
Ernährung: Heimliche Dickmacher
Kampf gegen Übergewicht Uno-Experte fordert Steuer auf Cola und Junk Food
Genf - Wer fett isst, soll fett zahlen: Mit Steuern auf ungesunde Lebensmittel sollen reiche Industrienationen ihre Bürger zur Umstellung ihrer Ernährung bringen. So lautet ein Vorschlag von Experten der Vereinten Nationen. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht empfehlen sie Sondersteuern auf alle Lebensmittel, die in größeren Mengen ungesund sind. Auch das System der Agrarsubventionen brauche eine Totalreform.
Chips, Softdrinks und jegliche Art von Junk-Food sollten teurer werden, empfiehlt der Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrungsmittel, Olivier de Schutter, in seinem Bericht an den Uno-Menschenrechtsrat in Genf. Reiche Länder könnten ihre Bürger durch Steuern auf bestimmte Produkte auf Linie bringen, schlägt er vor. "Erlassen Sie Steuern auf Softdrinks und auf Lebensmittel mit hohem Anteil an Fett, Salz und Zucker, um damit zugleich Obst und Gemüse sowie Aufklärungskampagnen subventionieren zu können", appellierte de Schutter an die Politiker der Industriestaaten.
Der Vorschlag ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Dänen und Franzosen müssen bereits Sonderabgaben auf bestimmte Lebensmittel zahlen. Als erstes Land der Welt hat Dänemark zum 1. Oktober 2011 eine Steuer auf Fette in Nahrungsmitteln wie Butter, Milch, Fleisch, Pizzen oder Fertiggerichten eingeführt. Pro Kilogramm gesättigte Fettsäuren sind 16 Kronen fällig, das entspricht 2,15 Euro.
In Frankreich soll den Bürgern mit der sogenannten Cola-Steuer die Lust auf Süßgetränke verdorben werden. 280 Millionen Euro soll die Abgabe dem Staat jährlich in die Kassen spülen. Kritiker warfen der Regierung vor, die Steuer sei nicht zum Kampf gegen das Übergewicht der Bürger, sondern für die leeren Staatskassen gedacht.
"Die existierenden Nahrungssysteme haben versagt"
Der Uno-Sonderbeauftragter aber hält Dickmacher-Steuern dennoch für einen richtigen Weg. Seine Argumentation: Die Steuerzahler würden letztendlich sowieso die Zeche dafür zahlen, dass die Märkte mit industriell gefertigter Nahrung überflutet würden, während gesunde Kost wie Obst und Gemüse im Vergleich zu teuer sei. Denn während die Industrie ihre Marketingkosten von der Steuer absetze, gingen angesichts der Zunahme von ernährungsbedingten Krankheiten die Gesundheitskosten hoch. Letzteres müssten die Steuerzahler mittragen, folgerte de Schutter.
Zugleich forderte er, Kosten für Vermarktungskampagnen für fett-, zucker- und salzreiche Fertignahrungsmittel dürften nicht länger steuerlich absetzbar sein. Der Sonderbeauftragter forderte auch strengere Auflagen für die Vermarktung von Lebensmitteln. Etwa eine Beschränkung der Werbung für Produkte, die Muttermilch ersetzen sollen. Zudem verlangte er, speziell auf Kinder abzielende Reklame für zuckerreiche Softdrinks und andere ungesunde Erzeugnisse zu reduzieren. Die Privatwirtschaft müsse gesunde Ernährungsgewohnheiten fördern.
"Die existierenden Nahrungssysteme haben dabei versagt, den Hunger anzugehen, und zugleich fördern sie eine Ernährung, die Ursache ist von Übergewicht und Fettleibigkeit, die weltweit häufiger Todesursache ist als Untergewicht", heißt es in dem Bericht. Durch radikale Reformen müsse gute und gesundheitsfördernde statt gesundheitsgefährdende Nahrung günstig verfügbar werden. Damit müssten zugleich arme Bauern weltweit unterstützt und die Natur geschont werden.
Recht auf gesunde Nahrung
De Schutters Bericht ist der erste derartige Report, der sich explizit mit den Industriestaaten beschäftigt. Der Sonderbeauftragter zieht ein ernüchterndes Fazit: Während in armen Ländern der Kampf gegen den Hunger kaum Erfolge bringe, sorgten in den reichen Staaten aus dem Ruder gelaufene Systeme von Subventionen mit dafür, dass Millionen von Menschen viel zu viel und zugleich zu viel Ungesundes essen. Rund eine Milliarde Menschen leide Hunger, etwa 1,4 Milliarden seien übergewichtig durch falsche Ernährung. Das Recht auf Nahrung bedeute nicht nur das Recht nicht hungern zu müssen, sondern es beinhalte auch ein Recht auf gesunde und vernünftige Ernährung, schrieb de Schutter.