssen. Der Ärmste.

Der Millionär aus dem Ausland zahlt dagegen nur 100.000 Euro und basta. Wenn er statt 40 Millionen 400 Millionen auf dem Sparbuch hätte, würde er auch nur 100.000 Euro Steuern zahlen. Und wenn er ein Viel-Milliarden-Paperone aus dem Morgenland wäre auch.

Hätte der große reiche Gänserich eine Gänsefamilie mit womöglich ebenso gut gefüllten Investment-Taschen, müsste er dem italienischen Staat pro Kopf noch einmal 25.000 Euro überlassen. Dafür dürfen auch die soviel verdienen, wie sie wollen.

Ein Visum für eine Million Euro

Nun soll es auch Superreiche geben, die sowieso schon in einem Niedrigsteuerland leben, wo bestimmte Einkommensarten mitunter sogar gänzlich steuerfrei sind. Ein Steuerrabatt interessiert diese Leute also nicht, aber womöglich das Thema Sicherheit. Denn in etlichen dieser Staaten ist es ja derzeit nicht so richtig gemütlich. Etwa in der Türkei oder in Venezuela.

Für diese spezielle Reichengruppe hat die italienische Regierung ein ganz spezielles Angebot im Sortiment: Ein Spezialvisum für den Ausländer, der eine Million Euro in Italien investiert oder für einen guten Zweck stiftet. Wer das kann und auch tut, muss, woher auch immer er kommt, nicht mit dem Schleuserboot übers Mittelmeer fahren oder ähnlich riskante Manöver wagen. Solche Wohltäter und Wohltäterinnen können gerne mit dem Flugzeug nach Rom oder Mailand jetten - und in Italien bleiben, so lange sie wollen.

Super-Rabatt für heimkehrende Wissenschaftler

Sogar für Italiener ist etwas im Steuer-Wünsch-Dir-was-Programm. Wenn auch eher als schmückendes Beiwerk. Besonders kluge Köpfe, aus der Wissenschaft zum Beispiel, die vor zehn Jahren oder noch früher ihr Heimatland verlassen haben, weil ihnen die Bürokratie auf den Geist ging oder die Vetternwirtschaft in den Universitäten oder die Korruption in den Krankenhäusern: Solche Menschen will die Regierung zur Rückkehr bewegen - mit einem Steuernachlass auf ihre Gehälter von bis zu 90 Prozent.

Dass bei all diesen Steuerködern elementare Steuerprinzipien salopp über Bord geworfen werden, etwa das der Gleichbehandlung gleicher Einkommen von In- und Ausländern, oder die Steuerbemessung nach der Leistungsfähigkeit, mag ja als lässliche Sünde erscheinen. Hofft doch die Regierung in Rom, damit einige Tausend neue Steuerzahler ins Land zu locken und - trotz der Rabatte - einige hundert Millionen Euro mehr in die Kasse zu kriegen.

Nach aller Erfahrung mit dem Steuerdumping der Vergangenheit profitieren am Ende allerdings nicht die Staatskassen, sondern nur die Gänseriche dieser Welt von solchen Offerten. Für die Superreichen wird die Steuerbelastung immer kleiner. Die Finanzminister aber müssen ständig mit neuen Abschlägen nachlegen. Denn auf die Sonderangebote des einen reagieren die Nachbarn mit noch günstigeren Billigofferten. Das macht die Welt für die Reichen immer angenehmer - und die Staaten auf Dauer ärmer.


Zusammengefasst: Mit einer neuen Pauschalsteuer will Italien reiche Ausländer ins Land locken. Wer sein Geld im Ausland verdient, aber seinen Steuersitz nach Italien verlegt, muss künftig nur noch 100.000 Euro im Jahr zahlen. Das soll insgesamt mehr Einnahmen bringen, doch die Steuergerechtigkeit geht dabei über Bord.

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