Kanzlerin in Davos Merkel verweigert die Retterrolle

Angela Merkel in Davos: Überfordert uns nicht
Foto: Michel Euler/ APZum Beginn gab es viel Lob. Vor einem Jahr habe Angela Merkel hier ein "großes Bekenntnis" zu Europa abgelegt, sagte Klaus Schwab, Gründer und Chef des Weltwirtschaftsforums. In der Schuldenkrise habe sie schon manchem Sturm getrotzt. Doch viele würden nun sagen, dass erst 2012 das entscheidende Jahr sein werde. Das Jahr, in dem der Euro untergehen könnte.
Da schaute Angela Merkel kurz ziemlich genervt - aber das mag nur am Scheinwerferlicht gelegen haben. Kurz darauf trat die Kanzlerin ans Pult und beteuerte, sie freue sich gerade in diesem Jahr, in Davos zu sein.
Eine passendere Eröffnungsrednerin als die Bundeskanzlerin hätte sich das Weltwirtschaftsforum kaum aussuchen können. Standen bei den Treffen der vergangenen Jahre oft Banker im Mittelpunkt, die sich für die Finanzkrise rechtfertigen mussten, so richtet sich die Aufmerksamkeit neuerdings wieder auf die Politik. "In der Geschäftswelt hätten wir gerne viel mehr Führung von den Leuten, die wir wählen", sagte David Rubenstein, Gründer der US-Private-Equity-Gesellschaft Carlyle, bei einer Auftaktdebatte am Dienstagmorgen.
Die Politik soll den nächsten Abschwung verhindern. Denn in Davos, wo früher Tuberkulose-Kranke gepflegt wurden, geht es schon wieder um eine schwindsüchtige Weltwirtschaft. Die schien nach der weltweiten Finanzkrise eigentlich halbwegs über den Berg. Doch dann kamen die europäische Schuldenkrise und Symptome einer neuen Verunsicherung der Finanzmärkte. Jetzt erscheint das System akut rückfallgefährdet.
Besonders groß sind die Erwartungen an die Deutschen, das zeigte sich schon wenige Stunden vor Merkels Auftritt in einem Davoser Hotel. Bei einem Mittagessen mit der internationalen Presse warf Spekulantenlegende George Soros der Bundesregierung Versagen vor. Deutschland handle zu zögerlich und habe die Krise verschlimmert, indem es Schuldensündern "drakonische Maßnahmen aufzwang". Mit seiner Kritik ist Soros nicht alleine. Auch Weltbankpräsident Robert Zoellick forderte gerade in einem Zeitungsbeitrag mehr Führung von Deutschland.
Doch Angela Merkel lässt sich bekanntlich ungern zu etwas drängen. Wenn die Welt über Deutschland redet, redet Merkel erst einmal über die Welt: Im ersten Teil ihrer Eröffnungsrede ging es ausschließlich um globale Probleme wie die gescheiterte Handelsrunde bei der WTO oder die mangelnden Fortschritte beim Klimaschutz.
"Ein großes, ein erfolgreiches Projekt"
Es folgten freundliches Lob für die bisherigen Reformen in Europas Krisenstaaten sowie ein Bekenntnis zur europäischen Einigung. Sie habe keinen Zweifel, dass Europa "ein großes, ein erfolgreiches Projekt sei", sagte die Kanzlerin. Deutschland sei denn auch bereit "mehr Europa zu wagen".
Doch allzu wagemutig wollte sich Merkel dann doch nicht zeigen.
Über den Abbau von Handelsungleichgewichten, könne man mit dem Exportmeister Deutschland durchaus reden, sagte Merkel. Doch wenn sich die Euro-Länder bei ihrer Wettbewerbsfähigkeit nachher "irgendwo beim Mittelwert treffen", werde Europa in der Welt nicht bestehen. "Dann werden wir sicher noch lange ein interessantes Reiseziel bleiben - aber Wohlstand in Europa werden wir nicht erwirtschaften". Das klang nach einem Appell an den Unternehmergeist, der in Davos so oft beschworen wird.
Bei der Forderung nach einer Aufstockung des Euro-Rettungsschirms, die etwa Italiens Premier Mario Monti erhoben hatte, appellierte Merkel an etwas anderes: das Mitgefühl der europäischen Nachbarn. "Von Deutschland denkt man, es ist besonders stark", sagte die Kanzlerin, und das sei nicht gänzlich falsch. Wenn Deutschland aber etwas verspreche, "was bei harter Attacke der Märkte dann auch nicht einlösbar ist, dann hat Europa eine ganz offene Flanke". Kürzer gesagt: Überfordert uns bitte nicht.
Nachdem sie den Blick so von Deutschland wieder auf den ganzen Kontinent gelenkt hatte, kam Merkel zum Abschluss noch einmal auf den Rest der Welt zu sprechen. Bei näherer Betrachtung hätten ja auch andere Länder Probleme, sagte die Kanzlerin. Und fügte vergnügt hinzu: "Das beruhigt mich. Dann sind wir auch alle miteinander gut beschäftigt". Diese Art von Beruhigung dürfte Merkel in Davos allerdings ziemlich exklusiv verspüren.