Rekordwert
Jeder sechste Deutsche ist armutsgefährdet
Das Armutsrisiko in Deutschland steigt, langsam aber stetig. Schon jetzt gilt jeder Sechste als armutsgefährdet, insgesamt fast 13 Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und deren Kinder. Im EU-Vergleich stehen auch deutsche Arbeitslose besonders schlecht da.
Bettler in Düsseldorf: 13 Millionen Menschen in Deutschland von Armut bedroht
Foto: dapd
Wiesbaden - Das Armutsrisiko in Deutschland steigt seit Beginn der Statistik immer weiter. 15,8 Prozent der Einwohner, insgesamt rund 12,8 Millionen Menschen, waren im Jahr 2010 armutsgefährdet. Das sind die neuesten Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlichte. Besonders betroffen sind demnach Alleinerziehende und deren Kinder: In dieser Gruppe war mit 37,1 Prozent mehr als ein Drittel armutsgefährdet.
Als armutsgefährdet galt 2010, wer inklusive staatlicher Leistungen weniger als 60 Prozent des nationalen Durchschnitts (Median) verdient - in Deutschland sind das bei Singles 952 Euro oder weniger im Monat. Die Daten werden aufgrund eines EU-Gesetzes seit 2005 erhoben. Damals lag die Quote der Armutsgefährdeten erst bei 12,2 Prozent, 2009 erreichte sie 15,6 Prozent.
Frauen sind der Statistik zufolge mit 16,8 Prozent häufiger von Armut betroffen als Männer (14,9 Prozent). Die Armutsquote von Minderjährigen lag 2010 mit 15,6 Prozent leicht unter dem Bundesdurchschnitt. Niedriger lag der Wert mit 14,2 Prozent bei älteren Menschen ab 65 Jahren. Bei Alleinlebenden unter 65 Jahren waren 36,1 Prozent armutsgefährdet. In Haushalten von zwei Erwachsenen unter 65 Jahren traf dies auf 11,3 Prozent zu.
Zwei Drittel der Arbeitslosen sind armutsgefährdet
Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, kritisierte angesichts der Zahlen die Politik: "Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, wie es möglich ist, dass in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten immer mehr Bürger arm werden." Damit der Negativtrend sich nicht fortsetzt, fordert Stadler "die Abschaffung der Minijobs, Beibehaltung der Rentenquote von 51 Prozent und ausreichend gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten".
Die von den Statistikern veröffentlichten Zahlen sind ein zentrales Ergebnis der Erhebung "Leben in Europa 2011". Dazu wurden mehr als 13.500 Haushalte und 24.220 Personen befragt.
Ebenfalls am Mittwoch wurden Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat zur Armutsgefährdung von Arbeitslosen in Europa veröffentlicht. Mit einem Anteil von 67,8 Prozent, die in Armut abrutschen könnten, stehen Erwerbslose in Deutschland deutlich schlechter da als im Rest der Europäischen Union. Deutschland führt die europaweite Statistik seit Jahren an: In Frankreich waren demnach 33 Prozent der Arbeitslosen von Armut bedroht, in Großbritannien 47,4 Prozent und in Spanien 39,1 Prozent.