Italiens Millionäre Volkssport Steuerbetrug

Yachthafen in Porto Cervo: "Zahlen Sie lieber 120 Euro mit Rechnung oder 80 ohne?"
Foto: ANTONIO SATTA/ ASSOCIATED PRESSDer Trick der beiden Autohändler in der norditalienischen Provinz Alessandria war vergleichsweise simpel, aber lukrativ. Sie kauften Autos, gebraucht von privat oder aus dem Ausland, schwarz, ohne Mehrwertsteuer zu bezahlen, nahmen ihren Käufern aber Mehrwertsteuer ab - und behielten den Aufschlag für sich. Die Erlöse aus dem Autohandel versteuerten sie anfangs wenigstens noch teilweise, später gar nicht mehr. So brachten sie es in wenigen Jahren auf ein Einkommen von 46 Millionen Euro, steuerfrei, zuzüglich 7,5 Millionen Euro an einbehaltener Mehrwertsteuer.
Da war ein Finanzanlagen-Makler in Mailand schon kreativer. Er gründete immer neue Firmen für seine Geschäfte, in deren Briefköpfen er allerdings nie auftauchte. Unter wechselnden Namen meldete er sich in vielen italienischen Städten an, die nötigen Dokumente waren meist gefälscht. Seine erfundenen Doubles existierten dutzendfach, er selbst blieb unsichtbar, ein Gespenst. Und bei Gespenstern bleiben natürlich auch die üppigsten Einkünfte steuerfrei.
Ins Unglück brachte die Autodealer wie den Finanz-Hai ihr Hang zum überzogenen Luxus. Die einen kauften Schmuck, Uhren und Immobilien für Millionen. Der andere logierte in einem Mailänder Apartment für 50.000 Euro Miete im Jahr, gönnte sich eine 22-Meter-Yacht, dazu das passende Haus mit Schwimmbad und Fitnessstudio in Sizilien. Über Land rollte er standesgemäß im Porsche Cayenne oder Panamera. Jetzt hat er ein Problem.
Steuerhinterziehung: 120 bis 150 Milliarden Euro
Denn nicht nur in Griechenland, auch in Italien werden die Steuerbehörden erstmals seit vielen Jahren aktiv und kreativ. Zuvor, unter der Regentschaft des vielfach angeklagten Milliardärs Silvio Berlusconi, war eine allzu engagierte Dienstauffassung der Beamten nicht erwünscht und deshalb nicht unbedingt karriereförderlich. So geriet das Land immer tiefer ins Steuerdilemma: Weil viele nichts oder zu wenig zahlten, mussten diejenigen, die sich vor dem Zugriff des Staates nicht schützen konnten, ob Fiat-Arbeiter oder Grundschullehrerin, immer mehr zahlen. Und je größer der Steuerdruck wurde, desto größer war die Verlockung zum Betrug. Sehr viele Freiberufler oder Unternehmer, ob Automechaniker oder Bauunternehmer, ja selbst Zahnärzte, fragten ihre Kunden gerne: "Zahlen Sie lieber 120 Euro mit Rechnung oder 80 Euro ohne?" Und kaum einem Kunden ist die Rechnung so viel wert.
Etwa zwanzig Prozent der Italiener, so schätzt man, beschummeln heute den Staat. Insgesamt entgehen den öffentlichen Kassen damit pro Jahr 120 bis 150 Milliarden Euro. Das ist mehr als ein Drittel der gesamten Steuereinnahmen des Landes.
Deshalb schickt die neue Regierung von Mario Monti nun die staatlichen Steuereintreiber quer durchs Land. Die spüren - wie zum Beispiel am Tag vor Silvester im mondänen Ski-Ort Cortina d'Ampezzo - dem frei zur Schau gestellten Luxus nach, ob Ferrari, Motoryacht oder Privatflugzeug. Dann kontrollieren sie, ob der Besitzer sich das alles eigentlich leisten kann - gemessen an dem, was er als Einkommen versteuert. Und reihenweise gehen ihnen bei diesem Datenabgleich dicke Fische ins Netz.
7500 Millionäre: Keinen Cent für den Staat
7500 Steuer-Totalverweigerer haben Italiens Finanzbehörden mit dieser Methode in den vergangenen Wochen enttarnt, so die römische Tageszeitung "La Repubblica". Dabei geht es nicht um Menschen, die "vergessen", den Nebenverdienst aus Schwarzarbeit anzugeben oder die Zinsen aus ihren Kapitalanlagen unterschlagen. Es geht um jene, die keinen einzigen Cent abführen, aber üppig leben.
Zusammen hat die illustre Schar der jetzt erwischten Komplett-Hinterzieher ein Einkommen von 21 Milliarden Euro an der Steuer vorbeigemogelt, im Durchschnitt mithin 2,8 Millionen pro Steuersünder. Am eindrucksvollsten dabei ist die Dreistigkeit der betrügerischen Aktivitäten:
- Da schrieben etwa in Arezzo etliche kleine Baufirmen ihren Kunden zwar vorschriftsmäßige Rechnungen aus, legten die Kopien aber statt in die Buchhaltung in den Papierkorb. Jahrelang ging das gut. Fast 70 Millionen Euro blieben unversteuert.
- So ähnlich machten es römische Heizungstechniker. Sie schrieben nur Teilbeträge auf die Rechnungen und schwindelten so mehr als fünf Millionen Euro am Finanzamt vorbei.
- Richtig ordentliche Belege schrieb ein Gastwirt in Venedig seiner Klientel, mit dem vollen Betrag, und tippte auch alles in die Registrierkasse. Nur nächtens, nach Feierabend, löschte er die Kasseneinträge und schmiss das Gros der Rechnungskopien in den Müll. Drei Millionen Euro in drei Jahren jonglierte er so an der Steuer vorbei. Bis jetzt. Nun droht ihm eine Gefängnisstrafe.
Auch der Kirche drohen Nachzahlungen
Selbst die katholische Kirche hat sich nun des Themas angenommen. Vor ein paar Tagen sagte Kardinal Angelo Bagnasco, Präsident der italienischen Bischofskonferenz, das Hinterziehen von Steuern sei eine "Sünde". Und auch die vatikan-eigenen Unternehmen - darunter Zeitungen, Immobilienverwaltungen, Briefmarken- und Devotionalien-Handel - müssten steuerehrlich sein. Alles andere wäre "ein Skandal".
Demnach kann die Regierung wohl auch vom Heiligen Stuhl noch einiges an Bargeld erwarten. Zum Beispiel vom Vatikan-Institut "Propaganda Fide". Das ist der vermutlich größte Wohnungsvermieter in Rom, zu seinem Immobilienimperium gehören kleine Apartments für schlecht bezahlte Nonnen, aber auch Luxus-Wohnungen an der Piazza di Spagna, die bis zu 10.000 Euro Miete im Monat einbringen. Über die dabei fälligen Haus- und Grundsteuern wird seit langem gestritten.
Und auch für die kircheneigenen Hotels und Bed-and-Breakfast-Häuser - allein in Rom sollen 10.000 Betten der Kirche gehören - fordert die weltliche Obrigkeit bislang vergebens den für Normalsterbliche fälligen Obolus. Korrekt bewertet, heißt es im römischen Rathaus, müsste die Kirche pro Jahr allein für die Beherbergungen rund 25 Millionen Euro zahlen.