Jamaika und die Wirtschaft Wo FDP und Grüne zusammenpassen - und wo nicht

Grünen-Protest gegen Luftverschmutzung durch Diesel-Autos
Foto: Soeren Stache/ dpaEs war ein kurzer, aber vielsagender Dialog, den Katrin Göring-Eckardt und Christian Lindner am Wahlsonntag in der "Berliner Runde" führten. "Die ökologische Frage trennt uns in vielen Punkten", sagte die Spitzenkandidatin der Grünen. "Nein, die trennt uns nicht", entgegnete der FDP-Parteichef. Nur wollten die Grünen Ziele wie den Klimaschutz "ideologisch" und "subventionsgetrieben" erreichen, die Liberalen dagegen setzten auf ein "marktwirtschaftlicheres Modell".
Sollte es zu einer Jamaika-Koalition kommen, dürften Wirtschafts- und Finanzpolitik tatsächlich zu den größten Konfliktfeldern gehören. Die Gräben zwischen Grünen und FDP sind hier größer als jeweils zur Union, die unterAngela Merkel auch in Wirtschaftsfragen auf große Flexibilität getrimmt wurde. Oft wird es zwischen den beiden Juniorpartnern aber weniger um grundsätzliche Ziele gehen als um den Weg dorthin.
Der Überblick über die strittigsten Punkte:
Für die Grünen ist der Klimaschutz die wichtigste rote Linie. Deutschlands Ziele zur CO2-Minderung müssten "ohne Wenn und Aber" eingehalten werden, lautet die erste Forderung ihres Zehn-Punkte-Plans für eine Regierungsbeteiligung. Rein formal sieht das die FDP nicht anders, im Wahlprogramm bekennt sie sich zum Klimaschutzabkommen von Paris.
Doch bei den Konsequenzen werden die von Lindner angesprochenen Unterschiede schnell deutlich. Die Grünen setzen hier vielfach auf politische Vorgaben: Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke wollen sie sofort abschalten, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr neu zulassen, die Energieversorgung bis 2050 weitgehend auf erneuerbare Energien umstellen.
Die FDP lehnt solche staatlichen Vorgaben weitgehend ab. Die Zukunft des Autos will sie ebenso den Marktkräften überlassen wie den künftigen Strommix. "Auch für die erneuerbaren Energieträger müssen in Zukunft die Regeln des Marktes mit allen Chancen und Risiken gelten", heißt es im Wahlprogramm.
In der Diesel-Debatte stellte Lindner zudem kurz vor der Wahl die derzeitigen Grenzwerte für Stickoxide infrage und warnte vor einer "Hexenjagd" auf die Dieseltechnologie. In diesem Punkt ist die FDP deutlich näher bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), welche harte Schritte gegen die Autohersteller bislang vermied und ein schnelles Aus des Diesel ebenfalls ablehnt.
Kehren die alten Euro-Kämpfe zurück?

FDP-Chef Christian Lindner
Foto: Bernd von Jutrczenka/ picture alliance / Bernd von Jutrczenka/dpaAuch Lindner war am Wahlabend sichtlich bemüht, eine rote Linie zu ziehen - und zwar in der Euro-Politik. Mit der FDP werde es "keine neuen Geldtöpfe für automatische Transfers geben", sagte er. Das war eine Absage an Pläne des französischen Präsidenten Emanuel Macron, der einen gemeinsamen Haushalt der Euro-Länder fordert.
In Euro-Fragen drängen die Liberalen auf harte Vorgaben. Die "finanzpolitische Eigenverantwortung aller Staaten" müsse ernstgenommen werden, mahnte Lindner. Auch will die FDP den Euro-Rettungsschirm ESM abschaffen, die Grünen wollen ihn dagegen zu einem Europäischen Währungsfonds umbauen.
Diese Haltung der Liberalen ist nicht neu. Schon in der schwarz-gelben Koalition versuchte ein euroskeptischer Flügel um den Abgeordneten Frank Schäffler per Mitgliederentscheid ein Veto zum ESM durchzusetzen. Schäffler wird auch der neuen FDP-Fraktion angehören, er zieht über Platz neun der nordrhein-westfälischen Landesliste ein.
Im Wahlkampf spielte die Zukunft des Euro zwar kaum eine Rolle. Doch die alten Kämpfe könnten spätestens im kommenden Sommer neu ausbrechen, wenn das bisherige Hilfsprogramm für Griechenland ausläuft. Harte Töne sind im Bundestag dann von den erklärten Eurogegnern der AfD zu erwarten. Gerade vor diesem Hintergrund könnte die FDP am Ende aber ihre europafreundliche Programmatik vor ordnungspolitische Bedenken stellen. Parteichef Lindner warf der AfD am Sonntag schon mal vor, diese wolle die EU mit ihrer Politik "in die Luft jagen".
Konfliktpotenzial gibt es noch in vielen weiteren Fragen. Im Kampf gegen die Wohnungsnot etwa wollen die Grünen die Mietpreisbremse nachbessern, die FDP sie hingegen abschaffen. Bei den Steuern fordern die Liberalen umfassende Entlastungen auch für Besserverdienende, die Grünen wollen sich dagegen ganz auf Familien konzentrieren. Und im Gesundheitssystem verteidigt die FDP eisern die private Krankenversicherung, welche die Grünen am liebsten zugunsten einer Bürgerversicherung abschaffen würden.
Im schlechtesten Fall führen diese Unterschiede zu zähen Kämpfen und Stillstand. Jamaika sei "jeden Tag harte Arbeit", berichtete kürzlich der grüne Landwirtschaftsminister Robert Habeck aus Schleswig-Holstein, dem derzeit einzigen Bundesland mit solch einer Koalition. Eine Hoffnung von Jamaika-Verfechtern aber ist, dass Grüne und Gelbe in einer gemeinsamen Koalition ihre durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten vertiefen könnten.
Ein bisschen Regulierung wollen auch die Liberalen
Ein Anfang könnte dabei die Digitalisierung sein, deren Vorreiter vor allem die FDP als neue Zielgruppe entdeckt hat. Mit dem Slogan "Digital First, Bedenken Second" positionierten die Liberalen sich im Wahlkampf scheinbar gegen Parteien wie die Grünen, die trotz eines Bekenntnisses zur wachsenden Digitalbranche auf Datenschutz pochen.
Doch zumindest ein bisschen Regulierung will auch die FDP. So müssten Kartellwächter in der rasant wachsende Branche verstärkt die "wirtschaftliche Macht" einzelner Unternehmen beachten. Dazu sollen bei Übernahmen künftig auch die Umsatz- und Gewinnerwartungen für die Zukunft berücksichtigt werden. Dass dies notwendig sei, zeige der heute sehr beliebte Messengerdienst WhatsApp. Bei seiner Übernahme durch Facebook habe er nur etwa 50 Mitarbeiter gehabt und Verluste geschrieben, jedoch bereits Zugriff auf die Daten von rund 450 Millionen Kunden geboten.
Mit einer konsequenteren Wettbewerbspolitik könnte sich Jamaika auch von der Großen Koalition abheben. Die hatte beim Tengelmann-Verkauf und dem Übergangskredit für Air Berlin eher den Eindruck erweckt, einseitig zugunsten bestimmter Unternehmen zu entscheiden.
Weniger Staat wollen sowohl FDP als auch Grüne schon mal in einem Punkt: Beide Parteien fordern, dass der Bund seine verbleibenden Anteile an der Deutschen Telekom verkauft und die Erlöse in den Glasfaserausbau steckt.
Zusammengefasst: Sollte es zu einer Jamaika-Koalition kommen, dürften Klimaschutz und die Europolitik die größte Knackpunkt zwischen der FDP und den Grünen sein. Auch Fragen wie die Wohnungsnot, Steuern oder die Krankenversicherung könnten die Zusammenarbeit der Juniorpartner bremsen. Es gibt aber auch ähnliche Vorstellungen, etwa bei Themen wie Digitalisierung und Wettbewerbspolitik.