US-Notenbank vor Zinsentscheid Der leise Amerikaner gegen den lauten

Donald Trump mit Jerome Powell im November 2017
Foto: Alex Brandon/ APJerome Powell hat seinem Publikum etwas Unerhörtes versprochen: Er wolle "klares Englisch" sprechen, versprach der neue Chef der US-Notenbank Fed nach seinem Amtsantritt im Februar.
In seinen Kreisen ist das höchst ungewöhnlich, schließlich werfen Notenbanker sonst gerne mit Fachbegriffen um sich, die mehr verschleiern als erklären. Sie sprechen von datengetriebener Geldpolitik, von Neutralzins, von nebulösen Risiken und gern im Pluralis majestatis. Berühmt ist der Satz des einstigen Chairman Alan Greenspan, der die Kommunikationspolitik seiner Institution so beschrieb: "Wenn meine Aussagen Ihnen ungewöhnlich klar und verständlich erscheinen, dann haben Sie mich völlig missverstanden."
Doch Powell hat bisher gehalten, was er versprochen hat. Seine Botschaft ist simpel und eindeutig: Die US-Wirtschaft laufe auf vollen Touren und deshalb werde die Fed vorläufig am Kurs der Zinserhöhungen festhalten. Daher gehen Beobachter fest davon aus, dass die Notenbank am Mittwoch zum dritten Mal in diesem Jahr den Leitzins anhebt: um einen Viertelprozentpunkt auf die dann neue Spanne von 2,00 bis 2,25 Prozent.
Trump liebt den Geruch des billigen Geldes
Einer aber hat schon im Vorfeld erklärt, dass ihm das überhaupt nicht passt: US-Präsident Donald Trump. Der Ex-Immobilienmogul liebt den Geruch des billigen Geldes. Trump fürchtet, dass die geldpolitische Straffung die Boom-Konjunktur bremst, die seine Anhänger bei Laune hält. Im Herbst wird gewählt, und höhere Leitzinsen verteuern in der Folge auch die Bankkredite für die Amerikaner, die ihre Häuser, Autos und sonstigen Anschaffungen auf Pump finanzieren.
Seit Monaten bedrängt Trump den von ihm ernannten Fed-Chef, die Zinsen nicht zu erhöhen. "Die Vereinigten Staaten sollten nicht dafür bestraft werden, dass es so gut läuft. Eine Straffung jetzt schadet all dem, was wir getan haben", warnte er im Juli auf Twitter. Und für den Fall, dass Powell nicht verstanden hat, legte Trump im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters nach: "Ich bin nicht begeistert, dass er die Zinsen erhöht, nein, ich bin nicht begeistert", erklärte er. Stattdessen sollte ihm die Notenbank doch lieber geldpolitisch bei seinen Handelsstreitigkeiten helfen, schlug er vor. Schließlich schwächten auch andere Zentralbanken die eigene Währung, um den Export zu fördern.
Die Fed steht unter hohem Rechtfertigungsdruck
Der Präsident scheint mittlerweile ein wenig enttäuscht über die Personalwahl, die er doch selbst getroffen hat. Offenbar ging er davon aus, Janet Yellen an der Fed-Spitze durch einen Garanten laxer Geldpolitik ersetzt zu haben. Er habe erwartet, "einen Chairman des billigen Geldes" zu bekommen, beklagte sich Trump bei einer Spendengala mit Anhängern im August. Ein Irrtum. "Das kann nur Trump passieren", fügte er scherzhaft hinzu.
Die meisten Beobachter finden die zinspolitische Guidance aus dem Weißen Haus allerdings nicht amüsant. Attacken gegen die Unabhängigkeit der mehr als 100-jährigen Notenbank kommen bei den Experten in Amerika genauso wenig positiv an wie in Europa. Ohnehin steht die Fed unter hohem Rechtfertigungsdruck: Sie ist anders als die Europäische Zentralbank nicht nur verpflichtet, die Inflation in Schach zu halten, sondern muss auch für Wirtschaftswachstum und Jobs sorgen.
Bislang poltert Trump zwar, hat aber keine Versuche unternommen, das Fed-Gesetz zu ändern, das die Unabhängigkeit der Notenbank sichert. "Ich habe einen Mann berufen, den ich mag und respektiere", rang er sich jüngst sogar eine Vertrauensnote ab. Und Trumps sonstige Personalentscheidungen für vakante Posten im Fed-Direktorium stießen in der Fachwelt auf Zustimmung. Es sind keine Parteigänger, sondern erfahrene Experten.
Ob die Trump'sche Zurückhaltung aber einen Konjunkturabschwung überstehen wird, mit der viele Ökonomen auf absehbare Zeit rechnen, ist zweifelhaft. Trump dürfte das Beispiel des Ex-Präsidenten George H.W. Bush vor Augen haben, der glaubt, die Fed habe ihn 1992 den Wahlsieg gekostet. Hätte Greenspan damals die Zinsen stärker gesenkt, hätte er gesiegt, hat Bush erklärt. "Ich habe ihn wiederernannt, und er hat mich enttäuscht."
48 Gespräche mit Abgeordneten beider Parteien
Jerome Powell wappnet sich gegen unmoralische Angebote aus dem Weißen Haus auf seine Weise: Statt sich öffentlich zur Wehr zu setzen, sammelt er still Unterstützer. Unermüdlich tourt der Fed-Chef durch die Abgeordnetenbüros im Kongress, berichtet das Magazin "Bloomberg Businessweek". Er werde so oft kommen, dass er "die Teppiche auf dem Capitol Hill verschleiße", sagte Powell selbst. In seinem ersten halben Jahr hat er 48 Gespräche mit Abgeordneten beider Parteien geführt. Vorgängerin Yellen kam im gleichen Zeitraum nur auf 17 Kontakte und beschränkte sich weitgehend auf die sie unterstützenden Demokraten. Doch der gelernte Jurist Powell kennt den Wert von Lobbyarbeit in der US-Hauptstadt.
Er hat nun eine zweifache Bewährungsprobe vor sich. Im nächsten Jahr dürfte es für die Notenbank zunehmend schwierig werden, die Gratwanderung zwischen einer Überhitzung der Konjunktur und einer zu starken Straffung zu meistern. Und Powell muss nicht nur die Inflation zähmen, sondern auch den Wirtschaftslenker im Weißen Haus.
Allerdings könnte ausgerechnet Trump ihm die Arbeit erleichtern. Denn seine Handelskriege bedrohen das Wirtschaftswachstum. Dann erledigen sich weitere Zinserhöhungen von allein.
Bis dahin scheint Powell entschlossen, Trump nicht zu reizen. Wo es um die Risiken der Handelspolitik für die Konjunktur geht, verzichtet er auf die versprochenen klaren Worte. Die Fed, sagt er stattdessen diplomatisch und in wolkigem Englisch, bleibe "bei ihren Leisten".