
Jobmisere in Andalusien Sommer, Sonne, Arbeitsamt
Hohe Palmen und Orangenbäume, maurische Torbögen und ein beruhigend plätschernder Springbrunnen: Der Kolumbuspark in Córdoba hat alles, was zur andalusischen Idylle gehört.
Schon am Rand des Parks aber ist es mit der Idylle vorbei. Das Büro mit den verrammelten Fensterläden könnte eines von vielen Geschäften sein, die hier in letzter Zeit pleite gegangen sind. Doch Schilder mit der Aufschrift "Servicio Andaluz de Empleo" verraten, dass es sich um ein Arbeitsamt handelt. Und das ständige Kommen und Gehen von Menschen jeden Alters zeigt: Die Dienste der Arbeitsvermittler werden dringend benötigt.
Ausgerechnet dort, wo Spanien am spanischsten ist, suchen die meisten Menschen einen Job. Andalusien, die südlichste autonome Gemeinschaft des Landes, steht für ein Vorzeigespanien mit Sonne, Tapas und Flamenco. Doch 31 Prozent aller Andalusier sind arbeitslos. Das ist die höchste Quote in einem Land, das schon mit seiner durchschnittliche Arbeitslosenquote von knapp 23 Prozent europaweit einen traurigen Rekord hält.
"Das schmerzt mich", sagt Xènia Fernandez Simo mehrmals und so vehement, dass man es ihr glaubt. Die 20-Jährige spricht nicht nur von ihrem eigenen Job als Mitbetreiberin eines Restaurants, den sie vor zwei Jahren verlor. Sie meint auch jenen Onkel, der einst Landebahnen für Flughäfen baute und sich nun in einem Restaurant in der Schweiz verdingt.
Vor allem aber meint Xènia ihren Freund, den sie heute zum Amt begleitet. Der 26-jährige José Manuel Jurado Vargas ist Industrieingenieur - aber nur auf dem Papier. "Er hat einen Haufen Titel, aber er arbeitet nicht in dem Job, in dem er sollte", klagt Xènia.
Arbeit gibt es nur auf Zeit
So wie sich in Andalusien positive Klischees von Spanien verdichten, so finden sich hier auch die Probleme des spanischen Arbeitsmarktes in konzentrierter Form. In besseren Tagen gehörte die Region zu den größten Profiteuren des Baubooms, an der Costa del Sol entstand eine Neubausiedlung neben der anderen. Mittlerweile ist die Immobilienblase geplatzt und viele Menschen bekommen die Folgen zu spüren.
Zu ihnen gehört Josés Vater, ein selbstständiger Elektriker, der Sohn und Freundin heute zum Arbeitsamt gefahren hat. "Früher habe ich viele Fincas verkabelt", erzählt José Jurado Gonzalez. Doch aus Angst vor der Zukunft hielten sich nun selbst jene Bauherren zurück, die eigentlich noch Geld hätten.
Nach dem Kollaps des Bausektors konzentrieren sich die Hoffnungen vieler Andalusier auf den Tourismus. Rund 66.000 Menschen arbeiten hier, die dritthöchste Zahl in ganz Südeuropa. "In zwei Monaten habe ich wieder einen Job", freut sich der Rezeptionist Nicolas Magdaleno, der gerade aus dem Arbeitsamt kommt. Dann läuft das Geschäft mit den Besuchern wieder an.
Doch zuletzt machte das Gastgewerbe in Córdoba nicht einmal jeden zehnten neu geschlossenen Arbeitsvertrag aus. Fast 30 Prozent der Jobs enstanden dagegen in Agrar- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei. Andalusien war schon immer von der Landwirtschaft geprägt. Doch die hat dasselbe Problem wie der Tourismus: Die Jobs sind stark saisonabhängig und dauerhafte Arbeitsverhältnisse damit noch seltener als im Rest von Spanien. Nicht weniger als 96 Prozent der zu Jahresbeginn in Córdoba vergebenen Arbeitsverträge waren befristet.
"In Andalusien war es schon immer schlimm", sagt Abigail Serrano. Die 23-Jährige ist gelernte forensische Assistentin - ein Job, in dem sie nie gearbeitet hat. Nun hat Abigail einen Job als Kellnerin ergattert, aber nur dank Beziehungen. "Ich hatte Glück."
Im Boom blühte die Korruption
Wer aber hat Schuld an der Dauermisere? Der Selbstständige Jurado schimpft auf die Regionalregierung. "Die hat sich darauf konzentiert, viele Leute in die Ämter zu bringen." Der Staat hat in Andalusien einen besonders zweifelhaften Ruf. In den Jahren des Baubooms erreichte die Korruption ein enormes Ausmaß. Allein zwischen 2006 und 2009 gab es laut einer Greenpeace-Studie 179 Korruptionsverfahren wegen illegaler Verschandelung der andalusischen Küste.
Doch es sind auch strukturelle Probleme, die Andalusien hinterherhinken lassen. Das ohnehin mangelhafte spanische Bildungssystem funktioniert im Süden besonders schlecht. Eine aktuelle Studie der Harvard Business School zum andalusischen Tourismus diagnostiziert einen "ernsthaften Mangel an Fachkräften". Weniger als ein Viertel der Angestellten hat einen Hochschulabschluss, spanienweit ist es ein Drittel. Auch technologisch hinkt die Tourismusindustrie hinterher: Gerade einmal 45 Prozent der Betriebe nutzten Computer oder Internet.
Dass ein Industrieingenieur wie José in seiner Heimat keinen passenden Job findet, ist wenig überraschend. Die andalusische Wirtschaft besteht zu knapp 90 Prozent aus Kleinunternehmen. Und diese wurden von der Krise oft hart erwischt. In Córdoba hängen an vielen leerstehenden Ladenlokalen Plakate mit bunten Handabdrücken: Sie erinnern an Hunderte Selbstständige, die in den vergangenen Jahren ihre Geschäfte schließen mussten.
Aber wo sollen neue Jobs herkommen? Im Rathaus von Córdoba probierte man es jetzt mit einem ungewöhnlichen Angebot: Bis zu 25 Andalusier sollten für drei Jahre in die Partnerstadt Nürnberg geschickt werden. Dort können sie eine dreijährige duale Ausbildung zum Altenpfleger oder ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.
Die Anmeldefrist ist gerade abgelaufen, die Resonanz enttäuschend. "Wir haben leider nicht so viele Interessenten wie gehofft", sagt Manuela Schmidt, die das Projekt in Nürnberg betreut. Fürs soziale Jahr meldeten sich sieben Spanier, für die Altenpflegeausbildung kein einziger.
Das liege auch am Ausbildungsweg, vermutet Schmidt, schließlich ist das duale System in Spanien bislang weitgehend unbekannt. Ein noch größeres Hindernis dürfte die Sprache gewesen sein. Laut Ausschreibung sollten die Bewerber Deutsch auf mittlerem Niveau sprechen, doch bei vielen hapert es schon am Englisch. Nur ein Drittel der Andalusier spricht überhaupt eine Fremdsprache. Die Bereitschaft zur Weiterbildung sei trotz Krise ziemlich begrenzt, heißt es aus dem Rathaus.
Dabei wäre zumindest dieser Mangel wohl zu beheben. An Übungsmöglichkeiten für spanische Sprachschüler sollte es im Touristenmekka Andalusien jedenfalls nicht mangeln.