Jamaika-Streitthema Steuern Warum ein Soli-Aus den Besserverdienern nützt

Der Solidaritätszuschlag ist zum Zankapfel in den Jamaika-Gesprächen geworden. Seine Abschaffung würde riesige Löcher in den Haushalt reißen. Profitieren würden davon vor allem die obersten 20 Prozent.
Verhandlungsführer von Grünen und FDP

Verhandlungsführer von Grünen und FDP

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

In den Neunzigerjahren wurde die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit den Kosten der Deutschen Einheit begründet. Fast drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung scheint dieser Zweck längst erfüllt. Dennoch ist der Soli immer noch ein Posten - auf dem Steuerbescheid des Bürgers ebenso wie im Haushalt des Bundes.

Seit Jahren wird über eine Abschaffung des Zuschlags diskutiert, an seiner Verfassungsmäßigkeit immer wieder gezweifelt. Für manche ist die Abgabe durch nichts zu rechtfertigen, ihre Abschaffung eine Prinzipienfrage und längst überfällig. Andere wenden ein, dass das Aus des Soli vor allem Besserverdienende entlasten und ein Loch in die Staatskasse reißen würde.

Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wer zahlt den Soli?

Grundsätzlich muss jeder den Soli zahlen, der arbeitet und Geld verdient - egal ob in West- oder Ostdeutschland. Allerdings gibt es Ausnahmen. Wer als Single weniger als 972 Euro im Jahr Steuern zahlt, ist vom Soli befreit. Für Ehepaare liegt die Grenze beim Doppelten, also bei 1944 Euro. Darüber beginnt ein Übergangsbereich bis 1340 Euro bei Singles und 2680 Euro bei Paaren. Hier wird ein ermäßigter Solisatz fällig. Wer über dieser Grenze liegt, zahlt die vollen 5,5 Prozent auf den fälligen Einkommensteuerbetrag. Außerdem wird der Soli unter anderem auch auf die Kapitalertrags- und die Körperschaftsteuer erhoben.

Welche Positionen haben die Jamaika-Partner beim Solidaritätszuschlag?

Die FDP will den Soli 2019 ersatzlos abschaffen. "Der Solidaritätszuschlag muss aus ökonomischen, rechtlichen und Gründen der politischen Glaubwürdigkeit entfallen", sagte Parteichef Christian Lindner dem SPIEGEL. "Vorstellungen der Union oder von Teilen der Grünen, den Soli noch bis weit ins nächste Jahrzehnt weiterzuführen, können wir nicht akzeptieren." (Das komplette Interview mit Christian Lindner lesen Sie hier.)

Die Grünen widersprechen dem. Der Finanzexperte der Partei, Jürgen Trittin, hält einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags in der kommenden Legislaturperiode für unwahrscheinlich. "Ich bin sehr pessimistisch, was einen kompletten Abbau des Soli unter diesen Bedingungen angeht", sagte Trittin im ZDF-Morgenmagazin. Wer einen ausgeglichenen Haushalt einhalten wolle, der könne nicht gleichzeitig den Zuschlag vollständig abbauen.

Die Union ist für einen stufenweisen Abbau des Zuschlags ab 2020. (Einen Überblick über die haushaltspolitischen Vorhaben der Parteien finden Sie hier.)

Welche Folgen hätte die Soli-Abschaffung für den Haushalt?

Im Jahr 2020 soll der Soli dem Bund 20 Milliarden Euro einbringen, Tendenz steigend. Seine komplette, ersatzlose Streichung würde ein großes Loch in den Haushalt reißen. Die Union würde deshalb am liebsten den Soli abschaffen und dabei die Staatskasse trotzdem größtmöglich schonen.

Dieser Gedanke steht auch im Mittelpunkt eines Konzepts , das das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen 2015 im Auftrag der FDP-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen erstellte. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion der Liberalen damals: Christian Lindner.

Der Vorschlag der Forscher sieht einen Abbau des Solidaritätszuschlags in drei Schritten vor: Kleinere und mittlere Einkommen sollen zuerst entlasten werden. Für diese soll die Abgabe durch Einführung einer Freigrenze sogleich ganz gestrichen werden. Der Zuschlag würde dann erst ab einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro brutto fällig. In einem zweiten Schritt, so die Forscher, sollte der Zuschlag auch für die höheren Einkommen von 5,5 Prozent auf 2,5 Prozent gesenkt werden, ehe er schließlich ganz entfällt.

Wie verteilungsgerecht wäre das Soli-Aus?

"Der Soli ist stark progressiv, er belastet höhere Einkommen erheblich stärker als Normalverdiener", sagt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Dementsprechend würde seine Abschaffung vor allem Besserverdienern zugutekommen." Geringverdiener würden kaum von der Streichung profitieren.

Wie stark der Soli vor allem Steuerzahler mit einem höheren Einkommen belastet, zeigt eine Schätzung des DIW auf Grundlage von Daten der amtlichen Einkommensteuerstatistik: Knapp 18,2 Milliarden Euro wird der Zuschlag demnach dem Bund im kommenden Jahr einbringen; ohne das Aufkommen von juristischer Personen im Besitz von Ausländern oder nicht steuerpflichtigen Inländern seien es knapp 17,6 Milliarden.

13,7 Milliarden oder 78 Prozent davon werden laut der Schätzung die einkommensstärksten 20 Prozent der Bürger zahlen, 10,8 Milliarden (62 Prozent) die einkommensstärksten zehn Prozent (siehe Grafik). 4,9 Milliarden oder 28 Prozent zahlt demnach allein das einkommensstärkste Hundertstel.

Kleinere oder mittlere Einkommen könne man durch ein Stufenmodell wie das des RWI entlasten, sagt Bach. Er selbst hat die Möglichkeit eines Freibetrags von 55.000 Euro des zu versteuernden Einkommens durchgespielt. "Die Einführung eines echten Freibetrags von 55.000 Euro des zu versteuernden Einkommens wäre jedoch auch mit deutlich höheren Steuerausfällen für den Staat verbunden", sagt Bach. Denn bei einem Freibetrag in dieser Höhe würden auch viele Gutverdiener entlastet.

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Wie sehr die Soli-Abschaffung Spitzenverdienern zugutekäme, zeigen die Berechnungen des DIW. Demnach zahlt ein Steuerpflichtiger, der zum einkommensstärksten Prozent gehört, knapp 12.600 Euro. Diese Belastung entfiele vollständig.

In den unteren vier Fünfteln entfallen auf jeden Steuerzahler hingegen laut DIW nur 104 Euro im Schnitt. "Die unteren 80 Prozent zahlen wenig, die Abschaffung würde ihnen kaum zugutekommen", sagt Stefan Bach.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Textes hieß es, der Solidaritätszuschlag sei schon bei seiner Einführung 1991 dazu bestimmt gewesen, die Deutsche Einheit zu finanzieren. Tatsächlich waren "zusätzliche, früher nicht absehbare Aufgaben in den neuen Bundesländern" nur einer von mehreren Gründen, die für die Einführung des Solidaritätszuschlags angeführt wurden.

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