Arbeit in Kambodscha Human Rights Watch beklagt Missstände in Textilfabriken

Seit Jahren prangern Menschenrechtler Missstände in Kambodschas Textilindustrie an. Weltkonzerne und Regierung gelobten Besserung. Eine aktuelle Studie zeigt nun, was sich an den miserablen Arbeitsbedingungen geändert hat: nichts.
Textilarbeiter bei Fahrt in Fabrik bei Phnom Penh: Wichtige Exportindustrie

Textilarbeiter bei Fahrt in Fabrik bei Phnom Penh: Wichtige Exportindustrie

Foto: TANG CHHIN SOTHY/ AFP

Phnom Penh - Näherinnen müssen Überstunden leisten, Schwangere mit Kündigung rechnen - von den Schikanen gegen Gewerkschafter ganz zu schweigen: In Kambodscha stehen Textilarbeiter ihren Arbeitgebern immer noch weitgehend rechtlos gegenüber. Die vorwiegend weiblichen Arbeitnehmer würden häufig Opfer von Menschenrechtsverletzungen, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch  in ihrem jüngsten Bericht. Weder die Regierung noch die großen Markenhersteller, die als Auftraggeber im Hintergrund stünden, seien bisher angemessen gegen diese Missstände vorgegangen.

Der 140-seitige Bericht  "'Work Faster or Get Out': Labor Rights Abuses in Cambodia's Garment Industry" dokumentiert die laxe Durchsetzung des Arbeitsrechts durch die Behörden und die Untätigkeit der Markenhersteller. Dabei sei das Leid der Arbeiterinnen in Kambodschas Textilfabriken keineswegs unbekannt. Im vergangenen Jahr hätten viele der Betroffenen ihrer Verzweiflung über die schlechte Bezahlung in Demonstrationen Ausdruck verliehen, betont die Organisation. Die schlechten Arbeitsbedingungen hätten dazu geführt, dass Textilarbeiter während der Arbeit bewusstlos zusammenbrachen. Demgegenüber seien Bestrebungen, die Interessen der Betroffenen in Gewerkschaften zu organisieren, von den Behörden hintertrieben worden.

"Die kambodschanische Regierung muss handeln, um ihre miserable Bilanz bei der Durchsetzung des Arbeitsrechts und beim Schutz der Arbeiter vor Missbrauch zu korrigieren", fordert Aruna Kashyap, Expertin für Frauenrechte bei Human Rights Watch. "Die Namen der globalen Bekleidungsmarken gehören zum Alltagsvokabular. Damit verfügen sie über enormen Einfluss. Diesen können und sollten sie nutzen, damit ihre Verträge mit Bekleidungsfabriken nicht zu Arbeitsrechtsverletzungen beitragen."

Kurzzeitverträge zur Disziplinierung

Laut Human Rights Watch schließen viele Fabriken wiederholt gesetzwidrige Kurzzeitverträge ab, um ihren Arbeitnehmerinnen Mutterschaftsgeld oder andere Leistungen vorzuenthalten und sie gleichzeitig kontrollieren und einzuschüchtern zu können. Kleinere Fabriken, die als Subunternehmer für größere exportorientierte Werke fungierten, neigten dazu, Arbeiter ohne Arbeitsvertrag zu beschäftigen. Dies erschwere es den Beschäftigten, ihre Rechte einzufordern, da ihnen jederzeit eine Kündigung drohe, heißt es in dem Bericht.

Die Markenhersteller hätten keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um der Praxis der illegalen Kurzzeitverträge in ihren Zulieferbetrieben ein Ende zu setzen, selbst wenn ihr Verhaltenskodex für Zulieferer die Verwendung derartiger Verträge einschränke.

Dem kambodschanischen Arbeitsministerium zufolge verhängten die Behörden von 2009 bis 2013 gegen zehn Fabriken Geldstrafen und leiteten gegen sieben Betriebe rechtliche Schritte ein. Obwohl die Anzahl der Bußgeldbescheide in den ersten elf Monaten 2014 auf 25 anstieg, ist sie im Verhältnis zur Anzahl der Betriebe und vor dem Hintergrund der anhaltenden systematischen Arbeitsrechtsverletzungen noch immer verschwindend gering.

Textilindustrie von großer Bedeutung

Grund dafür ist wahrscheinlich die große Bedeutung, die Kambodschas Textilindustrie für die Wirtschaft des Landes spielt. Mit mehr als fünf Milliarden Dollar an Erlösen sorgen die Nähfabriken für mehr als 80 Prozent der Exporte. In den 1200 Betrieben gibt es nach Angaben des Industrieministeriums 730.000 Arbeitsplätze, 90 Prozent der Angestellten sind Frauen. Der vorgeschriebene Mindestlohn liegt seit Anfang des Jahres bei 128 US-Dollar im Monat. Die Fabrikbesitzer kommen überwiegend aus Asien, etwa aus Hongkong, Taiwan, China und Singapur.

Für ihren Bericht wertete Human Rights Watch Interviews mit mehr als 340 Personen aus, darunter 270 Beschäftigte aus 73 Fabriken in Phnom Penh und benachbarten Provinzen. Unter den Befragten waren außerdem Gewerkschaftsführer, Arbeitsrechtsaktivisten, Regierungsvertreter, Vertreter des Verbands der kambodschanischen Textilhersteller und Vertreter internationaler Markenhersteller. Von den rund 200 Bekleidungsmarken, die in Kambodscha produzieren lassen, hatte Human Rights Watch Kontakt mit Adidas, Armani, Gap, H&M, Joe Fresh sowie Marks & Spencer.

mik
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